Kuba lockt jedes Jahr Millionen Besucher an, die ihren Traumurlaub in den vielzähligen Hotels und Casa Particulares des Landes verbringen. Mit Kuba verbindet man sofort  paradiesische Strände, koloniale Städte, von denen etliche zum Unesco Weltkulturerbe zählen und natürlich Kubas legendäre US-Oldtimer. Ja, was wäre Kuba ohne Oldtimer? Wohl weniger bekannt hingegen ist Kubas Motorradszene, die sich sehr facettenreich präsentiert. Zu dieser gehören auch die Harlistas Cubanos und ihre jährliche Rallye von Havanna nach Varadero.

Es war einmal

Vor fast einhundert Jahren eröffnete Luis Bretos die erste Harley-Niederlassung in Havanna. In den folgenden dreißig Jahren gehörten Harley Davidson Motorräder zum gewohnten Anblick auf Kuba und die Faszination für die schweren Maschinen aus Milwaukee teilten motorisierte Polizisten – die liebevoll „Caballitos“ genannt wurden – und „Harlistas“ gleichermaßen.

Die Harlistas Cubanos machen sich auf den Weg

Die Harlistas Cubanos machen sich auf den Weg (Foto: Nippon-Classic.de

Doch mit der Revolution von 1959 änderte sich alles schlagartig. Die Niederlassung in Havanna schloss und mit dem US-Embargo gegen Kuba ging es nicht nur wirtschaftlich mit der Karibikinsel bergab. Auch die Beschaffung dringend notwendiger Ersatzteile für die Harley Davidson Maschinen kam weitestgehend zum Erliegen. Kuba lag am Boden. Doch die Leidenschaft und der unbedingte Wille der Kubaner ihre schweren Maschinen weiter zu fahren machte über Jahrzehnte das Unmögliche möglich.

Viele der bis zu 80 Jahre alten Motorräder befinden sich in einem guten bis sehr guten Zustand. Dem Erfindungsreichtum und Improvisationstalent der Kubaner sei Dank. Und es geht nicht nur um Maschinen von Harley-Davidson und Indian, sondern auch um dutzende Classic Bikes aus Europa. Die alten Motorräder von Triumph, BSA, Norton und Matchless werden ebenfalls hingebungsvoll gepflegt und einfallsreich am Leben gehalten.

Aber nicht nur Harleys sind beim Treffen zu sehen

Aber nicht nur Harleys sind beim Treffen zu sehen (Foto: Nippon-Classic.de

Harlistas Cubanos Treffen in Varadero

Der Harlistas Cubanos MC ruft einmal im Jahr zu einer Rallye auf, bei der mehr als 150 Motorräder im Badeort Varadero zusammenkommen. „Rallye“ ist wohl etwas übertrieben, vielmehr geht es ums gemeinsame Cruisen vom Startpunkt Havanna bis zum bekannten Badeort im Norden der Insel. Und längst ist das Event über die Grenzen Kubas hinaus bekannt. Viele Harley- und Klassiker-Fans aus dem Ausland gesellen sich zu dem eingeschworenen Club mit ihren Kutten.

Organisator Abel Pez wirkt wie

Organisator Abel Pez wirkt wie „The Rock“ (Foto: Nippon-Classic.de

„Einmal im Jahr treffen wir uns hier, um die Freundschaft zwischen Kubanern zu pflegen, die die Leidenschaft für diese Motorräder teilen“, erklärt Organisator Abel Pez. „Aber wir freuen uns auch über die vielen Besucher aus anderen Ländern, um sich mit uns auszutauschen.“

DIe Rallye wird seit 2012 veranstaltet

DIe Rallye wird seit 2012 veranstaltet (Foto: Nippon-Classic.de)

Anubis aus Matanzas erzählt mir, dass die Rallye von Havanna nach Varadero jedoch keine neue Erfindung ist, sondern auf eine Zeit vor der Revolution zurückgeht. Inspiriert von einem Harley-Davidson Buch stellten sich ein paar Harlistas die Frage wie viele Harley Davidson Motorräder es noch in Kuba gibt. Zunächst organisierten sie eine Fotoausstellung von einigen der alten Maschinen, die ihre Ressozanz nicht verfehlte.

