1984 war ein bewegtes Jahr, auch wenn sich George Orwells gleichnamiger Roman eines totalitären Überwachungsstaates weiterhin als Fiktion entpuppte. Am 1. Juli löste Richard von Weizsäcker den bisherigen Bundespräsidenten, Karl Carstens, ab, der dieses hohe Amt seit 1976 innehatte. Und Niki Lauda sicherte sich – gut fixiert in seinem McLaren –  die Weltmeisterschaft in der Formel 1. Weniger rasant hingegen verläuft die Geschichte der Yamaha XJ 600.

Mit der kreuzbraven und inzwischen etwas betagten XS-Baureihe konnte Yamaha im Kampf um Markteinteile keinen Blumentopf mehr gewinnen. Der Motorradmarkt boomte und alle Hersteller kämpften erbittert gegen Hondas Vormachtstellung bei den Supersportlern. Yamahas Antwort war also längst überfällig und hieß XJ 600, die 1984 mit einer Halbschalenverkleidung den Konkurrenzkampf erfolgreich aufnahm.

Zweiventil-Motor der XJ 600

In der Yamaha XJ 600 vereinte der japanische Motorradhersteller Sportlergene und eine große Alltagstauglichkeit in einem der zuverlässigsten Motorräder jener Zeit. Kaum einem anderen Motorrad gelingt der Spagat zwischen flottem Ritt auf der Hausstrecke und entspanntem Urlaubsturn zu zweit so gut wie der XJ 600.

Der neue Vierzylinder-Reihenmotor mit doppelter Nockenwelle mobilisierte aus 598 ccm Hubraum immerhin 73 PS bei 10.000 U/min und bescherte dem kraftvollen, aber nicht bissigen Motor eine überragende Literleistung von 122 PS. Und das, obwohl Yamaha bei der XJ auf eine damals schon nicht mehr zeitgemäße Zweiventil-Technik setzte.

Der DOHC-Motor der Yamaha XJ 600 (Typ 51J) hat nur zwei Ventile pro Zylinder

Der DOHC-Motor der XJ 600 hat nur zwei Ventile pro Zylinder (Foto: Nippon-Classic.de)

Ein separater Ölkühler verrichtete seine Arbeit so gut, dass die Yamaha XJ 600 eine ordentliche Fahrstrecke benötigte bis der Motor seine Betriebstemperatur erreichte. Damit der betagte Zweiventiler zur Höchstform aufläuft, sehnte er sich jedoch nach ordentlich Drehzahlen. Bis ca. 7.000 U/min reiht sich die XJ 600 mit verhaltenem Elan unauffällig in die Mittelklasse ein. Darüber mobilisiert der kultivierte Motor weitere Pferdchen, um spielend leicht bis in den roten Bereich bei 10.500 U/min hochzudrehen.

Damit der sportliche Tourer nicht zu breit baut, verlegten die Yamaha-Konstrukteure sowohl Anlasser als auch Lichtmaschine bei der XJ-Baureihe hinter die Zylinder des Reihenmotors. Für den Gaswechsel sorgten zwei Ventile je Zylinder, die über zwei obenliegende Nockenwellen gesteuert wurden. Eine kontaktlose CDI-Zündung mit elektronischer Zündverstellung sorgte für einen starken Zündfunken und einen höchst wirkungsvollen Verbrennungsvorgang.

Kraftübertragung und Fahrwerk

Anders als bei der XJ 650 von 1980, entschieden sich die Konstrukteure bei der Yamaha XJ 600 für einen konventionellen Kettenantrieb statt einer wartungsarmen Kardanwelle. Mit sechs Gängen und einer relativ schmalen Bereifung (vorn: 90/90-R18, hinten 110/90-R18) ließen sich langgezogene Rechts-Links-Kurven mit der Yamaha spielerisch durchfahren ohne den Fahrer mit unnötigem Schalten zu stressen. Ihre gute Beherrschbarkeit machte die XJ 600 in leistungsreduzierten Versionen auch zum idealen Motorrad für Fahrschulen und Führerscheinneulinge.

