Motocross-Sport wird seit mehr als einhundert Jahren betrieben. Den Anfang machte das sogenannte Hillclimb, bei dem waghalsige Piloten ihre Maschinen so weit wie möglich einen Berg hinauf steuerten. Mit dem erstmals 1909 ausgetragenen Zuverlässigkeits-Wettkampf Scottish Six Days Trial erlangte der Offroad-Motorsport zunehmend an Bedeutung. Bis zur ersten Motocross-Weltmeisterschaft dauerte es aber noch bis ins Jahr 1952.

In dieser Phase bestimmten viertaktende Moto-Cross-Maschinen für lange Zeit das Geschehen auf den unbefestigten Pisten. Doch ab Ende der 1960er Jahre änderte sich die Situation grundlegend. Simpler konstruierte und wesentlich zuverlässigere Zweitaktmotoren hielten erfolgreich in allen Hubraum-Kategorien des Motocross-Sports Einzug und verdrängten langsam die Viertakt-Crosser. Das heute als exotisch geltende Verbrennungsprinzip setzte sich in der Offroad-Welt durch und war bis 1975 das dominierende Antriebskonzept im Motocross.

Traummotorrad: Yamaha HL 500

Traummotorrad: Yamaha HL 500 (Foto: Markus Lehmann)

Gegen den Trend – Yamaha HL 500

Doch es gab auch Gegenbewegungen. So mischten die Motocross-Experten von Clews Competition Motorcycles (CCM) aus England in den frühen 1970er Jahren mit ihren 500 ccm Viertakt-Maschinen die Motocross-Szene gegen den Trend auf. Und zwei ehemalige Motocross-Champions sahen einige Jahre später sogar die Zeit für eine neue Halbliter-Motocross-Maschinen mit Viertakt-Herz gekommen.

Mit 118 Kilogramm war die HL500 etwas schwerer als die Konkurrenz

Mit 118 Kilogramm war die HL500 etwas schwerer als die Konkurrenz (Foto: Nippon-Classic.de)

Einer der beiden war die Husqvarna-Motocross-Legende und vierfacher Motocross-Weltmeister Torsten Hallman (* 17. Oktober 1939). Nach seiner Karriere bei Husqvarna wechselte er Anfang der  1970er Jahre zu Yamaha, um für den japanischen Hersteller den Motorradimport aufzubauen. Der Zweite im Bunde war sein schwedischer Landsmann, Sten Lundin (* 20. November 1931; † 03. Juni 2016), der es als zweifacher Motocross-Champion in der Halbliter-Klasse zu Glanz und Gloria schaffte. Beide arbeiteten 1975 für Yamaha Schweden und waren von der jüngst debütierten Yamaha XT 500 sehr angetan. Denn das Ex-Motocross-Duo sah darin die ideale Basis für einen getunten XT-Renner.

Yamaha XT 500

Die erste XT 500 von 1976 mit voluminösem Schalldämpfer vor dem Federbein (Quelle: Yamaha Motor Europe)

Da Yamaha die XT 500 damals nur für den amerikanischen Markt vorsah, wiesen sie eine Anfrage von Hallman und Lundin für den Import einer XT nach Schweden ab. Die Motocross-Legenden besorgten sich daraufhin eine gebrauchte XT500 von einem amerikanischen Six-Days Piloten und machten sich hochmotiviert ans Werk.

Japanische Technologie trifft auf schwedischem Einfallsreichtum

Hallman und Lundin tauften ihr Vorhaben nach den ersten Buchstaben ihrer Nachnamen – es war die Geburtsstunde der HL500, eines der coolsten Offroad-Motorräder.

Die HL 500 leistete 38 PS bei 7.000 U/min

Die HL 500 leistete 38 PS bei 7.000 U/min (Foto: Nippon-Classic.de)

Zu Beginn zerlegten sie die frisch erworbene Yamaha XT 500 vollständig und behielten nur den Motor. In der offenen Version 32 PS leistend, bekam der Eintopf ein paar Modifikationen, die dem Einzylinder daraufhin 38 Pferdchen entlockten. Hierzu gehörte der Einbau einer schärferen Nockenwelle, ein größerer Vergaser mit 38 mm Durchlass sowie der Einsatz eines fast ungedämpften Auspuffs.

Yamaha HL 500 im Studio

Yamaha HL 500 im Studio (Foto: Kedo)

Da die XT 500 mit 143 Kilogramm für den Offroad-Wettbewerb zu schwer war, begaben sie sich auf Suche nach einem leichteren Rahmen. Ein angepasster Husqvarna Motocross-Rahmen stellte sich als geeignet heraus. Die Aluschwinge war für die Aufnahme von zwei Federbeinen konstruiert, da der Platz für eine Monoshock-Federung fehlte. Ein paar Teile von der Yamaha YZ 400, genauer gesagt Telegabel, Räder, Bremse und Kettenrad, komplettierten den ersten Prototyp der Yamaha HL 500.

