Konfuzius sagt: „Die Geschichte vom RAM-AIR beim Motorrad ist eine Geschichte voller Missverständnisse“. Doch bevor wir uns der Kawasaki ZXR 750 zuwenden, machen wir einen kleinen Streifzug durch die „RAM-AIR“ Geschichte.

An einem normalen Verbrennungsmotor soll der „Staudruck-Effekt“ zu einer Leistungssteigerung führen. Dies geschieht unter Mithilfe einer speziellen Ansaugluftführung, die hier die Frischluft (den Fahrtwind) komprimiert und unter Druck in die Brennräume führt. Bei schneller werdender Fahrgeschwindigkeit steigt der Druck auf die Frischluft im Ansaugtrakt und es kommt zu einer sogenannten Motoraufladung.

Er bezeichnet zusätzlich auch ein Konstruktionsmerkmal des Staustrahl-Triebwerks an einem Düsenflugzeug, bei dem zuerst durch Eigengeschwindigkeit und dann durch Verdichterschaufelräder eintretende Luft komprimiert, im Triebwerk aufgeladen und erhitzt wird. Soweit die Theorie….

Eine erste Verwendung fand durch Suzuki ohne Aufladeeffekt zur effizienten Kühlluftführung an den Zylinderköpfen der GT-Zweitaktmodelle von 125 ccm bis 550 ccm (mit Ausnahme des GT 500-Twins) statt. Mit der sog. RAM-AIR-Lufthutze auf den Zylinderköpfen sollten ab 1973 die hohen Temperaturen im oberen Teil des Brennraums und der Kühlrippen am Zylinderkopf durch ein sich zur Ansaugseite verjüngendes Luftleitblech erheblich gesenkt werden. Nun, der kalte Fahrtwind wurde also über das Motor-Top-End„gehutzt“ und….das RAM-AIR-Blechhäubchen gegen Ende der Produktionszeit der Baureihen mangels signifikanter Wirkung wieder weggelassen und die stehenden Kühlrippen auf dem Zylinderkopf einfach verlängert.

RAM-AIR Technologie an der Suzuki GT 380

RAM-AIR Technologie an der Suzuki GT 380 (Foto: Nippon-Classic.de)

1989 griff Kawasaki den RAM-AIR-Effekt bei der Konstruktion einer Supersport-750er zur Teilnahme an der Superbike-WM wieder auf. Dazu muss man wissen, dass KHI, also die Kawasaki Heavy Industries als Muttergesellschaft der Motorradbauer ein im Nikkei 500-Börsenindex notierter, japanischer Mischkonzern ist, der unter anderem im Geschäftsfeld Flugzeugbau/Luft- und Raumfahrt engagiert ist. Daher war die RAM-AIR-Technologie keine unbekannte Größe.

Staudruckbelüftung der Kawasaki ZXR 750

Bei der Kawasaki ZXR 750 H1 von 1989 führten diesmal zwei Luftschläuche von den oberen Seitenpartien der Verkleidungskanzel rechts und links durch den Tank auf den oberen Motorenabschnitt. Offiziell wurde das System als „Staudruckbelüftung der Motoroberseite“ deklariert. Es sah sehr spektakulär aus, brachte jedoch außer einem optischen Alleinstellungsmerkmal und einem eher homöopathischen Kühlungseffekt am Zylinderkopf und an einem Teil der Airbox keinen weiteren Effekt bei der Motoraufladung.

Die Kawasaki ZRX 750 wurde von 1989 bis 1995 gebaut

Die Kawasaki ZRX 750 wurde von 1989 bis 1995 gebaut (Foto: MTW Bike / Sebastian Wild)

Die Motorbasis der Kawasaki ZXR 750 H1 stellte bis 1990 das Triebwerk des braven und stets unterschätzten Tourensportlers GPX 750 R (ZX 750 F). Der Vierzylinder-Viertakt-DOHC-Vierventil-Motor mit Flüssigkeitskühlung bekam in der H1 einen überarbeiteten Zylinderkopf mit Tassenstößeln statt Gabelschlepphebel zur Ventilbetätigung sowie eine leichtere Kurbelwelle. Aus 748 ccm Hubraum schöpfte der Reihenvierzylinder eine Leistung von 107 PS bei 10.500 U/min sowie ein maximales Drehmoment von 72 Nm bei 9.500 U/min. Das Sechsgang-Getriebe der Kawasaki ZXR 750 wurde über eine verstärkte Mehrscheiben-Kupplung im Ölbad bedient. Gespeist wurde die Kraftquelle von einer 36 mm–Mikuni-Gleichdruckvergaserbatterie. Das Ganze steckten die Ingenieure in einen Alu-Box-Rahmen mit Unterzügen nach Art des hauseigenen Spitzmodells Kawasaki ZX-10 Tomcat. Fertig war eine mit relativ geringem Budget gebaute Basis für ein Homologationsmodell zur Teilnahme an der Superbike-WM.