Die Alltagstauglichkeit und gute Beherrschbarkeit sind bei der Yamaha XJ 600 legendär

Die Alltagstauglichkeit und gute Beherrschbarkeit sind bei der XJ 600 legendär (Foto: Nippon-Classic.de)

Als Fahrwerk kam ein klassischer Doppelschleifenrohrrahmen zum Einsatz, den Yamaha an den neuralgischen Punkten verstärkte. Eine konventionelle Telegabel mit 150 Millimeter Federweg führte vorn das 18 Zoll-Alugussrad. Das Hinterrad stützt sich über ein Zentralfederbein mit 100 Millimeter Federweg gegen den Rahmen ab.

Hierbei ist die Kastenschwinge über einen Umlenkmechanismus mit dem Decarbon-Federbein verbunden und ermöglicht eine progressive Federung und Dämpfung. Bei den Einstellmöglichkeiten setzte jedoch Yamaha unerbittlich den Rotstift an. Außer Viskosität oder Menge des Gabelöls, konnte an der Telegabel nichts geändert werden. Immerhin war es aber möglich die Federvorspannung des hinteren Zentralfederbeins fünffach zu verstellen.

Um die 212 Kilogramm schwere Fuhre zuverlässig zum Stehen zu bringen, packten drei hydraulische Bremsen kraftvoll in die gelochten, 267 mm großen Bremsscheiben. Und das war auch notwendig, die die XJ 600 schaffte es in der offenen Version immerhin bis auf 206 km/h Höchstgeschwindigkeit.

Die Yamaha XJ 600 schaffte als Sporttourer auch über 200 Sachen

Der Sporttourer schaffte auch über 200 Sachen (Foto: Nippon-Classic.de)

Modellentwicklung

Eine fast zwanzigjährige Bauzeit belegt eindeutig, dass Yamaha mit der XJ 600 der ganz große Wurf gelungen war. Los ging es mit der hier gezeigten XJ 600 vom Typ 51J, die von 1984 bis 1989 gebaut wurde. 1989 kam hierzulande die 3KN in den Handel, die mit modifizierter Elektronik und einer auf 66 PS reduzierten Leistung verschärften Lärmvorschriften Rechnung tragen musste. Ab 1991 wurde die XJ 600 Baureihe überarbeitet und mit dem Namenszusatz „Diversion“ bis 2003 gebaut.

Technische Daten der Yamaha XJ 600 (Typ 51J)

Motor:

  • Typ: luftgekühlter Reihen-Vierzylinder, DOHC, 2 Ventile pro Zylinder
  • Hubraum: 598 ccm, bei Bohrung x Hub: 58,5 mm x 55,7 mm
  • Vergaser: Vier Mikuni BS32
  • Leistung: 73 PS bei 10.000 U/min (50 PS bei 9.250 U/min)
  • Drehmoment: 53 Nm bei 8.000 U/min (42 Nm bei 5.000 U/min)
  • Höchstgeschwindigkeit: 206 km/h

Kraftübertragung:

  • 6-Gang-Getriebe
  • Kette

Fahrwerk:

  • Doppelschleifenrohrrahmen
  • Vorn: Telegabel mit 150 mm Federweg, hinten: Vierkantschwinge mit Zentralfederbein und 100 mm Federweg
  • Bremsen: vorn: zwei 267 mm Scheibenbremsen, hinten eine 267 mm Scheibenbremse
  • Räder: vorn 90/90-H18, hinten 110/90 H18, jeweils Alugussfelgen

 Maße und Gewichte:

  • Länge: 2.145 mm
  • Radstand: 1.425 mm
  • Sitzhöhe: 790 mm
  • Tankinhalt: 18,5 Liter
  • Gewicht: 212 kg (fahrbereit)