Yamaha stand 1968 voll im Rampenlicht der amerikanischen Motorradszene. Der japanische Zweitakt-Champion stellte als weltweit erstes, echtes Off-Road-Motorrad die DT-1 mit 250 ccm Hubraum vor und legte damit den Grundstein für eine völlig neue Gattung von Motorrädern. Es war die Geburtsstunde der Enduros, wie der Yamaha RT 360.

Geburtsstunde der Enduros

Die DT-1 war die logische und konsequente Weiterentwicklung der frühen und total angesagten „Street-Scrambler“, die aber zu schwer und nicht wirklich geländetauglich gewesen waren. Gerade in den ländlichen Gegenden der USA waren die off-road begeisterten Leute total verrückt nach diesen Maschinen. Die damals noch als „Trail“- oder „Dual Purpose“-Motorräder bezeichneten Bikes glänzten mit einem geringen Gewicht, grober Stollenbereifung, einem breiten Lenker und genügend Bodenfreiheit. Obwohl die Off-Road-Begeisterung in den USA bereits im vollen Gange war, heizte die Yamaha DT-1 in den späten 1960er Jahren den Trend weiter an, der erst viele Jahre später zu uns schwappte.

Von der Yamaha RT 360 zur DT 360

Zwei Jahre nach dem erfolgreichen 250er-Debüt brachte Yamaha die größere RT 360 mit 351 ccm Hubraum und deutlich mehr Drehmoment auf den Markt. Den Anfang machte 1970 die RT1 mit neu entwickeltem Zweitakt-Motor und verstärktem Fahrwerk, die sich aber äußerlich ansonsten kaum von der DT-1 unterschied. Hierzulande spielte die RT 360 keinerlei Rolle, da nur ganz wenige Exemplare den Weg zu uns fanden. Was angesichts der starken und gleichzeitig schönen Trail-Maschine sehr schade ist.

Die RT 360 (RT1) kam 1970 auf den Markt und leistete anfangs 30 PS

Die RT 360 (RT1) kam 1970 auf den Markt und leistete anfangs 30 PS (Quelle: Yamaha Motor Europe)

Es dauerte noch Jahre bis der Enduro-Trend von den USA zu uns plätscherte. Erst 1974 feierte die DT 360 ihr Deutschland-Debüt als erste offizielle geländegängige Yamaha hierzulande. Mit diesem Modellwechsel vereinheitlichte Yamaha auch die Typ-Bezeichnungen seines Enduro-Programms, die ab sofort eine „DT“-Kennzeichnung trugen. Die Yamaha DT 360 wurde gegenüber der RT3 weiter verbessert. Ein neuer, aus der MX-Serie entliehener Rahmen brachte einen längeren Radstand und ein deutlich besseres Handling mit sich. Der Motor bot in der offenen Version mehr Drehmoment, zügelte seinen Öldurst und besaß eine wartungsfreie CDI-Zündung, die erstmals in einer Offroad-Maschine verbaut wurde. Doch bereits ein Jahr später löste die DT 400 mit einem Schnapsglas mehr Hubraum die 360er ab.

Heute erleben diese kleinen und leichten Enduros ein wahres Comeback. Viele erfüllen sich früher unerfüllte Jugendträume und kaufen sich eine dieser raren Yamaha-Enduros als Erinnerungsstück.

Der kernige Motor verlangte nach einem beherzten Tritt

Yamaha war schon immer bekannt für den Bau exzellenter Zweitakt-Motoren. Ungewöhnlich war jedoch das vertikal teilbare Motorgehäuse, obwohl sich inzwischen eine horizontale Teilung als die bessere Lösung durchgesetzt hatte. Die Yamaha RT 360 wurde von einem kräftigen, schlitzgesteuerten Einzylinder-Zweitaktmotor angetrieben, der aus 351 ccm Hubraum stramme 32 PS bei 6.000 U/min auf die Antriebskette wuchtete. Für die Gemischbildung zeichnete ein 32er Vergaser von Mikuni verantwortlich. Das Verhältnis von Bohrung und Hub lag bei 80 x 70 mm und die Verdichtung bei 7,43:1. Ein Drehmoment von 35,3 Nm in Kombination mit dem geringen Trockengewicht von gerade einmal 119 Kilogramm machte die RT 360 so spurtstark, dass sie den meisten Straßenmotorrädern jener Tage nur ihre Heckansicht präsentierte.