Typisch für die Kawasaki ZRX 750 waren die beiden Luftschläuche seitlich der Verkleidungskanzel

Typisch für die Kawasaki ZRX 750 waren die beiden Luftschläuche seitlich der Verkleidungskanzel (Foto: MTW Bike / Sebastian Wild)

Als Gegner im Ring standen keine Geringeren als Honda VFR 750R RC 30, Yamaha FZR 750 R OW 01 und Suzuki GSX-R 750 R, also alles lupenreine Supersportler, die zu Preisen von 24.000 DM (SUZUKI) bzw. 30.000 DM (HONDA) und gar 37.000 für die YAMAHA beim jeweiligen Importeur zu kaufen waren. Dagegen fiel der aufgerufene Kaufpreis der H1 ab 15.150 DM sehr moderat aus. Allerdings schleppte die Kawasaki ZXR 750 H1 mit vollgetankt 234 kg einen nicht zu unterschätzenden Gewichtsnachteil mit sich herum. Trotzdem erreichte die Kawasaki ZXR 750 H1 eine Top-Speed von über 240 km/h und war in 3,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Außerdem verhalf ihr ein erhältliches Racing-Kit noch zu zusätzlichen Pferdestärken, am konstruktionsbedingt höheren Gewicht gegenüber den Konkurrenten änderte das aber nichts.

Stärken und Schwächen der Kawasaki ZXR 750 H1

Auf der Habenseite waren, speziell im Vergleich zur Suzuki, der ergonomisch wesentlich angenehmere Arbeitsplatz mit weniger anstrengender Sitzhaltung und ein zielgenaues und hinauf bis zur Höchstgeschwindigkeit sehr fahrstabiles Chassis mit durchweg sehr hart abgestimmten Federelementen zu verzeichnen, die vielen Fahrern auf schlechteren Fahrbahnen fakirhafte Nehmerqualitäten abforderten. Als Wermutstropfen neigten die etwas unterdimensionierten Gabelsimmerringe zu frühzeitigem Verschleiß, ebenso hätten die vorderen Bremsscheiben gerne ein paar Zehntel Millimeter mehr Stärke vertragen, alternativ wäre eine geänderte Zusammensetzung der Bremsbeläge ebenfalls hilfreich gegen häufig verzogene vordere 320 mm großen Bremsrotoren gewesen.

Die Gabelsimmeringe der ersten Kawasaki ZRX 750 Modelle litten unter frühzeitigem Verschleiß

Die Gabelsimmeringe der ersten Kawasaki ZRX 750 Modelle litten unter frühzeitigem Verschleiß (Foto: MTW Bike / Sebastian Wild)

Beim Modell H2 wurden 1990 die erwähnten Mängel beseitigt. Die Modellpflege umfasste:

  • geänderte Bremsbeläge
  • stabilere Gabelsimmerringe
  • eine vergrößerte Vergaserbatterie (nun 38 mm Gleichdruck-Mikunis)
  • einen dünnwandigeren Rahmen nebst erleichterter Schwinge
  • eine Steigerung der Leistung auf 108 PS
  • ein reduziertes Gesamtgewicht auf nun 231 Kilogramm (vollgetankt).

Die Farben der ZXR 750

Als Farbschema gaben die Designer der ersten Generation ZXR 750 H1/H2 eine diagonal verlaufende Mehrfarben-Lackierung in Firecracker-Red/Galaxy Silver/Ebony Black oder in Lime-Green/Pearl Alpine White/Blue 24 mit auf dem Weg in den Showroom (Quelle: ZXR 750-Forum auf ZXR750.de).

Die Lackierung in Lime-Green/Pearl Alpine White/Blue steht der ZRX 750 perfekt

Die Lackierung in Lime-Green/Pearl Alpine White/Blue steht der ZRX 750 perfekt (Foto: MTW Bike / Sebastian Wild)

Renner dieser ersten Generation werden im Originalzustand ohne größere Schäden zunehmend seltener und damit auch begehrter. Einen Superbike-WM-Titel mit Scott Russel holte Kawasaki mit einer späteren Generation der ZXR 750, dem internen Modell L, welches erstmalig ab 1993 verkauft wurde. Das Modell L wies nicht mehr die berühmten Schläuche auf und wurde in wesentlichen Konstruktionsmerkmalen umfangreich überarbeitet. Darauf und auf den unglaublich sportlichen Ableger Kawasaki ZXR 400 gehen wir im zweiten Teil der Story weiter ein.

Technische Daten Kawasaki ZXR 750 (H1)

Motor:

  • Motortyp: Flüssigkeitsgekühlt, DOHC, 4-Zylinder-Motor, 4-Takt
  • Hubraum: 748 ccm
  • Bohrung x Hub: 68,0 x 51,5 mm
  • Verdichtung: 11,3 : 1
  • Leistung: 100 PS bei 10.000/min
  • Drehmoment: 73 Nm bei 9.500/min
  • Getriebe: sequentielles Getriebe, 6-Gang
  • Sekundärantrieb: Kette
  • Gemischaufbereitung: 4 Mikuni-Gleichdruckvergaser mit 36 mm Durchlass

Fahrwerk, Rahmen:

  • Rahmenbauart: e-box Doppelschleifen-Aluminiumrahmen
  • Federung vorn: TelegabelGabel, 120 mm Federweg
  • Federung hinten: Schwinge mit Zentralfederbein, 140 mm Federweg
  • Bremse vorn: Hydraulische Doppelscheibenbremse, Ø 310 mm
  • Bremse hinten: Hydraulische Scheibenbremse, Ø 230 mm
  • Reifen vorn: 120/70-VR17
  • Reifen hinten: 170/60-VR17

Maße, Gewichte, Vmax

  • Länge: 2.150 mm
  • Radstand: 1.455 mm
  • Sitzhöhe: 770 mm
  • Gewicht: 233 kg
  • Tankinhalt: 11 Liter
  • Tankinhalt: 18 Liter
  • Höchstgeschwindigkeit: über 200 km/h

 

 

[Bilderquelle: Titelbild: Thomas Koller; ZXR750 H: https://shop.mtw.bike/]