1990 in Deutschland: Matthias Reim singt „Verdammt, ich lieb´Dich“. Die Mauer ist vor Kurzem gefallen. Ganz Deutschland ist bedeckt von aerodynamischen Vollverkleidungen, Wasserkühlern und Stummellenkern und überall Supersport-Motorräder. Das ganze Land….nein, im Rheinland stellt ein kleines, feines japanisches Motorradwerk auf der IFMA in Köln Ende September seine neue, klassisch gestylte ZEPHYR-Typreihe vor. Mit luftgekühlten, hübsch gezeichneten DOHC-Reihenvierzylinder-Motoren und Zweiventil-Zylinderkopf lassen die Kawasaki Zephyr Modelle das Publikum erstaunen.

Im Design sehr stark an die Ikone Kawasaki Z1 / Z900 angelehnt, finden sich auf der weltgrößten Motorradmesse sofort begeisterte Fans auf dem Kawasaki-Stand, die die Neuerscheinungen feiern. Klassischer Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen, Schwinge mit Doppelfederbeinen nebst kleinem Gasreservoir und normaler Teleskop-Gabel ohne Anti-Dive-System und ab der 750er-Version eine schöne, symmetrische 4-in-2-Auspuffanlage lassen bei den Fans die Augen leuchten.

Die Kawasaki Zephyr Baureihe erfreut mit einem klassischem Design

Die Kawasaki Zephyr Baureihe erfreut mit einem klassischem Design (Foto: Ralf Baumann)

ZEPHYR beflügelt von der griechischen Mythologie

ZEPHYR ist eine der griechischen Mythologie entlehnte Windgottheit, die den milden Westwind und Bringer des Frühlings verkörpert und zugleich Namensgeber für die Baureihe der Kawasaki-Bikes mit Sitzbankbürzeln (Ducktails), leicht tropfenförmigen Tanks, höherem Tourenlenkern und klassischen Rundinstrumenten in Chrom“bechern“ ist. Mit einem Leistungsspektrum von 50 bis 93 PS geht der Hersteller aus Akashi einen eigenwilligen Weg zum Erfolg,  denn die Modelle kommen nicht nur beim Messepublikum gut an.

Die Leistung der Kawasaki Zephyr reicht von 50 bis 93 PS

Die Leistung der Kawasaki Zephyr reicht von 50 bis 93 PS (Foto: Markus Maibach)

Kawasaki Zephyr 550 und Zephyr 750

Die beiden zuerst vorgestellte Zephyr 550 und Zephyr 750 Motoren basieren auf den bekannt-bewährten Aggregaten aus der Kawasaki GPZ 550 (der „flotten Lotte“) bzw. der Z 650 Four aus 1976. Zwei obenliegende Nockenwellen mit mittiger Steuerkette und je einem Ventil für den Einlass und den Auslass reichen den hübschen luftgekühlten Motoren, um 50 PS bei 10.000U/min bei der 550er bzw. 72 PS bei 9.500 U/min für die 750er (bis Modelljahr 1996) zu entwickeln.

Die Zephyr 550 leistete 50 PS

Die Zephyr 550 leistete 50 PS (Foto: Wolfgang Haase)

Ab dem Modell C5 der Kawasaki ZEPHYR 750 weist das Datenblatt 76 PS bei gleichgebliebenen Drehzahlen aus. Beide Kawasaki-Modelle verfügen über einen kleinen Ölkühler unterhalb des Lenkkopfes und fahren auf Leichtmetall-Gussrädern. Ab dem Modelljahr 1996 steht die „Siebeneinhalber“ stilecht auf Drahtspeichenräder und kommt mit klassischer Zweifarben-Lackierung in die Showrooms der Kawasaki-Händlerschaft.

Die Kawasaki Zephyr 550 startete zeitgleich mit der Zephyr 750

Die Kawasaki Zephyr 550 startete zeitgleich mit der Zephyr 750 (Foto: Wolfgang Haase)

Die Zephyr 1100 folgt 1991 nach

Ende 1991 entschließt sich Kawasaki mit der ZEPHYR 1100 die Baureihe abzurunden. Mit 93 PS bei 8.300 U/min, Doppelzündung, Anti-Hopping-Kupplung und einem ebenfalls unter dem Lenkkopf sitzenden Ölkühler wird die ansonsten in Stil und Design gleiche Maschine den hubraumschwächeren Schwestermodellen zur Seite gestellt. Ab 1996 erfährt auch die 1100er die gleichen optischen Retuschen wie die 750er.