HL 500

Yamaha HL 500 im Studio (Foto: Kedo)

Allein der Verzicht auf die Straßenausstattung erleichterte die Hallman-Lundin Yamaha um 15 Kilogramm gegenüber der XT. Im Zusammenspiel mit leichteren Fahrwerkskomponenten und einem kleineren Tank kam die HL 500 dann auf wettbewerbstaugliche 118 Kilogramm.

Yamaha HL 500 im Sudio

Yamaha HL 500 im Sudio (Foto: Kedo)

Yamaha-Importeuer Hallmann überzeugte den japanischen Motorradhersteller die HL 500 1977 in der 500 ccm Klasse der Motocross-Weltmeisterschaft einzusetzen. Als Fahrer konnte er den Landsmann und zweifachen Welt-Motocross-Champion Bengt Aberg gewinnen, der die Saison tatsächlich als Neuntplatzierter beendete und in Luxemburg einen Grand-Prix-Sieg einfuhr.

Kedo

Yamaha HL 500 Replika

Das Medienecho verfehlte seine Wirkung nicht und es gab eine gewaltige Nachfrage nach diesem Motorrad. Yamaha ließ daraufhin 1978 und 1979 jährlich 200 Yamaha HL 500 in Kleinserie fertigen. Die Fertigung des Moto-Crossers war jedoch etwas „kurios und für Yamaha atypisch“, wie die Zeitschrift MOTORRAD in einem Test 1979 schrieb:

„So entsteht der Rahmen der HL 500 in England bei den Überlebenden von NVT [Anm.: NVT steht für Norton Villiers Triumph, einem britischen Motorradhersteller von 1972 bis 1978], wird die Aluschinge in Schweden gefertigt, der Motor in Japan präpariert und die Maschine letztendlich wiederum in England zusammengebaut.“

Yamaha HL 500 im Studio

Yamaha HL 500 im Studio (Foto: Kedo)

Vor der Kleinserienfertigung fertigte in den USA die Firma ProFab einen speziell für die HL500 entwickelten Rahmen auf Basis der Vorlage des modifizierten Husky-Rahmens von Hallman und Lundin. Heute werden noch Replika-Rahmen von Framecrafters in UK gefertigt.

Die HL 500 kam auf eine Leistung von 38 PS bei 7000 U/min und entfachte ein maximales Drehmoment von 41,5 Nm bei 4000 Touren. Die Telegabel der Yamaha YZ 400 sorgte vorn für stattliche 270 mm Federweg und die beiden de Carbon-Federbeine für 260 mm Arbeitsweg hinten. Die beängstigende Sitzhöhe der HL 500 mutete kleinen Fahrern wie die Besteigung des Mount Everest an.

HL 500

Die HL 500 leistete 38 PS bei 7.000 U/min (Foto: Kedo)

Die auf rund 400 Maschinen limitierte Kleinserie macht die Yamaha HL 500 heute entsprechend rar und selten. Glücklich kann sich der schätzen, wer einen solchen Factory-Racer heute sein Eigen nennen kann. Deshalb freuen wir uns, dass Markus Lehmann und Yamaha-Spezialist Kedo zwei wunderschöne Replikas für Nippon-Classic.de im Bild festhielten.

Technische Daten Yamaha HL 500

EinheitHL 500
1. Fakten
ProduktionJahr1978-1979
Nummerierung (Rahmen)Startn/a
Farben
NeupreisDMn/a
2. Motordaten
Motortyp1-Zylinder, 4-Takt
VentilsteuerungOHC, Kette, 2 Ventile
Nockenwelle1 obenliegend
Hubraumccm499 ccm
Bohrungmm87 mm
Hubmm84 mm
Verdichtungsverhältnis9,0:1
Vergaser1 Mikuni Vergaser (VM 38 x 1) mit 38 mm Durchlass
3. Leistungsdaten
LeistungPS38 PS
bei Drehzahlmin-17.000 U/min
DrehmomentNm41,5 Nm
bei Drehzahlmin-14.000 U/min
LeistungsgewichtKg/PS3,1 Kg/PS
Höchstgeschwindigkeitkm/hn/a
4. Abmessungen
Längemm2.135 mm
Radstandmm1.390 mm
LeergewichtKg118 Kg
Federweg vornmm270
Federweg hintenmm260
6. Antrieb
Getriebe5-Gang Fußschaltung
AntriebKette
StarterKickstarter