Anubis aus Matanzas auf seiner HD

Anubis aus Matanzas auf seiner HD (Foto: Nippon-Classic.de

Und in 2012 fand das erste Treffen statt, damals mit nur 70 Teilnehmern und ausschließlich mit Kubanern. Im zweiten Jahr erreichten die Harlistas bereits viele Anfragen aus dem Ausland zur Teilnahme. Seit dem erfreut sich Harley-Gemeinschaft auch über Gleichgesinnte aus Kanada, den USA und sogar Deutschland, die ihre Bikes in einem Container nach Santiago verschiffen und machen sich auf den weiten Weg nach Varadero machen, so wie Jens aus Leipzig.

Ein herzliches Widersehen nach langer Zeit

Ein herzliches Widersehen nach langer Zeit (Foto: Nippon-Classic.de

Kein Weg ist zu weit

Die Teilnehmer kommen aus dem ganzen Land, einige sogar aus dem 800 Kilometer entfernten Santiago de Cuba, Holguin und Camagüey, um mit ihren Freunden gemeinsam zu feiern.

„Wir leben für das Motorrad und tun alles, um es am Leben zu halten und schöner zu machen.“, erklärt mir Anubis in perfektem Englisch und einigen Brocken Deutsch die Situation.

Ein echter Harlista trägt auch standesgemäß eine Kutte. Die Lederwesten sind mit 150 Euro für die Kubaner ein richtig teures Accessoire, aber man leistet sich das gerne. Der Stolz in ihren Gesichtern, darauf angesprochen, lässt keine Zweifel aufkommen. Und ich merke, hier ist in den letzten Jahren eine kubanische Mittelschicht entstanden, die Motorradfahren nicht als pragmatische Fortbewegung, sondern auch als Hobby versteht.

Die Harlistas Cubanos tragen ihre Kutten mit Stolz

Die Harlistas Cubanos tragen ihre Kutten mit Stolz (Foto: Nippon-Classic.de

Was mir besonders hier auf Kuba gefällt: beim Jahrestreffen stehen ganz klar Freunde und Familie im Vordergrund. Hier wird nicht stundenlang über die richtige Gewindelänge einer Schraube philosophiert oder der Perfektion einer Lackierung oder Verchromung gehuldigt.

Die Harlistas Cubanos pflegen enge Freundschaften

Die Harlistas Cubanos pflegen enge Freundschaften (Foto: Nippon-Classic.de

Teilebeschaffung kompliziert, aber machbar

Nein, die Harlistas Cubanos freuen sich nach einem Jahr endlich mal wieder in großer Runde wiederzusehen, denn sie verbindet – markenübergreifend – eine große Freundschaft. Sie helfen sich gegenseitig bei der Teilebeschaffung, die auf der vom US-Embargo arg gebeutelten Insel immer noch extrem schwer ist. Inzwischen unterhalten aber viele Harlistas gute Verbindungen zu Freunden in Kanada, USA und Deutschland.

Mit Hingabe und viel Improvisationstalent werden die alten Maschinen am leben gehalten

Mit Hingabe und viel Improvisationstalent werden die alten Maschinen am leben gehalten (Foto: Nippon-Classic.de

Organisator Abel, ein jüngerer „Dwayne Johnson“-Verschnitt, hat inzwischen selbst die Möglichkeit im Ausland Ersatzteile für sich und andere Harlistas zu beschaffen. Der äußerst sympathische Anubis sitzt sogar berufsbedingt direkt an der Quelle. Mit einem lukrativen Job im „Melia Varadero“ ist er heute mit vielen Harley-Davidson Fahrern in Amerika freundschaftlich verbunden, die ihm regelmäßig Teile bei ihren nächsten Kuba-Trips mitbringen. Und sein Job verschafft ihm die notwendigen CUC, die sich in harte Auslandswährung tauschen lassen.

