Karl-Heinz und ich lernten uns schon wenige Monate nach der Neuauflage von Nippon-Classic.de kennen. Damals tauschten wir uns über eines seiner neuesten Projekte aus, eine CJ360, die er umzubauen plante. Und ich erzählte ihm von meinen Vorhaben mit der Webseite. Doch es sollte noch knapp zwei Jahre dauern bis wir uns persönlich begegnen. Nun war es endlich soweit.
Der selbstständige Unternehmer und Grafik-Designer lebt in einer beschaulichen Gemeinde im nördlichen Landkreis von Karlsruhe. Wenn es die Zeit zulässt, widmet er sich nach der täglichen Arbeit seiner wahren Leidenschaft – dem Restaurieren und Customizen von Motorrädern. Seine Garage in einer unscheinbaren Nebenstraße hat mich nach Betreten durch das große Tor als eine der coolsten Schrauber-Garagen und faszinierenden Motorrad-Sammlungen richtig überrascht.
Die Tür schließt sich hinter uns, denn neugierige Blicke sollen besser draußen bleiben. Ich bin total begeistert. Wo sonst Enge und Dunkelheit vorherrschen, ist es hier hell und geräumig. Vor mir stehen wunderschöne Chrom-Juwelen vergangener Jahrzehnte perfekt in Reih und Glied. Links wartet auf einer Hebebühne eine rote BMW auf letzte Handgriffe, dahinter eine alte Hobelbank mit Werkzeug und Spraydosen nicht pingelig, aber gut sortiert im Wandregal untergebracht. Und am Ende des großen Raums hat sich Karl-Heinz eine Sofaecke mit Sessel und Couchtisch als Rückzugsort geschaffen, flankiert von weiteren Maschinen aus seiner Sammlung und jeder Menge Tanks an der Wand.
Dreißigjährige Faszination Motorräder
Seit über drei Jahrzehnten hat ihn die Faszination der Motorräder nicht mehr losgelassen. Alles fing, als er den Führerschein 1b in der Tasche hatte, mit einer Honda CB 50 an. Mit 18 Jahren bescherte ihm eine XR 500 den Einstieg in die Welt ohne Hubraum- oder Leistungsbeschränkung. Es folgte später eine nagelneue Honda African Twin, der er noch heute nachtrauert. Für eine BMW GS gab er die Africa Twin irgendwann in Zahlung. Eine Nachfrage bei dem Händler, an wen die Maschine verkauft wurde, führte aber Jahre später ins Leere.
„Die Africa Twin war ein Top-Motorrad. Ich hatte da nichts dran gehabt, wirklich gar nichts. Mit der Honda habe ich über die Jahre 115.000 Kilometer durch ganz Europa zurückgelegt. Die Laufleistung hat man ihr aber äußerlich niemals angesehen.“
Heute umfasst sein „Fuhrpark“ über 30 Old- und Youngtimer verschiedenster Marken. Den Schwerpunkt seiner Garagensammlung bilden Nippon-Bikes aus den 70er Jahren. So stehen in seiner Werkstatt eine Yamaha RD 250, XS 650 und TX 750. Von Honda sind es die Dax, CB 250, CB und CJ 360 sowie eine GB 500 Clubman. Aber auch eine Triumph Trident T150, verschiedene BMWs und eine Moto Guzzi 850 Le Mans fehlen nicht.
Ob Karl-Heinz ein Motorrad originalgetreu restauriert, hängt von der Substanz ab. Bringt eine Maschine die falsche Basis mit oder fehlen viele Teile, baut er sie zu einem schicken Scrambler oder Cafe Racer um. Die Entscheidung trifft er dabei „meistens recht spontan“. Natürlich war ich neugierig und wollte wissen, seit wann er mit Sammeln begonnen hätte.
„Ich hab eigentlich nie angefangen zu sammeln, ich habe halt keine Maschine mehr hergegeben. Und ich suche auch nicht speziell nach irgendwelchen Modellen. Meistens finden die Motorräder zu mir. So auch beispielsweise eine CB 250, die mir ein Kumpel auf den Hof geschoben hat und die ich mir eigentlich nicht mal ansehen wollte. Mit den Jahren sind so immer neue Motorräder hinzugekommen.“
Aber so eine Sammelleidenschaft ist auch Fluch und Segen zugleich. Wegen dem Schrauben kommt Karl-Heinz, wie er selbst eingesteht, viel zu selten zum Fahren. Aber es gibt da auch ganz andere Kaliber, die über Jahrzehnte viele Motorräder oder Autos anhäufen, den Überblick verlieren und gar nicht so alt werden können, was sie alles restaurieren müssten. Sein TÜV-Mann, den er seit Jahren kennt, ist so ein Spezi. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Fast schon künstlerisch hingegen, drapiert er in einem hohen Wandregal dutzende Originaltanks, die irgendwann einmal wiederverwendet werden. Allein die Tanks sind schon eine bemerkenswerte Sammlung und reichen von verschiedenen Honda-Spritfässern, über „Toaster-Tanks“ von BMW, einen Ducati-Königswellen-Tank bis hin zu einem Kreidler-Kraftstoffbehälter.
