Dicke Dinger? In den 1970er Jahren waren sie es – die Motorräder der Dreiviertelliter-Klasse. Mit den magischen Zahl 750 auf dem Seitendeckel waren sie vor fast 50 Jahren die Träume aller 15- bis 25jährigen. Die Herrscherin der Königsklasse war die 1969 vorgestellte Honda CB 750 Four, die dem quer eingebauten Vierzylindermotor in der Motorradtechnik zum Durchbruch verhalf und ihn bis heute zum Standard machte. In ihrem Schatten blühten zahlreiche Konkurrentinnen auf, die oft jedoch ein Exotendasein fristeten. Heute sind die „Dicken Dinger“ gesuchte Klassiker – und das zu Recht.

Denn alle hatten eines gemeinsam: Nie wieder war Motorradtechnik so pur und so ästhetisch wie bei den 750er Motorrädern der 1970er Jahre. Mit ordentlicher Leistung ausgestattet, manifestierten sie Motorradfahren zum sportlichen Vergnügen auf zwei Rädern ohne dabei den Komfort auf der Strecke zu lassen. Zudem haftet den frühen 750-ccm-Boliden eine unerschütterliche Solidität und Qualität an, die das Image der Maschinen bis heute prägt und sie zu begehrenswerten Klassikern macht. Die Beweise:

Honda CB 750 Four

Die Honda CB 750 Four in der K-Baureihe mit 63 bis 67 PS und der wunderschönen 4-in-4-Auspuffanlage war das Nonplusultra in der 750er-Klasse. Spätestens mit der CB 750 Four mauserte sich Honda 1968 Jahre zum Klassen-Primus im wachsenden Segment großvolumiger Motorräder. Und die „Four“ sollte viele Jahre die Zulassungsstatistiken anführen.

Die 750er Honda war ein enorm leistungsstarkes und sportliches Motorrad, das gleichzeitig mit Allrounder-Qualitäten aufwarten konnte. Rekordverdächtig die Entwicklungszeit. Gerade einmal acht Monaten benötigte Honda, um die Four auf die Beine zu stellen. Richtig interessant wurde es dann in den Jahren 1971 und 1972. Die Honda 750 hatte sich längst etabliert und wer in dieser Hubraumklasse bestehen wollte, musst sich nach wie vor an ihr messen lassen.

Die Vorherrschaft gehörte seit 1969 der Honda CB 750 Four

Die Vorherrschaft gehörte seit 1969 der Honda CB 750 Four (Foto: Nippon-Classic.de)

Die Herausforderer in der 750er Klasse

Die ebenfalls 1969 erschienene BMW R75/5, die im Berliner Motorradwerk in Spandau vom Band lief, war ebenso anziehend wie die CB 750. Zumal es die R75/5 fast zum Sonderpreis von 5.000 DM gab. Dazugekommen war die Moto Guzzi V7, für die rotzfreche 71 PS und über 200 km/h angegeben wurden. Und die Guzzi kostete gerade einmal 900 DM mehr,  eine Laverda 750S sogar 1.800 DM, während es die Norton Commando hingegen schon für 5.300 DM zu kaufen gab.

Auch die ersten Suzuki GT 750 waren zu sehen – und mit ihrem typischen, sonoren Zweitaktsound auch zu hören. Ebenso gab es nun die Ducati 750 mit V-Motor – noch ohne Desmodromatik – auch die die MV Agusta war mit der 750 S ab 1971 vertreten. Es gab natürlich auch echte Potenzbolzen wie die Kawasaki 750 H2 oder die Harley-Davidson Sportster.

Die Herstellerangaben zur Motorleistung ihrer Maschinen waren allerdings zu jener Zeit irgendwo zwischen Dichtung und Wahrheit anzusiedeln. Wie damals die PS-Zahlen zustande kamen, wird wohl immer ein Rätsel bleiben.

Blättert man in alten Motorradkatalogen, fällt einem sofort auf, dass es meistens nur „ca.“ Angaben gab: „Circa 195 km/h“ oder „über 200 Km/h“ und „je nach Übersetzung“ kann man da lesen. Nur in ganz wenigen Ausnahmen machten die Motorradhersteller genaue Angaben zur Höchstgeschwindigkeit, wie beispielsweise bei BMW: „aufrecht sitzend 165, in geduckter Haltung 175 km/h“ zu lesen sind.

Die BMW R75/5 war die deutsche Antwort in der 750er Klasse

Die BMW R75/5 war die deutsche Antwort in der 750er Klasse (Foto: Francisco Santos*)

Bei vielen 750ern rutschte manch hartgesottenem Biker oft schon bei 160 Sachen das Herz in die Harro-Kombi. Denn im ständigen Bemühen um immer höhere Leistungswerte wurde in vielen Konstruktionsabteilungen – sagen wir mal – „Gedanken über stabiles Fahrverhalten“ etwas vernachlässigt.

Kawasaki 750 H2

Ein echter Hecht im Karpfenteich war die Kawasaki 750 H2 Mach IV. Nachdem schon 1968 die 500 H1 der Konkurrenz das Fürchten lehrte, stellte 1971 das größte Bike aus Kawasakis Dreizylinder-Familie nun Werte auf, die es Anfang der 1970er Jahre absolut konkurrenzlos erschienen ließ. Sofern der Fahrer den Mut dazu besaß, war die Kawasaki H2 allemal in der Lage der 750er Konkurrenz das Leben höllisch schwer zu machen. Nominell war sie damals die vorläufig Stärkste in der 750er-Hubraumklasse. Und die Kawasaki-Rakete war mit 5.400 DM auch noch recht günstiger als viele ihrer Mitstreiterinnen.