Spaß muss sein, wenn sich eine MZ

Spaß muss sein, wenn sich eine MZ „verirrt“ hat (Foto: Nippon-Classic.de

Das älteste Motorrad auf dem Treffen war übrigens eine Harley-Davidson von 1936, die sich seit Generationen im Familienbesitz befindet. Servando aus Santa Clara hatte sie als 16-Jähriger von seinem Vater bekommen, der sie zuvor wiederum von seinem Vater vererbt bekam.

Servando aus Santa Clara fährt die älteste Harley Davidson

Servando aus Santa Clara fährt die älteste Harley Davidson (Foto: Nippon-Classic.de

„Mein Großvater Remorales sagte zum meinem Vater, dieses Motorrad bleibt immer in der Familie. Und ich werde sie auch niemals verkaufen.“, erzählt Servando.

Auch seine Kinder sind mit dem gepflegten „Heavy Metall“ schon längst vertraut und – selbstredend – mit Papa zum Treffen gefahren. Servando repariert seine HD selber, soweit er kann. Der originale Tacho bleibt jedoch leider kaputt, denn ein Ersatz kostet 2000 Euro und ist damit für ihn unerschwinglich. Denn Originalität ist auch hier eine Preisefrage und selbst für relativ gutverdienende Harlistas ein absoluter Luxus, weshalb sie bevorzugt auf gute Repro-Teile aus Kanada zurückgreifen. Für kleinere Teile gibt es auf Kuba viele geschickte Mechaniker, die bspw. Buchsen selber fertigen.

Mit Papa auf der Harley macht es am meisten Spaß

Mit Papa auf der Harley macht es am meisten Spaß (Foto: Nippon-Classic.de

Harlista Cubanos lassen sich durch nichts erschüttern

So schaffte es Albert aus Havanna mit seiner öligen 1955‘er Harley von der Hauptstadt bis ins Urlaubseldorado Varadero. Die betagte Harley, die normalerweise sein Bruder fährt, gab kurz vor dem Ziel röchelnd den Geist auf. Der marode Zylinderkopf war unrettbar gebrochen. Hier hatte der Zahn der Zeit über Jahrzehnte genagt. Und mal ehrlich, kein „Gore-Tex-Warnwesten-Vollkasko-Träger“ aus Deutschland hätte sich mit so einer alten Schüssel auf die 150 Kilometer lange Reise begeben.

Defekte Harley Davidson

Liegen geblieben … (Foto: Nippon-Classic.de

Doch ein Kubaner lässt sich sein Freude an seinem Motorrad nicht nehmen, und schon gar nicht von so einem „kleinen Problem“. Was ich auf meinen vielen Kubareisen bislang gelernt habe ist, es gibt für alles eine Lösung. Es verwundert daher nicht, dass sich die Harlistas Cubanos wie eine eingeschworene Familie gegenseitig helfen. Tatsächlich traf ich Alberts Bruder mit genau dieser Knucklehead beim Plausch in Havanna-Vieja eine Woche später.

Ein paar Tage später in Havanna

Ein paar Tage später in Havanna (Foto: Nippon-Classic.de

Heute gibt es auf Kuba ungefähr 150 Harley-Davidson Maschinen, wovon sich die Hälfte in einem erstaunlich guten Zustand befindet. Die bis zu 80 Jahren alten Twins werden von ihren Besitzern mit viel Hingabe und Einfallsreichtum vor dem Exodus bewahrt, so dass sie noch heute das kubanische Straßenbild prägen. Bei einigen Maschinen fragt man sie trotzdem, wieso das Teil noch fährt, aber da unterschätzen wir gerne das viel beschworene, kubanische Improvisationstalent. Und ohne das geht auf Kuba gar nichts!

Rund 150 alte Maschinen begründen den Harlistas Cubanos Geist auf Kuba

Rund 150 alte Maschinen begründen den Harlistas Cubanos Geist auf Kuba (Foto: Nippon-Classic.de

Bildergalerie zu den Harlistas Cubano