Die 1980er waren die große Epoche der Turbo-Motoren. Bereits 1979 brachte der schwedische Automobilhersteller den Saab 900 Turbo als Coupe und Cabriolet mit einem aufgeladenen Motor auf den Markt. Eingefleischte Fans huldigen diesen Motor noch heute. Ende der Dekade revolutionierte Audi den Dieselmotor und verhalf diesem zu einer ungeahnten Erfolgsstory.
Bei den Motorradherstellern rüstete Honda 1982 als erster seine CX 650 Turbo mit einem Abgasturbolader auf und verhalf der Mittelklasse-Maschine zu Fahrleistungen, die bisher nur hubraumstärkeren Modellen vorbehalten waren. Noch im gleichen Jahr legte Yamaha mit der XJ 650 Turbo nach – quasi als Antwort auf Hondas Vorstoß mit der Turbo CX. Die Basis stammte von der Yamaha XJ 650 von 1980, die als Naked Bike immerhin stolze 71 PS ablieferte. Dem Turbo-Wahn folgend, kitzelte Yamaha bei der XJ 650 Turbo aber weitere 19 Pferdchen aus dem neu entwickelten Triebwerk.
Leider hab ich das 11. Gebot nicht befolgt – von Axel Hammer!
Dort steht geschrieben: „Du sollst nicht eine Turbo zur Probe fahren – Du kommst nicht mehr davon los!“ Und so war es dann auch geschehen und ist es bis heute geblieben. Inzwischen steht die Nummer 4 in meiner Garage und erwartet von mir die Wiederauferstehung. Aber alles von Anfang an.
Vor genau 30 Jahren schaute ich bei einem örtlichen BMW Händler vorbei und entdeckte ganz hinten in einer dunklen Ecke ein Motorrad, welches mich sofort fasziniert hat – eine XJ 650 Turbo. Vermutlich war dem Händler die Yamaha mit dem Turbolader als markenfremdes Modell viel zu suspekt, weshalb er die fast unberührte Maschine in die hinterste Ecke bugsiert hat.
Fast jungfräuliche 7.200 Kilometer auf dem Tacho, mit schicker Vollverkleidung in Silber sollte diese Yamaha XJ 650 Turbo 5.200 DM kosten. Wenn man bedenkt, dass die Maschine neu einmal happige 13.500 DM gekostet hatte, verlangte der Verkäufer gerade einmal 38% des Neupreises nach drei Jahren. Kein schlechtes Angebot. War da was faul oder wollte er den „Fremdkörper“ einfach nur loswerden?
Entgegen dem „11. Gebot“ fragte ich freundlich nach einer Probefahrt. „Natürlich, aber Sie suchen doch einen BMW Tourer?“ war die spontane Gegenfrage. „Das Motorrad hier gefällt mir aber im Moment besonders gut.“, entgegnete ich und machte mich auf den Weg zur Probefahrt. Damit war’s passiert: Ich hatte meine erste Turbo und ich habe es niemals bereut.
Die XJ 650 Turbo hat niemals geschwächelt
Meine XJ 650 Turbo hat mich – und die beste Sozia von allen – zehn Jahre lang treu begleitet und niemals geschwächelt oder uns gar im Stich gelassen. Urlaubsreisen durch viele Teile Europas mit dem Krauser K 1 Gepäcksystem und Tankrucksack meisterte sie genauso tadellos wie Solo-Touren auf etliche Pässe, wo sie ihre sprichwörtliche Handlichkeit mehr als bewiesen hat.
Allerdings musste ich erst das Fahrwerk – typisch 80er Jahre: viel Motor, wenig Stabilität – verbessern. Das Maßnahmenpaket umfasste Koni-Federbeine, verstärkte Gabelfedern von Wirth und Lenkkopflager von Emil Schwarz. Danach fuhr sie wie eine Eins.
Dann kam der Knick im Leben eines Motorradfahrers wie bei vielen anderen auch. Nachwuchs und Hauskauf forderten ihren Tribut. Nachdem ich meine Turbo zwei Jahre lang kaum noch bewegt hatte, habe ich sie 1996 mit 125.000 Kilometern auf der Uhr schweren Herzens verkauft. Trotz dieser Fahrleistung schnurrte der unkaputtbare Motor wie am ersten Tag.
Wichtig ist, dass man – wie andere Turbo-Motoren auch – die XJ 650 Turbo vorsichtig warmfährt und nach einer Autobahnhatz auch wieder langsam abkühlt. Sonst ist der Turbolader nach 20.000 Kilometern hin. Ansonsten hat Yamaha bei dem Motor ganze Arbeit geleistet. Im Vergleich zur Standard XJ 650 ohne Aufladung bekam die Turbo-Version bessere Kurbelwellenlager, geänderte Kolbenböden und eine stärkere Dichtung für den Zylinderkopf.
Der zweite XJ 650 Frühling
Eigentlich betrachtete ich damit meine Karriere als Motorradfahrer als beendet, aber weit gefehlt. Zehn Jahre später ist mir eine Turbo XJ in erbärmlichem Zustand begegnet. Das arme Ding war total verschrammt, verstaubt, verölt und stand undicht in einer großen Blechwanne. Nachdem ich einen kurzen Blick auf die mitgenommene XJ 650 Turbo geworfen hatte und das Ganze als Recycling-Material eingestuft hatte, bin ich erst einmal weiter gefahren.