Der RT3 Motor verfügte über eine Membransteuerung und leistete 32 PS

Der RT3 Motor verfügte über eine Membransteuerung und leistete 32 PS (Quelle: Marbles Motors)

1972 verbesserten die Yamaha-Ingenieure die Einlass-Steuerung. Ab der Modellversion RT2 sorgte eine Membransteuerung (zwischen Vergaser und Einlasskanal) bei niedrigen Geschwindigkeiten für zusätzliche Kraft. Mit nochmals mehr Drehmoment ausgerüstet, war die RT 360 bestens gewappnet, um auf Hügel zu klettern, sich aus dem Schlamm zu wühlen oder über den Asphalt zu brettern.

Ab 2.500 Touren zog der Motor stetig nach oben und wollte nicht – wie manch anderer Zweitakter – wie eine Kreissäge gedreht werden. Das perfekt abgestufte 5-Gang-Getriebe passte exzellent zum Einsatzgebiet der 360er. Wobei die letzte Fahrstufe als eine Art Entlastungsgang bei hohen Geschwindigkeiten auf der Landstraße diente. Bei ca. 130 km/h war der Vortrieb dann zu Ende.

Die einfache Magnetzündung arbeitete batterieunabhängig und sorgte für eine bedauerlich schwache Beleuchtung. Die Lichtausbeute variierte je nach Stellung des Gasgriffs gemäß der recht simplen Formel: mehr Drehzahlen, mehr Licht! 1974 stellte Yamaha dann auf eine wartungsfreie CDI-Zündung um.

Enduro-typisch besaß die Yamaha RT 360 keinen elektrischen Anlasser und ließ sich nur durch Muskelkraft zum Leben erwecken. Und wir alle kennen die Eigenschaften von großvolumigen Single-Töpfen. Wer also nicht die korrekte Stellung des Kolbens erwischte, wurde mit einem brachialen Rückschlag ‚bestraft‘. Nicht wenige nahmen schmerzhaften Kontakt mit dem scharfkantigen Auspuff auf. Wer die Startprozedur kannte, der trug knöchelhohe Schuhe oder Stiefel.

Yamaha RT 360

Berüchtigt: Kickstarter mit Rückschlag (Quelle: Marbles Motors)

Stabiles Fahrwerk und tolle Ansichten aus allen Perspektiven

Das putzmuntere Kraftzentrum der Yamaha RT 360 saß in einem geschlossenen Doppelrohrrahmen mit einem dicken Zentralrohr unter dem Tank. Die gesamte Steuerkopfpartie erhielt zur Verstärkung große Knotenbleche, die bis auf Höhe des Zylinderkopfes reichten. Ein Blech zwischen den beiden Unterzügen schütze das Kurbelgehäuse vor Steinschlag. Die Heckpartie bestand aus einer ebenfalls geschlossenen Rahmenschleife, die beidseitig zwischen Schwingenlagerung und oberer Federbeinaufnahme von jeweils einem schrägen Rohr abgestützt wurde.

Ein fast 90 Zentimeter breiter Lenker half im rauen Geländer die Spur zu halten. Serienmäßig saß zudem ein verstellbarer Lenkungsdämpfer unter dem Steuerkopf und half das gefährliche Lenkerschlagen und damit Beulen im Tank zu vermeiden. Das 19 Zoll (ab RT3: 21 Zoll) große Vorderrad wurde von einer klassischen Telegabel wirkungsvoll gefedert. Die hinteren Federbeine gerieten recht hart und hatten durch ihre fast senkrechte Position einen begrenzten Federweg. Mit 225 Millimeter gehörte die große Bodenfreiheit zu den Tugenden des stabilen Fahrwerks, welches andererseits aber auch kopflastig ausfiel. Bei Sprüngen tat der Fahrer gut daran, sein Körpergewicht vor der Landung nach hinten zu verlagern.

Der Kettenschutz besaß eher symbolischen Charakter und verdiente diesen Namen eigentlich nicht. Dafür war er leicht und störte die schöne Seitenansicht nicht. Apropos, mit dem knuffigen Auspuff, den dicken Stollenreifen und den kurzen, silbernen Schutzblechen präsentiert sich die RT 360 noch heute von ihrer Schokoladenseite. Ich finde, hier kommt auch eine Suzuki TS 250 nicht heran.

