Der große Ölberater fürs Motorrad

Schmierstoff ist nicht gleich Schmierstoff

Hier geht es um das richtige Motoröl für Motorräder

Laut der Zeitschrift OLDTIMER MARKT fahren „rund 90 Prozent aller deutschen Oldtimerbesitzer das falsche Motoröl und riskieren damit potenzielle Motorschäden.“

„Ich fahre das billigste Baumarktöl. Es ist mit Sicherheit hundert Mal besser als alle Motorenöle, die es zu kaufen gab, als mein Motor konstruiert wurde.“ So oder so ähnlich argumentieren viele Besitzer von Youngtimern und Oldtimern in langen Diskussionen beim Bikerstammtisch. Andere kaufen nur das teuerste Motoröl, weil sie nichts falsch machen wollen und ihnen für ihr altes Motorrad das Beste gerade gut genug erscheint.

Hinter solchen Entscheidungen steht Unsicherheit aus Informationsmangel. Zu undurchsichtig sind die Angaben auf den Ölgebinden, die Werbeaussagen technisch nichtssagend und die Informationspolitik der Schmierstoffhersteller oft vage. Während sich die Deklaration von Inhaltsstoffen im Motoröl insgesamt verbessert hat, herrscht auf dem Schmierstoffsektor für den Endkunden wenig Transparenz.

Motoröl – Quelle des mechanischen Lebens

Motoröl – Quelle des mechanischen Lebens (Foto: Fotolia)

Der Ölberater von Nippon-Classic.de behandelt hier alles Wissenswertes zum Thema Motoröl und gibt das umfangreiche, über Jahre gesammelte Know How von Oldtimer-Spezialisten und Restauratoren weiter. Aber auch Experten aus der Schmierstoff-Industrie stehen Rede und Antwort und erläutern die Unterschiede beim Motoröl. Dieser Ölberater erklärt, warum Young- und Oldtimer oftmals besondere Schmierstoffe verlangen und hilft dabei das richtige Motoröl für euer Motorrad zu finden.

Öl ist das Elixier eines jeden Motors

Öle und Fette sind die wichtigsten technischen Schmierstoffe und als Konstruktionselemente eng mit dem Aufbau und der Funktion von Motoren und Getrieben verzahnt. Öle und Fette bilden zwischen Reibungsflächen Schmierfilme. Je nach Art und Qualität der Schmierung trennen Öle und Fette die Gleitpartner mehr oder weniger vollständig voneinander. Reibung, Geräuschentwicklung und Verschleiß werden verringert. Schmierfette schützen Lagerstellen zusätzlich gegen Feuchtigkeit, Schmutz und andere äußere Einflüsse. Sie verbleiben an der Schmierstelle, da sie viskoser (zäher) sind.

Welche Aufgaben hat das Motoröl?

Neben der Schmierfähigkeit und der Ableitung von Reibungswärme bestimmen heute zunehmend Umweltaspekte die Schmierstoffentwicklung. Moderne Motoröle müssen inzwischen Alleskönner und… :

  • dünnflüssig beim Kaltstart,
  • schmierfähig auch bei hohen Temperaturen und Drücken,
  • dabei leicht laufen,
  • dürfen nicht verdampfen und schäumen,
  • sie sollen Kolbenringe abdichten,
  • vor Korrosion schützen,
  • den Motor von innen kühlen,
  • aggressive Verbrennungsprodukte und Kondensat neutralisieren,
  • mit Dichtungswerkstoffen verträglich sein,
  • Abrieb und Schmutzpartikel zur Filterpatrone transportieren,
  • sollen lange Ölwechselintervalle ertragen,
  • Notlaufeigenschaften aufweisen,
  • wenig umweltschädliche Stoffe freisetzen,
  • für Katalysatoren- und Partikelfilter geeignet und
  • letztlich bezahlbar sein.

Darüber hinaus verlangen manche Kfz-Hersteller teure Spezialöle. Der Schmierstoff ist hier derart eng mit der Konstruktion verzahnt, dass alle Garantie und Gewährleistungsansprüche verfallen, wenn etwas anderes eingefüllt wird.[

Welches Motoröl ist für (m)ein Motorrad geeignet?

So viel vorweg: das perfekte Motoröl gibt es nicht, aber das richtige Öl für jedes Motorrad! Und es gibt Unterschiede beim Motoröl. Inzwischen bieten viele Motoröl-Hersteller ein breites Produktspektrum an, das vom Motoröl für Vorkriegsveteranen, über Schmierstoffe für Young- und Oldtimer bis hin zu Motorölen für morderne Motorräder mit Einspritzmotoren und Katalysatortechnik reicht.