Nach drei schlaflosen Nächten sagte die beste Sozia von allen zu mir: „Warum fährst Du nicht endlich hin und kaufst das Teil?“ Und wieder war ich im Begriff das „11. Gebot“ zu missachten.
Also bin ich im März 2006 wieder hin hatte nun endlich wieder eine Turbo in der Garage stehen. Dieses Mal war es ein US-Modell Seca Turbo Typ 16 G. Aber es sollte noch bis August 2008 dauern bis das erste Foto der fertigen Yamaha XJ 650 Turbo entstand.
Währen der Restauration meiner neu erworbenen Yamaha stellte sich heraus, dass viele Teile nur noch sehr schwer aufzutreiben sind. Selbst ein profaner Luftfilter ist nicht mehr lieferbar! Nach detektivischer Recherche fand ich Teile für die Vergaserrevision in Kanada. Einen brauchbaren Turbolader gab‘s noch in den Staaten. Und so weiter… Von Bridgestone-Reifen bekam ich ein Gutachten für eine andere Größe vorn: 100/90 – 19 V anstelle des serienmäßigen 3,25 – 19, den es als BT 45 nicht mehr gibt. Auch die Auspuffanlage war und bleibt eine neuralgische Stelle. „Die Anlagen rosteten damals schon im Prospekt.“
Die Seca-Turbo hab ich konserviert, weil die einfach im Top Zustand ist und zu schade für jeden Tag. Dafür habe ich 2010 mein drittes Projekt begonnen. Selbstredend, dass es wieder eine Turbo ist. Diese „Nummer 3“ ist hier fotografisch von Nippon-Classic.de festgehalten. „Nummer 4“ begegnete mir vor drei Monaten und wartet aktuell auf Ihre Wiederbelebung.
Na ja, viele von den damals 315 verkauften Yamaha XJ 650 Turbo gibt es nicht mehr. Ich freue mich, dass ich drei der inzwischen seltenen Youngtimer bewahren und fahren kann.
(Text: Axel Hammer)
Weitere Yamaha XJ Modelle
Yamaha XJ 600 (1984-1990)
Yamaha XJ 650 (1979-1984)
Yamaha XJ 750 SECA (1982-1984)
Yamaha XJ 900 (1983-1994)
Technische Daten der Yamaha XJ 650 T
Einheit | Yamaha XJ 650 | Yamaha XJ 650 Turbo | ||
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1. Fakten | ||||
Produktion | Jahr | 1980 - 1984 | 1982 - 1984 | |
Nummerierung (Rahmen) | Start | |||
Farben | silber, scharz, rot | silber, grau | ||
Neupreis | DM | 7.515 DM | 13.500 DM | |
2. Motordaten | ||||
Motortyp | 4-Zylinder, 4-Takt | 4-Zylinder, 4-Takt, Turbolader | ||
Ventilsteuerung | DOHC, Kette, je 2 Ventile | DOHC, Kette, je 2 Ventile | ||
Nockenwelle | 2 obenliegend | 2 obenliegend | ||
Hubraum | ccm | 653 ccm | 653 ccm | |
Bohrung | mm | 63 mm | 63 mm | |
Hub | mm | 52,4 mm | 52,4 mm | |
Verdichtungsverhältnis | 8,5:1 | 8,5:1 | ||
Vergaser | 4 Gleichdruckvergaser je 30 mm | 4 Gleichdruckvergaser je 30 mm | ||
3. Leistungsdaten | ||||
Leistung | PS | 71 PS | 90 PS | |
bei Drehzahl | min-1 | 9.000 U/min | 9.000 U/min | |
Drehmoment | Nm | 55 Nm | 81,7 Nm | |
bei Drehzahl | min-1 | 7.300 U/min | 7.000 U/min | |
Leistungsgewicht | Kg/PS | 3,0 Kg/PS | 2,6 Kg/PS | |
Höchstgeschwindigkeit | km/h | 173 km/h | 195 km/h | |
4. Abmessungen | ||||
Länge | mm | 2.140 mm | 2.170 mm | |
Radstand | mm | 1.442 mm | 1.442 mm | |
Leergewicht | Kg | 212 Kg | 231 Kg | |
5. Bremse | ||||
Bremse vorn | 2 Scheiben 270 mm | 2 Scheiben 270 mm | ||
Bremse hinten | Simplex 230 mm | Simplex 230 mm | ||
6. Antrieb | ||||
Getriebe | 5-Gang Fußschaltung | 5-Gang Fußschaltung | ||
Antrieb | Kardan | Kardan | ||
Starter | E-Starter | E-Starter |
super Seite – Kompliment
bitte setzt das Bild von der roten 4K0 doch um auf die Seite der normalen XJ650,
da passt es m.E. viel besser hin.
Hallo, ich habe zur Zeit eine XJ 650 Turbo auf der Bühne zum restaurieren. Weiß jemand wo man Werkstatthandbuch – Rep. Anleitung oder Ersatzteile und Ähnliches bekommen kann. Bin für jede Zuschrift dankbar. mfg Anton
Hallo, hat jemand ein Werkstatthandbuch mit Turbo – Teil zu verkaufen ?
Ich habe meines von hier:
https:// de.scribd.com/doc/45117808/Yamaha-Seca-Turbo-Manual
Auf eigene Gefahr und Risiko