Es begann mit einer Yamaha RD250 LC. Das ist um die 20 Jahre her. An sich sah die RD ja ganz gut aus. Bis sie auch wirklich gut war, hatte mein Portemonnaie ein tiefes Loch und mein Yamaha-Händler leuchtende Augen bekommen. Doch ich hatte Blut geleckt. Allmählich reifte die Idee, mir mit der RD eine sinnvolle Beschäftigung für mein Pensionärs-Dasein zu schaffen, wohl aus Furcht vor Langeweile. Heute kann ich  darüber nur lachen. Ich bin seit einigen Jahren Rentner und finde kaum noch Zeit, mich um meine Motorräder zu kümmern. Doch das ist ein anderes Thema. Ich kaufte an RD´s, was ich kriegen konnte, fuhr auf Teufel-komm-raus und hatte einen Heidenspaß dabei. Das war zu einer Zeit, als kaum jemand eine RD haben wollte und viele froh waren, die Maschine(n) endlich los zu werden. Ja, wie sich die Zeiten ändern…

Über das Hobby entstand ein regelrechtes Netzwerk mit vielen Freundschaften.

Jeder konnte von jedem lernen, und im Laufe der vielen Jahre wuchs nach dem Motto „Erfahrung ist die Summe aller Pleiten“ eine tiefe Kenntnis der Materie heran. Leider musste ich erleben, dass einige an sich hervorragende Mechaniker und Tüftler ihr Wissen wie einen Schatz in ihrem Hirn bunkerten und sich eher die Zähne ausbissen, als etwas preis zu geben. Auch musste ich erleben, dass diese Leute ihr gesamtes Wissen schließlich mit ins Grab nahmen. Keiner ist so schlau wie alle. Nur, wenn wir unsere Erfahrungen teilen, entwickeln wir uns weiter.

Gerade das Dokumentieren zwingt uns, die Gedanken zu ordnen, zu hinterfragen, bringt uns neuen, besseren Lösungen näher. Was in diesem Artikel zu lesen ist, entstand über viele Jahre hinweg. Es ist sozusagen organisch gewachsen und daher nicht frei von Wiederholungen und Mängeln im Aufbau. Es ist kein Aufsatz, der geplant und im Voraus strukturiert war. Was hier steht, wurde mit öligen Fingern geschrieben, oft mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch. Wenn ich das heute lese, finde ich vieles übertrieben und auch zu drastisch formuliert.

Dann kochen aber die Erinnerungen hoch  und damit der Entschluss: Das bleibt so, auch wenn ich mir damit den Ruf eines grantigen alten Nörglers einhandele! Die folgenden Ausführungen sind eher unter- als übertrieben. Sie beruhen ausschließlich auf eigenen Erfahrungen.

Basis sind 64 analysierte Gebrauchtkäufe. Was hier hinterlegt ist, soll sensibilisieren, auch helfen, Pfuscher und Blender zu entlarven. Wer nicht wirklich versiert ist, über hinreichend Schraubererfahrung verfügt und nicht gewillt ist, sich theoretisch und praktisch mit der nicht zu unterschätzenden Komplexität dieses eigenwilligen Zweitaktmotorrads zu befassen, sollte besser die Finger davon lassen.

Bei der Yamaha RD steckt der Teufel im Detail

Einen kleinen Vorgeschmack kann man sich mit dem Studium der Internetseite http://www.rd350lc.de verschaffen. Hier hat sich eine kleine Elite von RD-Kennern gefunden, die ihre Erfahrungen mit anderen teilen. Man findet hier hilfreiche Informationen, wenn man sich die Mühe macht, zu recherchieren. Wie in allen Foren, sind die Juwelen oft gut versteckt. Hervorzuheben ist die Hilfsbereitschaft der RD-Gemeinde. Alle Ratschläge und Informationen ersetzen nicht den eigenen Sachverstand und das kritische Hinterfragen. Vieles ist zweifellos gut gemeint, aber beruht eher auf Meinung als auf Lernen, Wissen und Erfahrung.

Meine Ausführungen sollen vor der Illusion bewahren, man könne ein solches Motorrad kaufen und im blinden Vertrauen einfach losfahren. Aus eigener, zum Teil leidvoller Erfahrung, rate ich jedem, nach dem Kauf keinen Meter zu fahren.

Ich kicke noch nicht einmal mehr den Motor an. Ich zerlege jede Maschine und baue sie nach meinen Qualitätsmaßstäben wieder zusammen. Ergebnis: In all den Jahren mit der RD immer nach Hause gekommen. Defekte am Anfang meiner RD-Zeit resultierten aus Gutgläubigkeit und einem Mangel an Erfahrung. Nach dem obligatorischen Lehrjahr bin ich in der ganzen Zeit von nennenswerten Defekten verschont geblieben. In einer Zeit, in der Geiz geil ist, es schick ist, bei ebay zu verticken oder Schnäppchen zu schießen, ein ehrlicher, sozial eingestellter Mensch als Schwächling gilt, in einer solchen Zeit wäre es naiv zu glauben, beim Kauf einer gebrauchten, über 30 Jahre alten Yamaha RD den Kauf des Lebens zu tätigen. Es sind aber nicht nur niedere Beweggründe, die den Kauf zum Desaster ausufern lassen können.

Vielmehr haben wir es heute mit einem flächendeckenden Defizit an Lernen und Wissen zu tun. Heerscharen tumber Tore, die mit breiter Brust die Foren dieser Welt mit Nicht- und Halbwissen vollkleistern, haarsträubende Tipps verbreiten und mit ungelenkigen Fingern hirnlos selbst an Bremsen und Fahrwerkselementen herumschrauben, gar Kurbelwellen auf 100-Euro-Pressen zusammen nageln, nichts, aber dafür alles besser wissen, verbasteln heute unser kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut. Angesichts dieser Konkurrenz haben es ehrliche Anbieter schwer. Sie laufen unmittelbar Gefahr, als Halsabschneider an den Pranger gestellt zu werden. Gerade die vermeintlich simple Zweitakt-Yamaha RD, von Anbeginn eine Einladung an Dilletanten, es selbst mit den Schrauben und Tunen zu versuchen, mutierte zum am meisten gequälten und verbastelten Motorrad der Welt. Darüber muss sich jeder im Klaren sein, der mit dem Gedanken spielt, eine Yamaha RD zu erwerben. Unter Umständen ist jeder unverbastelte und vergammelte Scheunenfund mehr wert als ein „gemachtes“ Exemplar, vielleicht sogar von Fachwerkstatt überholt, alle Belege vorhanden. Wenn das so ein hervorragendes Motorrad ist: Warum wird es dann verkauft?

Die gängigen Kriterien für einen Gebrauchtkauf kennt (fast) jeder, also Sturzschäden, Kilometerleistung, Anzahl Vorbesitzer und so weiter. Die wurden deshalb ausgeklammert. Hier werden RD-spezifische Hinweise behandelt.

Da der Inhalt so komplex und umfangreich geworden ist, beginne ich mit einem Merkzettel für einen Quicktest. Wer tiefer in die Materie einsteigen will, findet anschließend hinreichend Lesestoff …

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