Es trug sich zu im Jahre 1988, als noch kein Mensch an ein globales Internet dachte, Fotos auf Kodak-Papier verewigt wurden, in der damaligen DDR sichtbare Reformbewegungen den Anfang vom Ende eine Diktatur machten und der nicht ganz unumstrittene Politiker Franz Josef Strauß im Oktober des gleichen Jahres das Zeitliche segnete. Vor genau 30 Jahren hörte ich also von einem alten Motorrad, das seit acht Jahren in einem Keller stillgelegt vor sich hin rostete. Es handelte sich um eine Kawasaki 750 H2 aus dem Baujahr 1973. Da das Teil doch nicht so rostig war wie vermutet, legte ich leider eine horrende Summe auf den Tisch, um sie zu bekommen. Der Lack war zwar nicht mehr original, der Rest aber komplett und fahrbereit.
Neue Batterie rein, 3 Liter Sprit in den Tank gefüllt, dreimal auf den Kickstarter getrampelt und der Dreizylinder fing an zu bellen. Diverse Teile mussten dann noch vor der TÜV-Hauptuntersuchung erneuert werden: ein paar Simmerringe waren fällig, die Stoßdämpfer wurden getauscht, neue Reifen aufgezogen, Bremsbeläge und diverse Öle hatte ich desgleichen erneuert. Die Innereien des Motors stellten sich aber als neu heraus.
Also ab zum TÜV
Der Prüfer war schon vom Klang nicht begeistert, was seine Miene eindeutig verriet.
„Is dat die orjinale Anlage ? Wo isn der Schtembel?“
„Der ist da, wo die Krümmer in den Schalldämpfern stecken.“
„Da mussich abba mit probefahn, wo isn dea Stata?“
„Da unten rechts den Hebel rausklappen und drauftreten.“
„Machen Sie dat ma, nachher schmeiss ich dat um.“
Gesagt – getan.
„Mönsch issas laut. Un dea ersse Jang jeht nich rin.“
„Der muss, wie die anderen auch, noch oben geschaltet werden. Bitte Vorsicht mit der Kupplung, die Maschine geht schnell vorne hoch“
„Wolln Se mir etwa sagen wie man fährt ? Ich bin seit 30 Jahren hier und weiß wassich mach!“
Da gibt der arme Mann Gas, lässt die Kupplung sausen und fährt auf dem Hinterrad um 2 cm an der Grube vorbei. Meine Nerven….! Er schafft es irgendwie zu überleben, würgt das Moped ab und steigt totenblass ab. So langsam beruhigen sich auch seine weichen Zitterknie.
„Dat is ja lebensjefährlich.“
Ich verkneife mir die üble Bemerkung.
„Ham Se übarhaupt eine Anbaubescheinijunk füa dat zwaite Bremsscheibe wat Se da innie Papiere ham wolle?“
„Habe ich selber eingebaut“
„Da kann ja jeder komm ! Soo abba nich !“
„Herr Ingenieur, als alter Fachmann können Sie ja wohl selber den fachgerechten Anbau beurteilen.“
„Mmmmh, brummel. Ma kuckn. Naja, sieht ja jut so aus, tuts auch un is festjeschraubt. Abba dat zwaite Rückstrahler da hinnen am Blech, dat is nich korekt. Dat is schon im Rücklicht integriaht. Dat trach ich abba als laichtn Mangel innen Bericht rein!“
Jochen – halt den Mund und lass ihn.
Nachdem ich dann tatsächlich die Plakette bekommen hatte, bin ich erst einmal eine Runde zum Nervenaufbauen über die Landstraßen gebrettert und habe mir die erste Knolle für zu schnelles Fahren eingehandelt. Toller Tag!
So kann die H2 nicht bleiben
So langsam keimten Verbesserungspläne in meinem Kopf heran. Ich wollte doch keinen der allseits zu bewunderten Plastikeimer fahren, schließlich schrieben wir das Jahr 1988. Die Abdeckung unter dem Heckbürzel war aber aus Kunststoff. Also fing ich an zu zeichnen.
Welches Material nehme ich bloß? Carbon war damals noch nicht so bekannt und passte irgendwie auch nicht so recht zum Baujahr, also lieber Aluminium. Inspiriert durch die englischen Café Racer, begann ich meine Zeichnungen in diese Richtung zu orientieren. Tank, Sitzbank und Heckbürzel sollten bei meinem Kawasaki H2 Café Racer eine flache Linie bilden und das Fahrwerk auch jenseits von 160 km/h fahrbar bleiben.
Die Schwinge wurde aus Aluminium Kastenprofilen gefertigt, in Kegelrollen gelagert und mit Exzentern zur Kettenspannung versehen. Den Lenkkopf bettete ich ebenfalls in Kegelrollenlager. Da die Kawa bereits serienmäßig über zwei Lenkungsdämpfer verfügt erübrigte sich die Nachrüstung. Die Felgen tauschte ich gegen breitere aus Aluminium mit VA-Speichen und ließ dazu passende Metzeler-Reifen aufziehen. Der Kabelbaum musste auch neu aufgebaut werden, da ich die Blinker in die Lenkerenden verlegte und das Rücklicht geändert habe.
Die Expansionsrohre wichen einer Fast-by-Gast Dragracing 3-in-3 Nachbau-Auspuffanlage mit Dämpfern. Laut aber wirkungsvoll. Klar, dass auch größere Vergaser her mussten. Der Luftfilter, Kanäle, Kolben und Zylinderköpfe wurden desgleichen modifiziert bzw. bearbeitet. So schaffte ich es bei meinem H2 Café Racer die ursprüngliche Leistung von 74 PS auf ca. 86 PS zu steigern, immerhin eine Leistungssteigerung von über 16%!
Und das Fahrwerk wurde nun endlich seinem Namen gerecht. Wenn man vorher bei 160 bis 180 km/h das Gefühl hatte, zwischen Tank und Sitzbank sitze ein Kugelgelenk, konnte ich fortan mit meiner 750er Kawa den Hahn aufreißen ohne Angst zu haben in der nächsten Böschung zu landen. Zwar wurden dann die Griffgummis so dick wie Baseballkeulen – good Vibrations halt – aber man konnte sich daran gewöhnen.
Natürlich ist das nichts für Leute die heutigen Standard und seidenweichen Motorlauf gewohnt sind. Es ist halt ein ganz besonderes Fahrgefühl. Die ganzen anderen kleinen Verbesserungen und Verschönerungen hier aufzulisten würde den Rahmen der Geschichte sprengen. Jedenfalls hatte ich eine Riesenfreude daran, ab und an neben so einem neumodischen Superbike, die Kawa gehen zu lassen.
Bis 100 km/h braucht der arme „Feindfahrer“ schon weit über 100 PS um mitzuhalten. An der nächsten Ampel waren die Augen dann immer riesengroß und die Fragen zahlreich. Da auch der TÜV seinen Segen gab – es war dann ein anderer Prüfer – konnte ich auch reinen Gewissens über öffentliche Straßen fahren.
Nun ja, die alte Kawasaki H2 habe ich heute leider nicht mehr, obwohl ich mir vor 30 Jahren ziemlich sicher gewesen bin, dass ich „dat Krat“ nicht hergeben werde. Aber wie es immer im Leben so ist, es kommt immer anders als man denkt.
[Vielen Dank an Jochen Krupski, der uns diese herzliche Geschichte nebst Fotos spendierte.]
Good story & a fine storyteller. Thx