Während Honda, Suzuki und Yamaha ab 1983 auch für den europäischen, speziell den deutschen, Motorrad-Markt ihre Ableger der erfolgreichen Zweitakt-Rennmaschinen mit allerlei technischen Gimmicks und mehr oder weniger hohem Aufwand produzierten und vertrieben, ließ Kawasaki als kleinster Hersteller Nippons dieses Feld nahezu unbestellt. Zwar stellte das Werk nach dem Rückzug aus der GP-Szene 1982 die von Toni Mangs erfolgreicher Weltmeister-Maschine Kawasaki KR 250 abgeleitete gleichnamige Straßenversion 1984 den Fans der Marke vor, aber die Mannen aus Akashi behielten sich die hübsche Zweizylinder-Zweitakt-Maschine nur für den Heimatmarkt in Japan vor. Ergo gab es sie weder in den USA, noch in Europa für Geld und gute Worte zu kaufen.
Der KR1 Kraftzwerg
Der in einem wunderschönen Aluminium-Chassis steckende Zweizylinder-Zweitakter der Kawasaki KR1 leistete aus 249 ccm 48 PS bei 10.000 U/min. Das drehschiebergesteuerte Aggregat mit einem Bohrung-Hub-Verhältnis von 56 x 50,6 mm arbeitete mit einer Verdichtung von 7,0 : 1 und wurde auf der rechten Gehäuseseite durch zwei 28 mm Mikuni-VM-Vergaser vor den Drehschiebern mit dem Kraftstoff-Luftgemisch versorgt. Für den zuverlässigen Zündfunken sorgte eine CDI-Einheit. Der wassergekühlte Triebling ähnelte im Grundaufbau der 250er-GP-Rennmaschinen von Toni Mang und seinem Teamkollegen Gregg Hansford und war vibrationsdämmend in Gummi gelagert. Gestartet wurde per Kickstarter, dem Getriebe standen 6 Gänge zur Verfügung. Die Leistung sorgte bei dem leichten Gefährt für eine Höchstgeschwindigkeit von knapp unter 200 km/h.
Der Rahmen der Kawasaki KR1
Der gewichtsoptimierte, verwindungssteife Aluminium-Vierkant-Rohrrahmen der Kawasaki KR1 führte vorne eine 35 mm-Telegabel mit Anti-Dive-System und Doppelscheiben-Bremse, am ebenfalls scheibengebremsten Hinterrad federte das aus dem Motor-Cross-Rennsport entwickelte UNI-TRAK-System das Mono-Federbein mit Alu-Kastenschwinge. Dank des Gewichts von trocken 134 kg ging diese kleine Zweitakt-Säge mit ihren 48 PS recht gut um die Ecken. Die mit ihrer ungewöhnlich gezeichneten Dreiviertel-Verkleidung ausgestattete Maschine gab es, wie erwähnt, allerdings nur in Japan zu kaufen.
Die Evolution
Erst 1988 schloss Kawasaki leistungsmäßig mit der neu präsentierten Kawasaki KR1, deren Konzept eine komplette Neuentwicklung darstellte, ernsthaft zu den Mitbewerbern auf. Der neu gezeichnete Zweizylinder-Zweitakter wurde unter Beibehaltung des Bohrung-Hub-Verhältnisses auf ein flüssigkeitsgekühltes Parallel-Lay-Out umgestellt, die Einlass-Steuerung erfolgte nunmehr über teure Kohlefaser-Membranzungen. Vibrationen wurden von einer zahnradgetriebenen Ausgleichswelle eliminiert und der Drehmomentverlauf sollte durch das K.I.P.S (Kawasaki Integrated Powervalve System), einer last- und drehzahlabhängigen, walzengesteuerten Auslass-Kontrolle optimiert werden.
Die Leistungsausbeute lag in der Kawasaki KR1 (Modell B) mit 55 PS bei 10.500 U/min und einem Drehmomentmaximum von 37 Nm bei 8.500 Touren erheblich über dem Output der Vorgängerin. In der höchsten Ausbaustufe als Kawasaki KR1 S bzw. KR1 R (C- und D-Modelle) leistete die Kleinrakete dann 65 PS bei gleicher Nenndrehzahl und unverändertem Drehmoment, genug für „geschmeidige“ 225 km/h!
In dieser Ausbaustufe wurde das Aggregat mit zwei 28 mm Keihin-PWK-Vergasern beatmet, die Kraftübertragung lief, wie bei der Vorgängerin, über ein 6-Gang-Getriebe mit Mehrscheiben-Kupplung via O-Ring-Kette ans Hinterrad. Gestartet wurde wie gehabt per Kickstarter, die beiden NGK BR 10 ES-Zündkerzen bekamen ihre Energie wieder durch eine CDI-Einheit.
