Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts stellten Motorradfahrer ihre Ausdauer und Geschicklichkeit in offiziellen Offroad-Wettbewerben unter Beweis. So ist die „Jack Pine Enduro“ seit 1910 eine der traditionsreichsten Motorrad-Rennsport-Veranstaltungen in den USA. Sie gehört zu den bekanntesten sog. „Endurance Runs“, bei denen sich Zweirad-Enthusiasten im leichten Gelände über eine lange Strecke maßen. In Europa galten andere Tugenden, ging es doch bei den seit 1913 ausgetragenen „Scottish Sixdays Trials“ über Stock und Stein. Bei diesem Wettbewerb stellten Motorradsportler mehr ihre Geschicklichkeit und Kontrolle ihrer Maschine zur Schau. Bis zu Honda SL 350 war es noch ein weiter Weg.

1962 bewiesen Jack McCormack und Walt Fulton von American Honda die Zuverlässigkeit der neuen Honda CL 72 Scrambler in der „Baja California“. Sechs Jahre später gewannen Larry Berquist und Gary Preston dieses Langstreckenrennen mit einer Honda CL 350.

Honda SL 350 aus dem Jahr 1970

Honda SL 350 aus dem Jahr 1970 (Quelle: Honda)

Präsentation der Honda SL 350 im Sommer 1969

Honda baute seit Mitte der 1950er Jahre Scrambler-Versionen von verschiedenen Straßenmodellen wie beispielsweise CS 92 oder CL 77. Diese Maschinen hatten allerdings noch wenig mit Offroad-Motorrädern der Neuzeit gemeinsam. Trotz optischer Anleihen, waren Gewicht und Fahrwerk nicht für einen Geländeeinsatz ausgelegt. Im Sommer 1969 reagierte der japanische Motorradhersteller auf Yamahas Vordringen in das boomende Enduro-Segment. Unter dem vielversprechenden Slogan „Powerful OHC Twin For Really Rough Going“ präsentierte Honda die auf Offroad-Einsätze zugeschnittene SL 350 (Motosport). Die Honda SL 350 wurde bis 1973 vermarktet und 1974 durch die XL 350 ersetzt. Seit 1970 bekam sie Konkurrenz von der Yamaha RT 360 (DT 360).

SL 350 in Candy Panther Gold

SL 350 in Candy Panther Gold (Quelle: Honda)

Es gab eine ganze Honda SL Familie

Mit 90, 100, 125, 175 und 250 ccm Hubraum ergänzte Honda in den darauffolgenden Jahren die SL-Modellreihe. Mit Ausnahme von Honda SL 175 undSL 350, die als Parallel-Twin konstruiert waren, haben diese frühen Enduros Einzylinder-Motoren. Später wurden die SL-Enduros von den XL-Modellen abgelöst.

Sowohl CL als auch SL 350 teilen sich den Motor der CB-Straßenversion

Der fahrtwindgekühlte Zweizylinder-Viertakt-Motor verfügt über einen Hubraum von 325 ccm und basiert auf dem Triebwerk der Straßenversion Honda CB 350 K. Honda vergrößerte im Vergleich zur CL 77 die Bohrung von 60 auf 64 Millimeter und verkürzte den Hub von 54 auf 50,6 Millimeter.

Für eine bessere Leistungsabgabe war die Leistung gegenüber der CB-Straßenvariante auf 33 PS reduziert, die aber bereits bei 9.500 Umdrehungen pro Minute zur Verfügung standen. Honda erhöhte zudem das maximale Drehmoment auf 26,4 Nm bei 8.000 U/min. Die Verdichtung von 9,5 : 1 behielt Honda von der CB bei.
Der Motor ist als 180-Grad-Twin im Gegenläuferprinzip ausgelegt. Durch die wechselseitig laufende Kolben wurden wesentliche Schwingungen ausgeglichen, die typischerweise gleichlaufende Zweizylinder-Motoren mit sich bringen.