Die Kawasaki war damals ein echter Hecht im Karpfenteich

Die Kawasaki war damals ein echter Hecht im Karpfenteich (Foto: Nippon-Classic.de)

Das bis dato stärkste Serienmotorrad der Welt wurde aber bereits ein Jahr später von einem Viertakter der gleichen Marke abermals übertroffen. Bis heute zieht die Kawasaki 750 H2 weltweit Fans in ihren Bann. Wer eindrucksvolle 71 PS abrufen, über 200 km/h aufdrehen und in vier Sekunden die 100 km/h Marke durchbrechen wollte, brauchte das zu Beginn der 1970er Jahre niemanden mehr zu beweisen. Denn er saß auf einer Kawasaki 750 H2 Mach IV. Der Kawasaki H2 war es dann auch vorbehalten die magische 13-Sekunden-Marke auf der Viertelmeile im Test von Cycle World zu knacken. Sie war zwar mit gemessenen 192 km/h etwas langsamer als die Honda CB 750, trotzdem war die Beschleunigung sensationell: 12,72 Sekunden auf 402 Meter (Viertelmeile).

Die 750 H2 knackte die magische 13-Sekunden-Marke auf der Viertelmeile

Die 750 H2 knackte die magische 13-Sekunden-Marke auf der Viertelmeile (Foto: Nippon-Classic.de)

Suzuki GT 750

Mit dem Prototypen der Suzuki GT 750 präsentierte der japanische Hersteller einen absoluten Knaller auf der Tokio Motor Show 1970. Ein Tourenmotorrad mit einem so großen wassergekühlten Dreizylinder-Zweitaktmotor hatte die Welt bis dato noch nicht gesehen. Bislang galten in dieser Hubraumklasse vier Takte als das Maß der Dinge, wie die zwei Jahre zuvor am gleichen Ort vorgestellte CB 750 Four. In Europa hießen Big Bikes in jenen Tagen BMW R 75/5, BSA Rocket 3 oder Ducati 750 Sport.

Mit dem großen Dreizylinder-Zweitaktmotor setzte Suzuki auf die richtige Karte

Mit dem großen Dreizylinder-Zweitaktmotor setzte Suzuki auf die richtige Karte (Foto: Nippon-Classic.de)

Ihrer bulligen Durchzugskraft schon bei niedrigen Drehzahlen verdankte die Suzuki ihren Spitznamen „Wasserbüffel“, der sie in den kommenden Jahren berühmt und berüchtigt machte. Sie überzeugte Tester und Fahrer gleichermaßen mit einer souveränen Leistungsentfaltung, ruhigem Motorlauf und durch die Wasserkühlung gedämpfte Geräuschkulisse. Im Frühjahr 1972 gelangte die seinerzeit größte Suzuki dann endlich in die Show-Räume der Händler und etablierte sich zum Verkaufsschlager bis zur Einstellung im Jahr 1977. Mit 67 PS war sie zwar leistungsgleich zur Honda CB 750, wuchtete aber bullige 75 Nm Drehmoment bei bereits 5.500 Touren an die Kette. Hier hatte die Honda eindeutig das Nachsehen.

Ihr bulliges Drehmoment machte die GT 750 zum legendären "Wasserbüffel"

Ihr bulliges Drehmoment machte die GT 750 zum legendären „Wasserbüffel“ (Foto: Nippon-Classic.de)

Yamaha TX 750

Die Yamaha TX 750 ist ein echtes Kind der 1970er-Jahre. Im Zeichen der gekreuzten Stimmegabeln wagte sich Yamaha mit ihr abermals aus der sicheren Zweitakt-Deckung in das kaum bekannte Gebiet der Viertakt-Motorräder. Doch Yamahas zweiter Viertakt-Versuch ging leider nach hinten los.

Die Yamaha TX 750 wurde 1972 auf dem Pariser Autosalon vorgestellt. Mit 63 PS war die Zweizylinder-Maschine gut motorisiert, fuhr aber nicht unbedingt auf „Augenhöhe“ der Konkurrenz. Zumal die TX für den deutschen Markt auf versicherungsgünstige 51 PS gedrosselt wurde. Trotzdem ließ sich die fahrfertig 240 Kilogramm schwere Yamaha leicht und recht wendig um die Kurven zirkeln. Zudem war ihr Preis von damals 6.152 DM auch keine echte Kampfansage.

In Schönheit sterben war das unfreiwillige Motto der Yamaha TX 750

In Schönheit sterben war das unfreiwillige Motto der Yamaha TX 750 (Foto: Nippon-Classic.de)

Mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht und in ein edles Design verpackt, wurde die Yamaha TX 750 erstmals 1973 den deutschen Käufern angeboten. Trotz progressiver Technik kam bereits nach nur zweijähriger Produktionszeit das Aus für die TX 750. Schuld daran waren nicht gerade wenige technische Macken. Bei hohen Drehzahlen erwies sich die TX 750 nicht als standfest. Der Motor bekam zwei Ausgleichswellen spendiert, deren Antriebskette sich längte und nicht nachgespannt werden konnte. Die Wellen erzeugten dann mehr Vibrationen als Laufruhe. Außerdem erwies sich der Wärmehaushalt der Maschine als unzureichend und etliche Lager waren zu klein dimensioniert.

Technische Macken verhagelten der TX 750 die Zukunft

Technische Macken verhagelten der TX 750 die Zukunft (Foto: Nippon-Classic.de)

 

In Teil 2 der „Dicken Dinger“ schauen wir uns die nicht-japanischen 750er Modelle der frühen 1970er Jahre an. Stay tuned…!

 

 

[Autoren: Hans-Peter Engel, Jens Schultze; *Foto BMW: Francisco Santos – Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=40532088]