Lohnt sich die Restaurierung einer wassergekühlten Yamaha RD?

Es hatte sich eine Szene aus überwiegend jüngeren Motorradfreaks etabliert, die glaubten, mit der der Yamaha RD ließe sich mit wenig Kohle ordentlich heizen. Die Jungs hatten wenig Geld und meistens auch wenig Ahnung. Egal, ob RD 250 LC oder RD 350 LC – tausende LC´s wurden verbastelt und zuschanden geritten, zertunt oder einfach nur verheizt. Das hat sich mittlerweile geändert. Die Wilden von damals sind heute gestandene Familienväter, finanziell aus dem Gröbsten heraus, und sie wollen „Ihre“ Yamaha RD LC wieder haben, dieses Mal original und auch nicht mehr zum Verheizen. Einige anerkannte Experten haben sich heraus kristallisiert und geben ihr Wissen weiter. Die RD hat sich eine Nische in der Youngtimerszene erobert, und das weltweit. Unverbastelte Originale kosten heute richtig Geld, aber es gibt kaum noch welche.

Was für Opel der Manta, war für Yamaha die RD. Ein Teilehändler aus Saarbrücken drückte es so aus: „Die RD war das am meisten geschundene Motorrad der Welt. An keiner anderen Maschine wurde und wird auch noch heute noch derart hirnlos herumgeschraubt, und kein anderes Motorrad wurde und wird derart gequält.“ In der Tat, eine Yamaha RD gebraucht zu kaufen und einfach los zu fahren, endet meistens abrupt an der nächsten Ecke. Die RD´s wurden „durchgereicht“, haben oft dutzende Vorbesitzer und wurden am Ende ausgeschlachtet und in Teilen bei ebay verramscht.

Lohnt es sich überhaupt, dieses Produkt japanischer Kriegslist und Massenfertigung zu restaurieren und am Leben zu erhalten? Ganz klar: wirtschaftlich nein – emotional ja. Wer seinen Spaß haben möchte, ohne zentnerweise Alteisen auf die Werkbank zu wuchten, ist mit dem filigranen Zweitakter gut bedient. Der Fahrspaß mit einer Yamaha RD LC ist für ein Motorrad aus jenen Tagen legendär. Wenn es also unbedingt Altmetall sein soll, dann ist die Yamaha RD eine Überlegung wert. Doch Vorsicht: Wo Rauch ist, ist auch Feuer…

Im Laufe der Jahre habe ich einige Maschinen – die RD 250 LC  sowie die RD 350 LC – aus vorhandenen Teilen neu aufgebaut und Erinnerungsfotos angefertigt. Um es vorweg zu nehmen: Die RD ist nicht das simple, ohne Spezialwerkzeuge zu reparierende Motorrad, wie immer wieder behauptet wird. Darüber hinaus hält die Konstruktion einige Fallen bereit. Doch der zweifelhafte Ruf der RD beruht weniger auf den zweifellos vorhandenen Konstruktionsmängeln, sondern wurde durch dilletantische Bastler verursacht.

Das Werkstattbuch von Yamaha und der Original-Teilekatalog sind unerlässlich, bevor man sich an die Restaurierung einer Yamaha RD 350 LC. Man braucht Erfahrung, handwerkliches Geschick, eine leistungsfähige Infrastruktur und gutes Werkzeug, diverse Spezialwerkzeuge und einen guten Handschlagschrauber mit hochwertigen und gut sitzenden Bits für die vielen Kreuzschlitzschrauben, die ohne dieses Werkzeug sofort ruiniert sind. Im Idealfall findet man einen erfahrenen Kenner der Yamaha RD’s, der bereit ist, sein Wissen weiterzugeben. Dieses Restaurationsanleitung ersetzt nicht das Yamaha Werkstattbuch. Es baut darauf auf. Obwohl es zum Teil haarsträubende Fehler enthält, auf die noch näher eingegangen wird, ist das Yamaha Werkstattbuch unerlässlich für alle Arbeiten an der Yamaha RD 250 LC und RD 350 LC. Die nachfolgenden Ausführungen enthalten Informationen, die in der Yamaha Literatur nicht zu finden sind.

Nippon-Classic.de lädt alle Leser und Nutzer dieser Anleitung zur Restaurierung einer Yamaha RD 350 LC ein, mit konstruktiver Kritik, eigenen Erfahrungen und fundierten zusätzlichen Informationen bei der Dokumentation der Restauration der Yamaha RD „Liquid Cooled“ zu unterstützen. Kontakt am besten per eMail.