Suzuki TS 250 - hier ein Modell von 1969

Suzuki TS 250 – hier ein Modell von 1969 (Quelle: Nippon-Classic.de)

RT 360 Tipps zum Gebrauchtkauf

Die schlechte Nachricht vorweg. In Deutschland wird es nahezu unmöglich sein eine Yamaha RT 360 zu finden. Dafür wurden seinerzeit einfach zu wenige Maschinen hierzulande zugelassen. Insofern bleibt nur die Suche in den USA und in Kanada. Eine gute Anlaufstelle ist Randy von Marbles Motors, der sich auf alte japanische Geländemotorräder spezialisiert hat und diese fachgerecht und original wieder herrichtet.

Allerdings dürfte die von Classic Data genannte Bewertung von 3.200 bis 3.600 Euro für einen makellosen Oldtimer mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Wunschgedanke bleiben. Die RT ist selten, besitzt einen unvergleichlichen Charme und Kultstatus und ist dadurch gesucht. Das hat seinen Preis. Unter Berücksichtigung von Transport, Zoll und Umsatzsteuer halte ich 4.500 bis 5.000 Euro für eine realistische Untergrenze.

Die Yamaha RT 360 gab es auch in silber

Die Yamaha RT 360 gab es auch in silber (Quelle: Marbles Motors)

Dafür erhält man einen echten Offroader mit der sprichwörtlichen Zuverlässigkeit und einem robusten Charakter. Eine Wertsteigerung – ich lehne mich mal hier aus dem Fenster – dürfte es obendrauf geben.

Wer selbst eine Maschine restaurieren will, wird nach über 40 Jahren um einen Blick in die ‚Innereien‘ nicht herumkommen. Nicht immer werden gleich neue Übermaßkolben erforderlich, aber eine Motorevision mit Austausch der Lager, Dichtungen und Zuleitungen der „Autolub“-Schmierung ist empfehlenswert. Die Ölpumpe muss ebenfalls einwandfrei funktionieren. Die spätere CDI-Zündung (ab DT) ist deutlich zuverlässiger als die Magnetzündung der RT-Versionen. Im Fall einer Störung gestaltet sich jedoch die Fehlersuche hier schwieriger. Im Zweifel steht eine Erneuerung der gesamten Anlage an. Die Ersatzteillage gestaltet sich schwierig. Beispielweise sind die Vergaser nur noch als Gebrauchtteile zu bekommen. Neben eBay gibt es ein paar weitere gute Bezugsquellen für Ersatzteile.

In Holland CONSOLIDATED MOTOR SPARES; in den USA: MARBLES MOTORS, SPEED AND SPORT INC, sowie http://orginalmotorcycleparts.com.

Yamaha RT 360 / DT 360 technische Daten

EinheitRT 360RT 360DT 360
1. Fakten
ProduktionszeitszeitJahr1970 bis 19711972 bis 19731974
Nummerierung (Rahmen)Startn/an/an/a
FarbenYamaha Black, Competition YellowRT2: Silver
RT3: Baja Brown
NeupreisDMn/an/an/a
2. Motordaten
Motortyp1-Zylinder, 2-Takt1-Zylinder, 2-Takt1-Zylinder, 2-Takt
VentilsteuerungSchlitzsteuerungMembrangesteuertMembrangesteuert
Nockenwellekeinekeinekeine
Hubraumccm351 ccm351 ccm351 ccm
Bohrungmm80 mm80 mm80 mm
Hubmm70 mm70 mm70 mm
Verdichtungsverhältnis6,6:16,8:16,8:1
Vergaser1 Mikuni Vergaser (VM 32 SH) mit je 32 mm Durchlass1 Mikuni Vergaser (VM 32 SH) mit je 32 mm Durchlass1 Mikuni Vergaser (VM 34 SC) mit je 34 mm Durchlass
3. Leistungsdaten
LeistungPS30 PS32 PS39 PS
bei Drehzahlmin-16.000 U/min6.000 U/min7.500 U/min
DrehmomentNm35,3 Nm37,5 Nm37,8 Nm
bei Drehzahlmin-15.500 U/min5.500 U/min7.000 U7min
LeistungsgewichtKg/PS3,9 Kg/PS3,7 Kg/PS2,7 Kg/PS
Höchstgeschwindigkeitkm/h130 km/h130 km/h130 km/h
4. Abmessungen
Längemmn/an/an/a
Radstandmm1.384 mm1.384 mm1.420 mm
LeergewichtKg117 Kg119 Kg106 Kg
5. Bremse
Bremse vornSimplexSimplexSimplex
Bremse hintenSimplexSimplexSimplex
6. Antrieb
Getriebe5-Gang Fßschaltung5-Gang Fußschaltung5-Gang Fußschaltung
AntriebKetteKetteKette
StarterKickstarterKickstarterKickstarter