Ende der 1970er Jahre boomte der Motorradmarkt. Die Motoren wurden immer größer und stärker. Für Yamaha war es somit höchste Zeit die kreuzbraven XS-Modelle abzulösen. Das Erstlingswerk, die Yamaha XJ 650 (Typ 4K0), sollte passend zum Leistungsstreben jener Epoche „dem Ideal einer sportlichen Straßenmaschine“ entsprechen. Doch statt „kompromisslos sportlich“ zu geraten, wie es die Marketingleute von Yamaha formulierten, sprach die XJ 650 insbesondere Alltags- und Tourenfahrer an.

In seinem Test fasste MOTORRAD-Redakteur Peter Maierbacher den Charakter der Yamaha XJ 650 in der Märzausgabe 1980 sehr treffend zusammen: „Sie protzt weder mit ausgefallener Technik noch mit überflüssigen Gags. Aber die konsequente Verwendung von Bewährtem, geschickt aufeinander abgestimmt, ergibt ein rundum geglücktes Motorrad.“

Damals noch nichts ahnend, legte 1979 die Yamaha XJ 650 den Grundstein für eine der erfolgreichsten Serien im Motorradbau. Erst im Frühjahr 2004 wurde die XJ-Baureihe aufgrund verschärfter Abgasgrenzwerte eingestellt.

1979 legte die Yamaha XJ 650 den Grundstein für erfolgreiche XJ-Baureihe

1979 legte die Yamaha XJ 650 den Grundstein für erfolgreiche XJ-Baureihe (Foto: Nippon-Classic.de)

XJ 650 mit innovativem Motorenkonzept

Während die kardangetriebene Konkurrenz aus den Bayrischen Motorenwerken traditionell auf einen luftgekühlten Boxermotor setzte und Honda einem wassergekühlten V2-Motor vertraute, ging Yamaha einen innovativen Weg. Auch wenn Yamaha-Entwicklungschef Takehiko Hasegawa die wesentlichen Eckdaten zum neuen Motorrad (leistungsstarker Reihen-Vierzylindermotor, stabiles Fahrwerk und Kardantrieb) recht allgemein hielt, war die XJ 650 im Wettbewerbsvergleich sehr schlau gemacht.

Der XJ 650 Motor wurde schmal und kompakt konstruiert

Der XJ 650 Motor wurde schmal und kompakt konstruiert (Foto: Nippon-Classic.de)

Von vorn betrachtet, fällt sofort der auffällig schmal bauende Vierzylindermotor der Yamaha XJ 650 auf. Wo sonst die Lichtmaschine ausladend auf dem Kurbelwellenstumpf sitzt, verpflanzten die Ingenieure aus Iwata die 260 Watt starke, per Zahnkette angetriebene Lima hinter die Zylinder.

Mit dieser Huckepack-Lösung reduzierten sie die Baubreite des Motors auf gerade einmal 455 Millimeter und schufen damit jede Menge Schräglagenfreiheit. Um diesen Vorteil nicht mit der Auspuffanlage zunichte zu machen, führte Hasegawa die vier Auspuffkrümmer zunächst in einen Sammler unter dem Motor, von wo aus sie in den zwei, weit oben platzierten, Endschalldämpfern mündeten.

Die Lichtmaschine sitzt bei der XJ 650 hinter der Zylinderbank

Die Lichtmaschine sitzt hinter der Zylinderbank (Foto: Nippon-Classic.de)

Natürlich gaben sich die Japaner damit allein nicht zufrieden, denn der Motor sollte auch in der Länge so kompakt wie möglich bauen. Um dies erreichen, verlegten die Konstrukteure die Getriebeausgangswelle einfach unter die Eingangswelle.

