Die Rallye Dakar gehört zu den anspruchsvollsten Langstrecken-Rallys der Welt und stellt höchste Anforderungen an Mensch und Material. In Zeiten als die härteste Rallye von Paris bis zur senegalesischen Hafenstadt Dakar führte, setzten die großen Motorradhersteller auf hubraumstarke Dakar-Motorräder, die speziell für die extremen Bedingungen der Wüsten-Rallye konstruiert wurden.
So entwickelte die Honda Racing Corporation (HRC) Mitte der 1980er Jahre die 65 PS starke Honda NXR 750 V mit wassergekühlten Zweizylinder-Motor und 779 ccm Hubraum. Yamaha setzte als Dakar-Motorrad auf die XT 600 Z Ténéré, später die YZE 750 mit bulligem Parallel-Twin mit 75 PS und stolzen 190 Kilogramm Gewicht erfolgreich ein. Beide Hersteller beherrschten die Rallye-Veranstaltung damit über eine lange Zeit.
30 Jahre später findet die Rallye Dakar nicht mehr in Europa und Afrika statt, sondern führt durch anspruchsvolles wie abwechslungsreiches Terrain Südamerikas. Neben dem geänderten Austragungsort der Dakar wandelten sich in den letzten Jahren auch die eingesetzten Motorräder, weitere Marken, allen voran KTM, mischen längst erfolgreich mit. Das im Automobilbau übliche „Downsizing“ hat auch im Rallye-Sport Einzug gehalten und die heute bei der Rallye eingesetzten Dakar-Motorräder kommen mit 450 ccm Hubraum locker aus. Mit dem Hubraum schrumpfte auch das Gewicht der aus dem Endurosport abgeleiteten Dakar-Motorräder. An Leistung mangelt es ihnen hingegen nicht.
Wir nutzen die aktuelle Verschnaufpause in La Paz und schauen uns die aktuellen „Arbeitsgeräte“ der Dakar-Champions einmal genauer an.
Yamaha WR450F 2018 Rally
Die Yamaha basiert auf der Enduro WR450F-Plattform und nicht, wie man vielleicht vermuten sollte, auf der jüngst vorgestellten Yamaha Ténéré 700 World Raid.
An der WR450 wurden etliche Anpassungen für den Einsatz bei Langstrecken-Rallys vorgenommen, um das robuste Ursprungsmodell zu einem echten Dakar-Herausforderer werden zu lassen. Für die langen Marathon-Etappen bei zeitweise extremer Hitze in den Wüsten besitzt die Yamaha WR450F Rally deshalb einen üppigen 33 Liter-Kraftstofftank und ein größeres Kühlsystem im Vergleich zur Enduroversion. Um eine neutrale Fahrposition zu erreichen platzierte das Yamalube Yamaha Rally-Team die zusätzlichen Treibstofftanks seitlich hinten, so dass sich der Fahrer weiterhin frei bewegen kann.
Das Fahrwerk der Yamaha WR450F Rally basiert auf dem stabilen Aluminiumrahmen WR450 Enduro und verfügt über eine um zwei Zentimeter verlängerte Schwinge, um zusätzliche Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten zu gewährleisten. Eine übergroße 300 mm Bremsscheibe vorn, die insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten für die notwendige Verzögerung sorgt. Für längere Federwege bekam das Dakar-Motorrad eine BOS-Upside-Down-Vordergabel und hinten einen von KYB Factory entwickelten Dämpfer.
Bei der Entwicklung konzentrierten sich die Yamalube-Ingenieure darauf eine höhere Leistungsabgabe mit extremer Zuverlässigkeit über lange Strecken zu kombinieren. Für mehr Leistung und einen kraftvollen, linearen Drehmomentverlauf wurden einige Modifikationen am Motor vorgenommen und ein Akrapovic-Titan-Auspuff verbaut. Eine Maximalleistung von 60-65 PS – hier hält sich Yamaha dezent zurück – dürfte durchaus realistisch sein.