Die Qualität des Schmierstoffes aber alleinig anhand von DIN oder API Klassifizierung zu beurteilen, ist leider ein weitverbreiteter Irrglaube.

Welches Motoröl fürs Motorrad geeignet ist, bestimmen einerseits die Herstellerfreigaben, die bei der Wahl des passenden Motoröls immer die allererste Grundlage sein sollten. Sie findet man unter anderem im Fahrerhandbuch.

Zudem gibt es bei älteren Motoren ohne Feinfilter im Motorölkreislauf und wälzgelagerten Motorradmotoren ein paar wichtige Besonderheiten zu beachten. Ein modernes Motoröl kann hier zum schleichenden Motorentod führen.

Nicht zuletzt hängt die Entscheidung auch von den persönlichen Fahrgewohnheiten und dem Einsatzgebiet ab. So verlangt eine historische Rennmaschine mit hochdrehendem Zweitaktmotor ein anderes Motoröl als ein Motorrad mit langhubigem Viertakt-Motor, das hin und wieder gemächlich bei Wochenendausflügen gefahren wird.

Unser Ölberater berücksichtigt daher alle relevanten Kriterien zur Bewertung von Motorradölen – dazu gehören:

  • die Herstellerfreigaben,
  • die Viskosität bzw. Fließfähigkeit,
  • die Motorölqualität,
  • die Verwendung von Additiven sowie
  • die Besonderheiten für Motoren ohne Feinfilter im Motorölkreislauf, Motoren mit Gleitlagern und Motorradmotoren mit einer Nasskupplung.

Einen Motoröl-Test mit Ölanalyse-Testgeräten kann dieser Ölberater nicht ersetzen. Ein solcher Motoröl-Test ist nur unter kontrollierten Laborbedingungen möglich und kann weder von einem Fachverlag noch einem Online-Magazin vom Aufwand her geleistet werden. Hierfür gibt es jedoch unabhängige Unternehmen, die die Werbeaussagen der Hersteller im Labor objektiv auf den Prüfstand stellen. Das führende Labor für Schmierstoff- und Ölanalysen im deutschsprachigen Raum ist die Oelcheck GmbH in Brannenburg, die seit 25 Jahren Motorenöl und andere Schmierstoffe objektiv auf Verschleiß, Verunreinigung, Ölzustand und Additive testet.

Das falsche Motorenöl kann ein Motorenkiller sein

Motorradmotoren ohne auswechselbare Feinfilterpatrone im Hauptstrom (Motorölkreislauf) vertragen keine modernen Motorenöle – keine aus dem Fachhandel, keine aus dem Baumarkt.

Warum ist das so – ein Abstecher in die Welt der Öl Additive

Ab der Ölspezifikation API SF, etwa Mitte der 1970er Jahre – erhielten die Motoröle zunehmend Wirkstoffe (sog. Öl Additive) mit Schmutztrageeigenschaften. Diese Detergentien halten Abriebpartikel, Schwarzschlamm und andere Verunreinigungen in der Schwebe und sorgen so dafür, dass der Dreck zum Feinfilter transportiert und dort aufgehalten wird, bevor die Ölpumpe das Öl wieder zu den Schmierstellen fördert.

Fehlt ein solcher Feinfilter im Motorölkreislauf, gelangen bei Verwendung moderner Motorenöle der Abrieb und andere schädliche Bestandteile ungehindert immer wieder zu den Schmierstellen und wirken dort im Laufe der Zeit wie Schmirgelbrühe. Gerade die Nasskupplung und das Getriebe sorgen für allerhand Abrieb, der dann ständig im Motor vagabundiert und verheerende Langzeit-Auswirkungen hat. Der Motor verreckt nicht sofort. Er verschleißt „nur“ schneller – je nach Länge oder Kürze der Ölwechselintervalle. Deswegen muss z.B. bei den Aermacchi Viertaktern das Motoröl so oft gewechselt werden (kein Filter – Kupplung, Motor, Getriebe ein Sumpf).