Im Inneren trumpft der neu entwickelte DOHC-Motor mit kontaktloser und wartungsfreier Transistorzündung auf, die das Gemisch aus den vier Hitachi-Unterdruckvergasern zuverlässig und exakt zur Explosion brachte. Dem luftgekühlten Motor genügten damit auch zwei obenliegenden Nockenwellen und je zwei Ventile pro Zylinder, um aus 653 ccm Hubraum beeindruckende 73 PS zu mobilisieren. Außen liegende Shims erleichterten die Korrektur des Ventilspiels im Rahmen der jährlichen Wartung und verbesserte die Drehzahlfestigkeit des kraftvollen, aber nicht bissigen Motors.

Weit oben platzierte Endschalldämpfer bei der XJ 650 für mehr Schräglagenfreiheit

Weit oben platzierte Endschalldämpfer für mehr Schräglagenfreiheit (Foto: Nippon-Classic.de)

Um zur Höchstform aufzulaufen, verlangt der Zweiventiler allerdings nach tüchtig Drehzahl. Untenrum eher mit verhaltener Kultiviertheit gesegnet, entfacht er seine Leistung erst ab 5000 Touren, um dann vehement seiner Höchstleistung bei 9.000 U/min entgegenzustreben.  Mit 111 PS Literleistung deplatzierte die XJ 650 spielerisch die Kawasaki Z 650 (98 PS/Liter) und stach sogar die potente Honda CB 750 F (RC04) aus, die nur auf 105 PS pro Liter Hubraum kam. Erst die Yamaha XJ 600 konnte ihr 1984 das Wasser reichen und egalisierte die Leistungswerte ihre 650er Schwester.

Ein Ölkühler unterhalb des Lenkkopfs schützt den luftgekühlten Reihenvierzylinder zusätzlich vor thermischer Belastung und weißt dem lebenswichtigen Schmiermittel auch eine Kühlmittelrolle zu.

Ein Ölkühler schützt den XJ 650 Motor vor thermischer Überlastung

Ein Ölkühler schützt den XJ 650 Motor vor thermischer Überlastung (Foto: Nippon-Classic.de)

Mustergültiges Fahrwerk erlaubt sportliche Fahrweise

Beim Fahrwerk vertraute Hasegawa dem klassischen Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohr mit Verstärkung aller neuralgischen Punkte. Besonders die Steuerkopfpartie wurde mit eingeschweißten Knotenblechen wirkungsvoll versteift. Vorn verrichtete eine hydraulisch gedämpfte Telegabel mit 36 mm Standrohren und 150 Millimeter Federweg straff und zuverlässig ihren Dienst.

Solide und steif geriet auch die hintere Schwinge. Linksseitig umgibt ein stabiles Rohr die Kardanwelle, während der rechte Schwingenarm aus einem Rechteckprofil gefertigt wurde. Zu beiden Seiten stützt sich die Yamaha XJ 650 über zwei, fünffach einstellbare Federbeine ab, die sich mit knausrigen 96 mm Federweg begnügen mussten. Der knappe Federweg sorgte allerdings auch dafür, dass sich der „Fahrstuhl-Effekt“ des zweifach umgelenkten Kardanantriebs in Grenzen hielt.

Solider Kardanantrieb ohne "Fahrstuhl-Effekt"

Solider Kardanantrieb ohne „Fahrstuhl-Effekt“ (Foto: Nippon-Classic.de)

Erwartungsgemäß straff geriet das Fahrwerk, das aber zum sportlichen Charakter der Yamaha perfekt passte. Langgezogene Rechts-Links-Kurven lassen sich mit einer „spielerischen Leichtigkeit“ durchfahren.

„Weder das Einleiten von Kurven noch das Halten in Schräglage erfordert Kraftaufwand. Völlig neutral nimmt sie Biegungen aller Art, ob eckig oder langgezogen.“ beschrieb Peter Maierbacher seine Fahreindrücke mit der Yamaha XJ650.