Der durchzugsstarke Zweizylinder-Motor der Honda SL 350 leistet 33 PS

Der durchzugsstarke Zweizylinder-Motor der Honda SL 350 leistet 33 PS (Foto. Wolfgang Pühler)

Die Kraftstoffzufuhr erfolgte über zwei Keihin-Gleichdruckvergaser mit je 32 Millimeter Durchlass. Bei diesen „Constant Velocity“ (CV)-Vergasern werden nur die Drosselklappen vom Gasdrehgriff direkt gesteuert. Der Unterdruck im Ansaugtrakt zwischen Vergaser und Einlassventilen steuert dann Schieber (Kolben) und Düsennadeln. Im Unterschied dazu erfolgt bei Rundschiebervergasern die Steuerung der Kolben über den Gasgriff.

Der OHC-Motor besitzt eine oben liegende Nockenwelle, die per Kette angetrieben wurde. Kipphebel übertrugen die Nockenbewegung auf die beiden Ventile je Zylinder. Die SL 350 war mit 142 kg Trockengewicht um 15 Kilogramm leichter als ihre Scrambler-Schwester CL 350. Damit war sie deutlich agiler im Gelände zu bewegen.

Das SL-Fahrwerk unterschied sich von der CB-Straßenversion

Während die Honda CB einen „Diamond Frame“ genannten Stahlrohrrahmen mit unter dem Motor offenem Unterzug besaß, bekam die Honda SL 350 einen geschlossenen Doppelschleifenrahmen spendiert. Der Radstand legte um 70 Millimeter auf 1.390 Millimeter zu. Vorne waren größere Räder mit 19 bzw. 21 Zoll montiert.

Vorn verrichtete eine Teleskopgabel mit beeindruckenden 171 mm Federweg ihren Dienst. Hinten verbaute Honda zwei verstellbare Stoßdämpfer mit 94 mm Federweg in einer Doppelschwinge. Für die Verzögerung zeichnete vorn eine Duplex- und hinten eine Simplex-Trommelbremse mit 110 mm Durchmesser verantwortlich. Zum Schutz besaß der Motor Unterfahrschutz. Der schwarze Auspuff der SL wurde unterhalb der Soziusfußrasten nach oben geführt.

Wichtiges Detail: Lenkungsdämpfer gegen Rückschläge

Wichtiges Detail: Lenkungsdämpfer gegen Rückschläge (Quelle: Marbles Motors)

Gegenüber kleineren SL-Modellen hatte die SL 350 eine 6 Volt-Anlage an Bord.

Modellpflege der SL 350 von K0 bis K2

Honda überarbeitet die SL 350 mehrfach bis 1973:

  • 1969: Die Honda SL 350 K0 hatte einen Semi-Doppelschleifen Rohrrahmen: der Unterzug gabelte sich erst vor dem Anlasser. Das Vorderrad war 19 Zoll groß und der Fahrer konnte den Motor mit seiner Beinmuskulatur oder bequem per Knopfdruck starten. Die Seitendeckel waren größer.
  • 1970 bekam die SL 350 K1 einen vollwertigen Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen ohne Pressblechteile am Heck spendiert. Der elektrische Anlasser wurde wegrationalisiert, was die SL gegenüber der CL und CB einzigartig machte. Die Schutzbleche wurden nun aus Aluminium gefertigt. Die beiden Seitendeckel wurden deutlich kleiner.
    Durch all diese Änderungen konnte das Trockengewicht noch einmal um 3 Kilogramm reduziert werden.
  • 1972: Die SL 350 K2 bekam ein 21 Zoll großes Vorderrad. Die Kotflügel waren nun aus poliertem Aluminium. Honda änderte den Auspuff und ersetzte die CV-Vergaser durch Kolbenschiebervergaser mit je 26 mm Durchlass. Damit reduzierte sich die maximale Leistung von 33 auf 30 PS.
Geländetauglich: Heck Fender der Hondas SL 350

Geländetauglich: Heck Fender der Hondas SL 350 (Quelle: Marbles Motors)

Kaufberatung und typische Wehwehchen der Honda SL 350 

Honda verkaufte von den beiden Offroad-Modellen CL und SL 350 mehr als 325.000 Motorräder. Schließlich waren es die die Amerikaner, die Enduros mit ihrer Leidenschaft für Offroad-Events massenmarkttauglich machten. 1969 kostete eine CL 350 neu 810 US-$.