Das KR1 Fahrwerk
Der Rahmen der Kawasaki KR1 R bestand jetzt aus einem bei der Kawasaki ZX 10 TOMCAT erprobten und daraus abgeleiteten sogenannten „E-Box-Frame“, einer Art Käfig aus Aluminium-Vierkant-Rohren mit kräftigen Profilen, welche den Lenkkopf und die Schwingenlager in einem leicht bauchigen Verlauf miteinander verbanden. An diesem enorm verwindungssteifen Zentralmodul war ein leichter Hilfsrahmen ebenfalls aus Alu zur Aufnahme von Sitzbank, Heckfender & Co. angeschraubt.
Achtern übernahm die bewährte UNI-TRAK-Aufhängung mit Alu-Kastenschwinge und mehrfach verstellbaren Zentralfederbein die Federung des mit einem 140/80-Reifen besohlten Hinterrads. Vorne wurde das 110/70-bereifte Vorderrad der Kawasaki KR1 in einer luftunterstützten, verstellbaren 41 mm-Telegabel gefedert. Die spektakuläre Umwandlung von Geschwindigkeit in Wärme erfolgte am Bug durch eine 300 mm Doppelscheibenbremse mit 4-Kolben-Sätteln, hinten stabilisierte zusätzlich eine 200 mm Einfachscheibe im Doppelkolben-Bremssattel den Transformationsprozess.
Der Radstand betrug 1.370 mm, die nur 1,10 m hohe KR1 wog ohne Treibstoff 131 kg. Dazu kamen noch 16 Liter Treibstoff, die bei schneller Fahrt für etwas mehr als 200 km Distanz reichten plus Zweitaktöl.
Die Kawasaki-Farben
- Die Kawasaki KR 250 wurde (nur in Japan) zweifarbig in LIME-GREEN/POLAR WHITE oder FIRECRACKER-RED/POLAR WHITE verkauft.
- Die Baureihe Kawasaki KR1 S (Modell B1 und B2) verließ die Werkshallen in Akashi in EBONY/METALLIC ZEUS BLUE, in EBONY/LIME GREEN.
- Das KR1 R Modell C gab es sowohl im dreifarbigen Design in LIME GREEN/BLUE/PEARL ALPINE WHITE, als auch zweifarbig FIRECRACKER-RED/PEARL GENTRY GREY bzw. LIME-GREEN/PEARL ALPINE WHITE.
- Die letzte Evolutionsstufe der KR1 R (Modelle D1 und D2) kam wieder in EBONY/LIME GREEN daher.
Die Stärken und die Schwächen der Kawasaki KR1
Wegen ihres geringen Gewichts und des spielerischen Handlings waren die Bikes der Baureihen KR 250/KR1 S/KR1 R absolute Kurvenräuber und fuhren den großen Viertakt-Superbikes nur so davon. Die Motoren waren speziell in der letzten Ausbaustufe enorm leistungsstark und relativ kultiviert, wenngleich bei schnellerer Gangart die Trinksitten rauer wurden und Verbräuche von 10 Litern und mehr keine Zauberei waren. Positiv ist ebenfalls die gute Ausstattung mit komplettem und gut ablesbarem Instrumentarium im Cockpit sowie die Dank 12 Volt-Bordnetz gute Beleuchtung zu erwähnen.
Wenngleich für den Soziustransport konzipiert und zugelassen, war der Zweipersonen-Betrieb aber eine Quälerei für die Besatzung. Bei korrekter Wartung hielten Fahrwerkskomponenten, Lager, Kette und Beritzelung überdurchschnittlich. Lediglich bei allzu forscher Fahrweise und im Hobby-Rennbetrieb stellte sich neben innermotorischem Verschleiß an Kolben, Zylindern und Kurbeltrieb samt Simmerringen eben auch erhöhte Abnutzung an Kraftübertragung und Bereifung ein.
Die Gebrauchtsituation der Kawasaki KR1
Genauso wie die Zweitaktraketen der anderen Hersteller aus dem Land der aufgehenden Sonne Mitte bis Ende der 80er Jahre, war auch die Kawasaki Zweizylinder-Baureihe der KR 250/KR1 S/KR1 R kein Megaseller wie vorher die 250/350 LC-Zwillinge von Yamaha oder ein Jahrzehnt zuvor die Luftkühler der Suzuki GT´s bzw. der Yamaha RD-Baureihe.
Bei engem Angebot sind, wie gehabt, die Sammler als erstes am Markt und halten einen Großteil der spärlich nach Deutschland importierten Fahrzeuge der Typen KR1 S bzw. KR1 R in ihren Händen; daraus resultiert naturgemäß ein hohes Preisniveau, das ab 6.000 Euro für gepflegte Exemplare losgeht. Aufgrund des begrenzten Angebots ist hier eine weiterhin ansteigende Wertentwicklung nicht schwer vorher zu sagen.
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