Weitere XJ Modelle

XJ 600 (1984-1990)

Yamaha XJ 600 (51J)

Yamaha XJ 600 (51J) (Foto: Nippon-Classic.de)

XJ 650 Turbo (1982-1984)

Yamaha XJ 650 Turbo

Yamaha XJ 650 Turbo (Quelle: Yamaha)

XJ 750 (1982-1984)

Die Yamaha XJ 750 SECA wurde 1982-1984 gebaut

Die Yamaha XJ 750 SECA wurde 1982-1984 gebaut (Foto: Yamaha)

XJ 900 (1983-1994)

Yamaha XJ 900

Yamaha XJ 900 (Foto: Nippon-Classic.de)

Yamaha XJ 650 Erfahrungsberichte

Zwischen 1980 bis 1984 fanden sich hierzulande rund 14.000 Käufer für die Yamaha XJ 650. Heute sind laut KBA noch rund 4.500 Exemplare auf unseren Straßen unterwegs. Wer den unverfälschten 80er-Jahre-Charme sucht, dem kann die XJ650 wärmstens ans Herz gelegt werden. Denn Yamaha setzte mit der 4K0 einen extrem hohen Qualitätsstandard. Probleme sind der Yamaha XJ 650 eher fremd und sie gilt zu Recht als robust und langlebig. Die Ersatzteillage ist noch gut und da die XJ-Baureihe noch bis 2004 im Programm war, sollten Wartung und Reparaturen die Yamaha-Werkstätten nicht vor unlösbare Probleme stellen.

Die meisten Exemplare bekamen über die Jahre jedoch die nicht verdiente Zuneigung, weshalb heute die XJ 650 meistens für wenige hundert Euro als Bastelware zu haben ist. Bei aller Solidität, unterliegt auch diese Yamaha Altersschwächen durch Standschäden und Korrosion. So können der Kardan undicht werden und Bremsen festgehen. Aufgrund ihrer Tourentauglichkeit sind Laufleistungen jenseits der 60.000-Kilometer-Marke eher die Regel als die Ausnahme. Allerdings gibt es am oberen Ende der Fahnenstange top-gepflegte XJ’s aus erster Hand für rund 2.000 Euro. Hier gilt zugreifen und nicht warten.

Besitzer der XJ650 ziehen durch die Bank ein positives Fazit zu ihren Maschinen, wie beispielsweise:

Günter S.: „Mein absolutes Lieblings-Motorrad in der Garage, schnurrt auch nach 103000 km noch wie ein Kätzchen.“

Oliver E.: „3 XJ650 stehen in meiner Historie … habe damit tolle Touren gemacht und sie haben mich nie im Stich gelassen … robuste unverwüstliche Motoren“

Die Yamaha XJ 650 ist ein echter Langläufer

Die Yamaha XJ 650 ist ein echter Langläufer (Foto: Nippon-Classic.de)

Technische Daten der Yamaha XJ 650 (Typ 4K0)

Motor:

  • Typ: luftgekühlter Reihen-Vierzylinder, DOHC, 2 Ventile pro Zylinder
  • Hubraum: 653 ccm, bei Bohrung x Hub: 63,0 mm x 52,4 mm
  • Vergaser: Vier Hitachi Vergaser mit 32 mm Durchlass
  • Leistung: 73 PS bei 9.000 U/min (50 PS bei 7.500 U/min)
  • Drehmoment: 59 Nm bei 7.500 U/min (49 Nm bei 4.200 U/min)
  • Höchstgeschwindigkeit: 197 km/h

Kraftübertragung:

  • 5-Gang-Getriebe
  • Kardanatrieb

Fahrwerk:

  • Doppelschleifenrohrrahmen
  • Vorn: Telegabel mit 150 mm Federweg,
  • Hinten: Stereo-Federbeine mit 96 mm Federweg
  • Bremsen: vorn: zwei 270 mm Scheibenbremsen, hinten eine 230 mm Trommelbremse
  • Räder: vorn 3.25 H19, hinten 120/90 H18, jeweils Alugussfelgen

Maße und Gewichte:

  • Länge: 2.120 mm
  • Radstand: 1.442 mm
  • Sitzhöhe: 790 mm
  • Tankinhalt: 19,5 Liter
  • Gewicht: 230 kg (fahrbereit)

Sonstiges:

  • Farben: rot, silber
  • Preis 1980: 7.015 DM