Der zusätzliche Fokus auf einer Gewichtsoptimierung an jedem Teil der WR450F zahlte sich aus. Trocken kommt die WR450F Rallye auf ein Gewicht von nur 142 Kilogramm. Ein charakteristisches Merkmal ist die hoch bauende Navigationseinheit, bestehend aus GPS und Roadbook für die Fahrernavigation, die sich hinter den vier extrem leuchtstarken Front-Scheinwerfern und einer Plexiglas-Verkleidung „versteckt“.
Die für die Dakar 2018 aktualisierte WR450F Rally wird von den Yamalube Yamaha Official Team Fahrern Xavier de Soultrait, Adrien Van Beveren, Franco Caimi und Rodney Faggotter eingesetzt.
Für Privatfahrer bietet Yamaha Motor Europe in Zusammenarbeit mit Rally Raid Parts und dem Zubehörhersteller DRAG’ON die offizielle Yamaha WR450F Rally Replica zum Kauf an. Aber auch andere Anbieter, wie RebelXsports, bieten eigens entwickelte Umbau-Kits für rund 6.000 Euro an. Ein „Ready to Race Rally Bike“ kostet bei Rebel komplett ca. 14.000 Euro.
Honda CRF450 Rally
Auch das HRC Team setzte bei der Entwicklung der CRF450 RALLY auf ein kommerzielles Wettbewerbs-Enduro-Modell. 2013 kehrte Honda Racing mit einem ersten Prototyp in die Dakar-Rallye zurück und entwickelte die CRF450 Rally über die vergangenen Jahre kontinuierlich weiter.
Die aktuelle Ausbaustufe mit dem inzwischen üblichen Hubraum von 450 ccm leistet 62 PS. Der Tank gerät mit 33,7 Liter Fassungsvermögen nur geringfügig größer als bei der Yamaha. Und mit 960 Millimeter Sitzhöhe dürfte die Dakar-Honda ein Schreckgespenst für jeden Fahrer unter 1,80 Meter sein.
Die Rally-Version Honda CRF450 Rally entstand komplett in Handarbeit und ist so nicht frei auf dem Markt erhältlich. Rund 500.000 Euro dürfte die enorme Entwicklungsarbeit der Dakar-Maschine verschlungen haben.
KTM 450 Rallye
Auch Dakar-Primus KTM – seit 2001 bei der Südamerika-Rallye ungeschlagen – tritt in diesem Jahr mit einem neuen Dakar-Motorrad an, in dem fast zwei Jahre Entwicklungsarbeit stecken.
Anders als Yamaha setzt die österreichische Motorradmarke auf einen Gitterrohrrahmen, der für die 2018er Saison geändert wurde.
Im Vergleich zum Vorgängermodell hat KTM für die Dakar 2018 den Schwerpunkt etwas nach unten verlagert und die Verkleidung aerodynamischer gestaltet. Die Federung können die KTM-Piloten nun mittels Einstellräder anpassen, denn ein vollgetanktes Bikes hat eine andere Gewichtsverteilung als kurz vor dem nächsten Tankstopp, bei dem rund 35 Liter neuer Kraftstoff in die Tanks fließen.
Für das Dakar-Motorrad modifizierte KTM den aus der 450 EXC-F SIX DAYS stammenden Motor, der mit 63,5 mm einen größeren Hub als die japanischen Dakar-Modelle mitbringt. Dass KTM bislang die Nase bei der Rallye Dakar vorn hat, liegt auch an dem 449,3 ccm messenden 4-Ventil-SOHC-Motor, der mit fast 70 PS bei 7.500 U/min und 52,5 Nm maximalem Drehmoment der Konkurrenz das Fürchten lehrt. Eine handgefertigte Akrapovic-Auspuffanlage gehört zur KTM 450 Rallye ebenfalls dazu.