Gliederung der Restaurierung der RD 350 LC

0. Einleitung

1. Rahmen und alle schwarzen Anbauteile

1.1 Rahmen
1.2 Heckrahmen
1.3 Hinterradschwinge
1.4 Gabelbrücke oben mit Lenkerböckchen
1.5 Gabelbrücke unten
1.6 Scheinwerferhalter
1.7 Lenker
1.8 Seitenständer
1.9 Hauptständer
1.10 Zugstrebe Hinterradbremse

2. Lackteile

2.1 Tank
2.2 Seitendeckel links und rechts
2.3 Heckbürzel
2.4 Schutzblech vorne
2.5 Lackierungen nach Typ und Baujahr

3. Sitzbank

4. Elektrische Anlage

4.1 Kabelbaum
4.2 Bremslichtschalter
4.3 Wassertemperaturgeber
4.4 Blinkrelais
4.5 Sicherungskasten
4.6 Stator der Zündanlage
4.7 CDI Steuergerät
4.8 Blinker mit Kabelsträngen
4.9 Frontscheinwerfer
4.10 Heckleuchte
4.11 Instrumenteneinheit
4.12 Lenkerschalter
4.13 Batterie

5. Motor

5.1 Spezialwerkzeuge
5.2 Schwachstellen, Fallen und häufigste Fehler
5.3 Ausbau und Zerlegung des Motors
5.4 Originalersatzteile oder Zubehör
5.5 Kurbelwelle
5.6 Kolben, Zylinder und Zylinderkopf
5.7 Kupplung
5.8 Getriebe
5.9 Motorgehäuse
5.10 Polrad
5.11 Ölpumpe
5.12 Schaltwelle
5.13 Zusammenbau

6. Ansaugsystem

6.1 Vergaser
6.2 Ansaugstutzen
6.3 Membranzungen
6.4 Luftfilteranlage
6.5 Übergangsloch
6.6 Benzinhahn

7. Auspuffanlage

7.1 Variantenchaos
7.2 Reinigen
7.3 Restaurieren
7.4 Schwachstellen beseitigen
7.5 Montage
7.6 Schalldämpfereinsätze (Flöten)

8. Kühlung

9. Bremsen

9.1 Vorderradbremse
9.2 Hinterradbremse

10. Galvanisierte Bauteile

10.1 Schrauben und Kleinteile
10.2 Fußbremshebel und Verbindungsstange
10.3 Soziushaltebügel
10.4 Kotflügelhalter vorne
10.5 Gabelbrücke unten

11. Alle übrigen Teile

11.1 Aluminiumteile(Tauchrohre und Fußrastentraversen
11.2 Räder und Reifen
11.3 Zentralfederbein
11.4 Kettensatz
11.5 Tankdeckel

12. Zusammenbau und Inbetriebnahme

0. Einleitung

Jeder hat seine eigenen Vorstellungen von „Restaurierung“. Vor Beginn der Restaurierung der Yamaha RD 350 LC ist es ratsam, erst einmal inne zu halten und abzuwägen, was das Ziel der Arbeit und der Investition sein soll. Die Yamaha RD ist ein Stück Motorradgeschichte. Kaum ein Exemplar ist noch original. Aus historischer Sicht wäre es wünschenswert, möglichst viele Exemplare im Originalzustand zu erhalten oder dahin zurück zu versetzen. Realistisch gesehen, werden die wenigsten eine Yamaha RD LC im Originalzustand belassen. Die Bandbreite reicht von Modifikationen zur Verbesserung der Alltagstauglichkeit über „Besser-als neu-Restaurierungen“ bis hin zu mehr oder minder verwegenen Umbauten.

Oldtimer-Restaurierung

Oldtimer-Restaurierung in Abhängigkeit vom Zustand und Alter (Quelle: Heiner Jakob)

Der Begriff  Oldtimer-Restaurierung ist ein recht dehnbarer Begriff geworden, den jeder auf seine Weise interpretiert. Ein chromglänzendes, perfektes Fahrzeug, hergerichtet mit Liebe zum Detail und in einer Qualität, die das Original nie vorweisen konnte, war und ist auch heute noch der Traum der meisten Restaurierer. Mittlerweile wächst die Erkenntnis, dass der historische Wert dabei auf der Strecke bleibt und ein ehrlicher Originalzustand des Old- und Youngtimers, durchaus mit einer gewissen „Patina“, mit der Alters- und Gebrauchsspuren liebevoll umschrieben werden, bei Kennern und ernsthaften Sammlern weit höher im Kurs steht. Zunehmend erzielen unrestaurierte Originale höhere Verkaufserlöse als aufwändig restaurierte Fahrzeuge.

Jeder kann mit seiner Yamaha RD machen was er will, aber man sollte sich immer über die Folgen im Klaren sein. In Zukunft werden unrestaurierte, originale Oldtimer-Motorräder zu den gesuchtesten Exemplaren zählen. Der Trend ist heute bereits erkennbar. Wem das gleichgültig ist, wer also nur ein Objekt aus Spaß am Schrauben und Modifizieren aufbauen will, dem sei das unbenommen. Mit der Pflege von kraftfahrzeugtechnischem Kulturgut hat das dann aber nichts zu tun.