Ölkühler unterhalb des Lenkkopfes

Ölkühler unterhalb des Lenkkopfes (Foto: Peter Kraus)

Die Preise starteten 1991 bei DM 8.490 für die ZEPHYR 550 und DM 9.990 für die ZEPHYR 750, die Ende 1991 vorgestellte ZEPHYR 1100 kostet anfangs DM 14.245.

In den Fahrleistungen und Gewichten unterscheiden sich die drei Westwinde erheblich. Die Kawasaki ZEPHYR 550 wiegt vollgetankt 200 kg und erreicht eine Top-Speed von 173 km/h und die 750er-Version ist mit 217 kg inkl. Sprit und einer Höchstgeschwindigkeit von 205 km/h die goldene Mitte. Für die ab Anfang 1992 erhältliche ZEPHYR 1100 stehen fahrfertig 262 kg und 213 km/h im Datenblatt.

Die Kawasaki Zephyr 1100 folgte 1991 nach

Die Kawasaki Zephyr 1100 folgte 1991 nach (Foto: Markus Maibach)

Die Fahrwerke sind allesamt Doppelschleifen-Rohrrahmen aus Stahl der konventionellen Art, hinten federn gasdruckunterstützte Duo-Federbeine mit Ausgleichsbehälter die Bodenunebenheiten weg, vorne bügeln hydraulische Teleskop-Federgabeln ohne technische Gimmicks Fahrbahn-Ondulierungen aus. Bei allen drei Motorrädern kann sich der Fahrer auf gut dimensionierte, gelochte und schwimmend gelagerte Dreischeiben-Bremsanlagen verlassen. Vorne arbeiten Doppelkolben-Sättel von Nissin und wandeln zuverlässig Geschwindigkeit in Wärme um.

Die Bremsen der Zephyr Modelle boten keinen Anlass zur Kritik

Die Bremsen der Zephyr Modelle boten keinen Anlass zur Kritik (Foto: Markus Maibach)

Die Verbräuche bewegen sich zwischen von der Zeitschrift MOTORRAD gemessenen 4,4 – 5,8 Liter (ZEPHYR 550), 5,5 – 5,6 Liter (ZEPHYR 750) und 6,1 – 12,8 Liter für den Schluckspecht ZEPHYR 1100.

Lob und Tadel der Kawasaki Zephyr Modelle

Viel Lob heimsen die drei Windgeister für ihr stimmiges Erscheinungsbild und die guten Fahrwerke der Kawasaki Zephyr 550 und 750 mit ihren standfesten Bremsen ein. Lediglich die ZEPHYR 1100 leidet unter unterdämpften Federelementen, ihrem Gewicht und bei „Zug am Kabel“ an ihren Trinksitten. Bei knackiger Fahrt und 12,8 Litern Verbrauch ist bei einem 19 Liter Benzin fassendem Tank rechnerisch nach 148 km Ebbe im Spritfass.

Die Zephyr 1100 war etwas durstig

Die Zephyr 1100 war etwas durstig (Foto: Markus Maibach)

Mittlerweile gibt es ein reichhaltiges Zubehörangebot für die drei formschönen Klassik-Bikes. Viele Zephyr Umbauten, teils mit 4-in-4-Auspuffanlagen lassen selbst Kenner staunen, wie nah man die ZEPHYRS an ihre Vorgängerin Kawasaki  Z1 / Z900 im Auftritt hinbekommen kann. Zusätzlich gibt es ja ab Baujahr 1996 die Kawasaki Zephyr 750 und die Zephyr 1100 in klassischer Zweifarben-Lackierung. Ein weiterer Grund für die Beliebtheit des Trios ist der Umstand, dass hier ein kommender Klassiker zu einem ungleich geringeren Gebrauchtpreis als das zu Preisen ab 10.000 EUR gehandelte Original (sehr guter Allgemeinzustand vorausgesetzt) angeboten wird.

So fällt als Fazit die Kategorisierung für die Bikes einigermaßen leicht:

Einsteiger und Wiedereinsteiger bevorzugen die ZEPHYR 550 (gebaut bis 1999). Die meisten Fans entscheiden sich für die ebenfalls bis 1999 aufgelegte ZEPHYR 750, da sie in den Fahrleistungen nicht wirklich schlechter als die 1100er dasteht. Und die Freunde des klassischen Big-Bikes im Heavyweight-Format nehmen ihre Nachteile in Kauf und wählen den Zündschlüssel der ZEPHYR 1100, die mangels Nachfrage 1998 aus den Preislisten verschwindet.

So gesehen, hat der kleinste der vier Hersteller aus dem Land der aufgehenden Sonne wie so häufig alles richtig gemacht.

Wer auf den Geschmack gekommen ist, zwei der hier gezeigten Modelle stehen sogar zum Verkauf: ZEPHYR 550 und die ZEPHYR 1100