Der Zwei-Zylinder-Motor gilt als sehr zuverlässig und robust. Die SL 350 konnte ihre Motorleistung zudem aus niedrigeren Drehzahlbereichen schöpfen. Im Fall einer unregelmäßigen oder unsachgemäßen Wartung können – auch bei geringer Laufleistung – trotzdem Kolben oder Kolbenringe eingelaufen sein. Entsprechende Kolben bzw. Kolbenringe in Übergrößen von +0,25 mmm bis +1,0 mm sind jedoch immer noch als Neuteile verfügbar. Der Ölfilter und Sieb sollten unbedingt regelmäßig kontrolliert werden, um Motorschäden vorzubeugen.
Die ersten (CV) Gleichdruckvergaser waren teilweise heikel. Im Gelände litten sie bei starken Stößen, die sich auf die Membrane und den daran befestigte Kolbenschieber übertrugen. Der Kolbenschieber machte dann einfach zu. Die zu schwache Rückstellfeder konnte die Trägheit bzw. Schwerkraft nicht kompensieren.

Klimatisch bedingt ist davon auszugehen, dass Rostbefall bei Oldtimer-Motorrädern aus den USA keine Rolle spielt. Bei Bikes aus Europa kann Rost an Speichen, Schutzblechen, Auspuff und im Tank vorkommen.

Typisch sind auch Ablagerungen von altem Benzin im Tank, Benzinhahn und Vergaser vor. Letztere lassen sich mit einer Ultraschallreinigung wieder aufbereiten. Grundsätzlich ist auch auf sog. „Standschäden“ zu achten, die selbst für restaurierte Oldtimer typisch sind. Dichtungen am Motor werden mit der Zeit trocken und hart. Nach einigen Kilometern verliert der Motor dann Öl.

Zeitlos schöne Optik: Honda SL 350

Zeitlos schöne Optik: Honda SL 350 (Foto: Wolfgang Pühler)

Technische Daten Honda SL 350

EinheitHonda SL 350 K0Honda SL 350 K1Honda SL 350 K2
1. Fakten
ProduktionJahr1969 bis 19701970 bis 19711972 bis 1973
NummerierungSL350-1000001SL350-2000001SL350-3000001
FarbenCandy Sapphire Blue,
Candy Gold,
Candy Ruby Red
Candy Sapphire Blue,
Candy Topaz Orange,
Candy Ruby Red
Marina Blue Metallic,
Candy Panther Gold
NeupreisUS $810
2. Motordaten
Motortyp2-Zylinder-4-Takt2-Zylinder-4-Takt2-Zylinder-4-Takt
VentilsteuerungSOHC, KetteSOHC, KetteSOHC, Kette
Nockenwelle1 obenliegend1 obenliegend1 obenliegend
Hubraumccm325 ccm325 ccm325 ccm
Bohrungmm64,0 mm64,0 mm64,0 mm
Hubmm50,6 mm50,6 mm50,6 mm
Verdichtungsverhältnis9,5:19,5:19,5:1
Vergaser2 Keihin Gleichdruckvergaser (CV) mit je 32 mm2 Keihin Gleichdruckvergaser (CV) mit je 32 mm2 Keihin Kolbenschiebervergaser mit je 24 mm
3. Leistungsdaten
LeistungPS33 PS33 PS30 PS
bei Drehzahlmin-19.500 U/min9.500 U/min9.500 U/min
DrehmomentNm26,4 Nm26,4 Nm26,4 Nm
bei Drehzahlmin-18.000 Nm8.000 Nm8.000 Nm
LeistungsgewichtKg/PS4,3 Kg/PS4,2 Kg/PS4,6 Kg/PS
Höchstgeschwindigkeitkm/h128 km/h128 km/h128 km/h
4. Abmessungen
Längemm2.180 mm2.180 mm2.180 mm
Radstandmm1.390 mm1.390 mm1.390 mm
LeergewichtKg142 Kg139 Kg139 Kg
5. Bremse
Bremse vornDuplexDuplexDuplex
Bremse hintenSimplexSimplexSimplex
6. Antrieb
Getriebe5-Gang Fußschaltung5-Gang Fußschaltung5-Gang Fußschaltung
AntriebKetteKetteKette
StarterKickstarter, E-StarterKickstarterKickstarter