Husqvarna setzt das baugleiche Motorrad ebenfalls bei Dakar 2018 ein.
Darüber hinaus gibt es eine offizielle KTM 450 Rallye Replika für ca. 24.000 Euro bei KTM-Händlern erhältlich. Ein Service- und Supportpaket ist bei der Rallye Dakar gegen eine zusätzliche Gebühr erhältlich.
Technische Daten der Dakar-Motorräder
Yamaha WR450F Rallye | KTM 450 Rallye | Honda CRF450 Rally | Husqvarna FR 450 Rally | ||
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Motordaten | |||||
Motortyp | 1-Zylinder, 4-Takt | 1-Zylinder, 4-Takt | 1-Zylinder, 4-Takt | 1-Zylinder, 4-Takt | |
Hubraum | 449 ccm | 449,3 ccm | 449,4 ccm | 449,9 ccm | |
Bohrung | 97 mm | 95 mm | 97 mm | 94 mm | |
Hub | 60,8 mm | 63,4 mm | 60,8 mm | 63,5 mm | |
Einspritzung | TCI | Keihin FCR MX 41 | PGM-FI | PGM-FI | |
Verdichtungsverhältnis | 12,5:1 | 11,8:1 | n/a | n/a | |
Starter | Elektro- und Kickstarter | Elektrostarter | Elektrostarter | Elektrostarter | |
Leistung | >60 PS | 70 PS | 62 PS | 65 PS | |
Maße | |||||
Länge | 2185 mm | n/a | 2183 mm | 2261 mm | |
Radstand | 1485 mm | 1.482 mm | 1482 mm | 1476 mm | |
Gesamthöhe | 1290 mm | n/a | 1274 mm | 1274 mm | |
Sitzhöhe | 975 mm | 980 mm | 960 mm | 927 mm | |
Bodenfreiheit | 325 mm | 355 mm | 325 mm | 290 mm | |
Federweg vorn | 310 mm | 300 mm | 310 mm | 312 mm | |
Federweg hinten | 318 mm | 310 mm | 315 mm | 310 mm | |
Tankvolumen | 33 Liter | 35 Liter | 33,7 Liter | 33 Liter | |
Gewicht | 162 Kg | 145 Kg | 150 Kg | 151 Kg | |
Räder/Bremsen | |||||
Rad vorn | 90/90-21 | 1.60 x 21 | 80/100-21 | 90/90-17 | |
Rad hinten | 140/98-18 | 2.50 x 18 | 120/80-19 | 140/90-17 | |
Bremse vorn | Scheibe 290 mm | Scheibe 300 mm | Scheibe 300 mm | Scheibe 310 mm | |
Bremse hinten | Scheibe 245 mm | Scheibe 240 mm | Scheibe 240 mm | Scheibe 220 mm |
Fazit
Die Dakar-Motorräder von heute rücken technisch näher zusammen. Gleiche, auf 450 ccm geschrumpfte Hubräume, ähnliche Leistungswerte, Maße und Anbauteile zeigen wie sich die Hersteller gegenseitig beäugen. Moderne, wie zuverlässige Einspritzanlagen, Motormodifikationen und handgefertigte Auspuffanlagen machen große Brennräume inzwischen überflüssig.
Die Replikas bieten Privatfahrern ohne Werksunterstützung eine bezahlbare Teilnahme an der härtesten Langstrecken-Rallye, ohne eigens ein Motorrad aufbauen zu müssen. Mit Anschaffungskosten, Logistik und dem Service vor Ort ist „bezahlbar“ aber relativ zu sehen. Andererseits sind die Rallye-Replikas von Yamaha und KTM aber auch ein Indiz in Richtung weiterer Kommerzialisierung des Motorsports. Mit 167 Fahrern in der Motorrad-Kategorie ist die Dakar 2018 abermals um weitere Teilnehmer angewachsen (2016 waren 136 Motorräder am Start).