Die zeitgenössischen Motoröle bis API SF waren für Motoren ohne Feinfilterpatrone im Motorölkreislauf konzipiert. Schon API SE verfügt über eine hervorragende Schmierkraft, aber es transportiert den Abrieb nicht durch den Motor, sondern lagert ihn als Schlamm im Ölsumpf ab. Diese Motorradöle sind exakt die richtigen für die Yamaha XS 650 und andere Motoren ohne Feinfilterpatrone im Hauptstrom.

Wird eine Feinfilterpatrone nachgerüstet, und ist der Motor innen sorgfältig gereinigt worden, steht einer Verwendung aktueller Motoröle nichts im Wege – mit einer entscheidenden Ausnahme: Spezielle Leichtlauföle haben in allen alten Motoren, speziell im wälzgelagerten Motorradmotoren, nichts verloren.

Warum denn das schon wieder?

Diese Motorradöle haben – vereinfacht formuliert – eine verminderte Schmierkraft. Das klingt unlogisch, ist aber so. Der Leichtlauf – und damit die Kraftstoffersparnis – wird zur Verwendung in speziell dafür konzipierten Motoren mit einer verminderten Hochtemperatur-Scherfestigkeit erkauft. Diese Hochtemperatur-Scherfestigkeit ist aber eine entscheidende Größe in Motoren mit gemeinsamer Ölversorgung von Motor und Getriebe und in Motoren mit Wälzlagerung. Das war übrigens der Grund, warum der Mini auf ein spezielles Motorenöl angewiesen war, ein Öl mit speziellen Hochdruckzusätzen. Also, Leichtlauföle haben hier nichts verloren.

Beachtet man diese beiden Schlüsselinformationen, kann man bei der Wahl des richtigen Schmieröls für Youngtimer und Oldtimer nicht viel falsch machen.

Die 5 schwersten Fehler bei der Wahl des Motoröls

  1. Fehler Nummer 1: Nur das beste (teuerste) Öl verwenden. Denn das beste Motoröl für Motorräder ist das bestangepasste Öl. Daher ist es unbedingt notwendig die Motorölspezifikationen einzuhalten und die Auswahl der Ölviskosität den Betriebsbedingungen des Motorrades anzupassen.
  2. Fehler Nummer 2: Nur das billigste Öl benutzen. Auch wenn uns die Werbung oftmals „Geiz ist geil“ zu suggerieren versucht, kann das bei einem günstigen Motoröl nach hinten losgehen. Denn ein billiges Motorradöl kann den Verschleiß im Motor begünstigen.
  3. Fehler Nummer 3: Der Einsatz von Leichtlauföl in Wälzlagermotoren. Denn ein Leichtlauföl bringt bei nicht geeigneter Motorenölqualität einen erhöhten Verschleiß im Motor mit sich. Mehrbereichsöle hingegen stellen heute bei passender Ölqualität kein Problem mehr dar.
  4. Fehler Nummer 4: Verwendung von legiertem Motoröl in Motoren ohne Feinfilter. Bei (älteren) Motorradmotoren ohne Ölfilterung führt dies zu erhöhtem Verschleißverhalten, denn die enthaltenen Reinigungsadditive lösen Ablagerungen, die so an die Schmierstellen gelangen und feine Ölbohrungen verstopfen. Bei Motoren mit Standardölfilter oder Feinfilter kann ein legiertes Motoröl problemlos eingesetzt werden.
  5. Fehler Nummer 5: Handelsübliche PKW-Motorenöle in Motoren mit Ölbadkupplung. Denn je normaler bzw. niedriger additiviert oder niedriger legiert die Motorenöle sind, desto unproblematischer verhalten sich diese in Nasskupplungen. Je mehr Verschleißschutzanteil und Reibwertverbesserer im Motoröl enthalten sind, desto eher tritt ein Kupplungsrutschen ein.

4 Tipps für ein langes Motorleben

  1. Das Motoröl für Motorräder sollte nicht nach dem Preis, sondern nach den vom Fahrzeughersteller vorgegebenen Spezifikationsvorschriften ausgewählt werden und nach Möglichkeit die Viskosität des Motoröls optimal den Betriebsbedingungen angepasst sein.
  2. Vor dem Losfahren empfiehlt es sich eine Durchölungszeit abzuwarten und Kaltlaufbelastungen zu vermeiden.
  3. Wer sein Motorrad für längere Zeit stilllegen möchte, sollte unbedingt vor Stilllegung einen Ölwechsel in betriebswarmen Zustand durchführen.
  4. Ölwechselintervalle sollten unbedingt eingehalten werden. Denn frisches Öl schmiert und schützt am besten.

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