Ganz oder gar nicht
Wenn Karl-Heinz sich einem Projekt widmet, kennt er keine Kompromisse und geht strukturiert ans Werk. Das nötige Fachwissen hierfür hat er sich nach und nach selbst angeeignet. Natürlich „gab es auch Rückschläge“, wie er sich selbst eingesteht.
„Wenn ich eine Maschine restauriere oder umbaue, dann mach ich sie auch komplett. Auf einem Rolltisch sortiere ich mir die Arbeit: das muss repariert, das verchromt, das lackiert und das gepulvert werden. Ich bin da ziemlich strukturiert und kann Chaos nicht gebrauchen.“
Ein Bekannter, der eine gute Ausstattung an Maschinen besitzt, hilft Karl-Heinz, wenn er mit eigenen Mitteln nicht weiterkommt. Und wenn es richtig ins Eingemachte geht, vertraut er bei den Motoren auf Spezialisten. Hierfür hat er sich über die Jahre ein großes Netzwerk aufgebaut.
„Ich kenne da einen, der macht nur XS-Motoren. Der schläft quasi und macht nebenher den Motor. Der hat die Teile auch da, kennt beispielsweise die Maße der einzelnen Wellen und braucht hierfür kein Handbuch.“
Aus nicht genutzten Teilen entstehen witzige Gimmicks
Mit dem, was früher weggeschmissen wurde, verdienen sich heute die Händler auf der Veterama eine goldene Nase. Nicht so bei Karl-Heinz, der auch übrig gebliebene Teile einer neuen Bestimmung zuführt. So entstehen – quasi nebenbei – Hängelampen aus Nummernschildern, aus alten Isolatoren ein kreativer Helmhalter oder aus Schweinwerfern nostalgische Stehlampen mit Stativfuß, die seine Chillout Area erhellen.
Upcycling mit praktischem Nutzen. Wenn er nicht schraubt, macht er sich hin und wieder auch einfach nur mal auf dem Sofa gemütlich und erfreut sich seiner fertigen Projekte oder schmiedet Pläne für neue Projekte damit seine Hebebühne nicht zu lange leer bleibt. Denn wer denkt, dass der selbständige Unternehmer tagtäglich in seiner Werkstatt schraubt der täuscht sich.
„Meistens schaffe ich es nur an den Wochenenden, wo ich in Ruhe an den Motorrädern arbeiten kann. Aber ich genieße diese Zeit, bringt sie mich doch mal weg vom Tagesgeschäft.“
Jedes Motorrad hat seine eigene Geschichte
Die erste Maschine in seiner Schrauber-Garage ist eine Honda CB 360, die ihm ein Kumpel vermachte, da dieser in seinem neuen Haus keinen Platz mehr für sie hatte. Natürlich war daran noch was zu machen. Also machte sich Karl-Heinz auf die Suche nach Teilen, darunter Schutzbleche und eine Auspuffanlage. Ein bekanntes Internetportal wies ihm den Weg in den nächsten Nachbarort, wo eine CJ 360 stand und die erhofften Teile versprach (damals war ihm noch nicht bewusst wie unterschiedlich beide Modelle sin). In einer Efeu-überwucherten Garage schlummerte seit 16 Jahren die Honda CJ 360 im Dornröschenschlaf. Schnell war klar, dass die notwendigen Teile hier nicht zu finden waren, aber die CJ gut in eine 360er-Sammlung passen könnte.
Das mitleiterregende „Etwas“ nahm er für 150 Euro mit. Die CJ 360 ist inzwischen alles andere als „Mainstream“ und die Teilesuche für sie gestaltete sich nun abermals schwerer als gedacht. So hatte Karl-Heinz inzwischen zwar eine CJ 360 und CB 250, aber noch immer keine Teile für seine CB 360.
Bei eBay Kleinanzeigen wurde er schließlich auf eine Honda CL 360, einige Ortschaften weiter, aufmerksam. Wie sich herausstellte, kannten sich der Verkäufer und er von einer früheren, gemeinsamen Ausfahrt. Da die Maschine komplett und original war, aber der Tank eine Delle hatte und einiges zu tun war, gab es zum unverhandelten Preis noch jede Menge Teile dazu. Endlich hatte er Ersatzteile für die CB 360 gefunden. Es kam zusammen, was zusammengehört. Und so hat jede Maschine in Karl-Heinz‘ Sammlung ihre eigene Geschichte.
Ihr habt auch eine tolle „Schrauber-Höhle“ und möchtet sie hier vorstellen? Schickt uns einfach eine Mail!
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