Die nachfolgenden Ausführungen sind eine Mischung aus vielen Restaurationsprojekten. Ich habe eine ganze Reihe von 250ern und 350ern RD’s aus Teilen neu auferstehen lassen und immer versucht, eine Balance zu finden zwischen originalgetreuem Zustand und Alltagstauglichkeit. Es hat sehr lange gedauert, bis ich eine Yamaha RD 350 LC (Typ 4L0) aus erster Hand mit Originalbrief im Originalzustand bekommen habe, die zwar deutliche Gebrauchsspuren besaß, aber 30 Jahre sturzfrei überstanden hat und mit knapp 50.000 Kilometer Laufleistung motortechnisch am Ende angelangt war und deswegen abgestoßen wurde. Ein Glücksfall, denn endlich stand mir ein Referenz-Motorrad zur Verfügung, an dem noch jedes Kabel, jede Schelle, jede Kleinigkeit am ursprünglichen Platz ist. Dass diese Maschine nie restauriert werden wird, versteht sich.

Früher war ich großzügiger. Heute bemühe ich mich, die Motorräder werkgetreu wieder aufzubauen. Dies gilt besonders für Exemplare, die auf dem 07er Dauerkennzeichen laufen oder von vorneherein als Ausstellungsobjekte gedacht sind. Alltagstaugliche Exemplare weichen in Details vom Original ab. Sie haben schwarz ummantelte Stahlflexbremsleitungen und an vielen Stellen Inbusschrauben anstelle der serienmäßigen Kreuzschlitzschrauben, auf die Kenner achten. Originale Sitzbankbezüge gibt es für die RD 350 LC nicht mehr. Die Nachfertigungen sind schöner als die Originale, haben echte Ziernähte statt der geklebten originalen, aber man sieht, dass es nicht die Originale sind. Handhebel und Spiegel sind original schwer zu bekommen, Lenkergriffe ebenso. Man braucht also eine gewisse Kompromissbereitschaft.

Die meisten gebrauchten Yamaha RD 350 LC’s, die man heute vorfindet, müssen von Grund auf technisch saniert werden. Dies gilt in besonderem Maße für den Motor und die Bremsen. Da macht es keinen Sinn, eine „rollende Restaurierung“ ins Auge zufassen, also die Maschine in Betrieb zu nehmen und nach und nach Bauteile aufzuarbeiten. Man wird also damit beginnen, die Maschine komplett zu zerlegen, alles zu reinigen, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen und einen Plan zu erstellen, in welchen Schritten die Restaurierung durchgeführt werden soll. Beim Zerlegen sollten unbedingt Fotos und Skizzen angefertigt werden, damit man später weiß, wie der Kabelbaum und die Bowdenzüge zu verlegen sind und welche Schrauben wohin gehören.

Alle Artikel zur Yamaha RD 350 LC Restauration

Teil 1: Yamaha RD 350 LC Restaurierung – der Rahmen
Die Rahmen der Yamaha RD 350 LC sind zwar verwindungssteif, benötigen aber auch Aufmerksamkeit. Die Hauptständeraufnahme, Lagerbuchsen und Schweißnähte am Rahmen der Yamaha RD 350 LC stellen einige Herausforderungen dar.

Teil 2: Yamaha RD 350 LC Restaurierung – die Lackteile
Im 2. Teil geht es um das Aushängeschild jeder Oldtimer-Restauration – den Lackteilen der Yamaha RD 350 LC bzw. ihrer 250er Schwester. Alle notwendigen Arbeiten und das aufbringen der Dekore wird hier erläutert.

Teil 3: Yamaha RD 350 LC Restaurierung – die Elektrik
Ein paar Schwachstellen in der Elektrik der Yamaha RD 350 LC sollte man im Auge behalten, aber gravierende Probleme gehören nicht zu den Untugenden der LC.

Teil 4: Yamaha RD 350 LC Restaurierung – der Motor
Die Ausführungen zum Motor der Yamaha RD 350 LC konzentrieren sich auf eigene Restaurationserfahrungen und Informationen außerhalb der Literatur.

Teil 5: Yamaha RD 350 LC Restaurierung – das Ansaugsystem
Der fünfte Teil der Yamaha RD 350 LC Restaurierung beschäftigt sich mit der Erneuerung der Yamaha RD LC Vergaser, Membranen und des Benzinhahns.

Teil 6: Yamaha RD 350 LC Restaurierung – die Auspuffanlage
Konstruktive Mängel machen die Abgasanlage der RD LC heikel. Teil 6 beschäftigt sich mit der Restauration der Yamaha RD 350 LC Auspuffanlage.

Teil 7: Yamaha RD 350 LC Restaurierung – Bremsen und Kühlung
Teil 7 widmet sich zwei wichtigen Komponenten im Rahmen der Restauration – den Bremsen der Yamaha RD 350 LC und dem Kühlsystem der Zweitakt-Yamaha.

Teil 8: Yamaha RD 350 LC Restaurierung – galvanisierte Teile und Reifen
Im letzten Beitrag der Restauration geht es um verzinkte und verchromte Bauteile sowie um die richtigen Reifen für die Yamaha RD 350 LC.

 

Copyright Heiner Jakob
Yamaha RD