Vor 40 Jahren mischten Turbos die Motorwelt gründlich auf. Unvergesslich bleibt der Saab 900 Turbo mit seinem aufgeladenen Motor, der noch heute eine große Fangemeinde besitzt. Ohne Turboaufladung wäre auch die TDI-Entwicklung Ende der Dekade undenkbar gewesen. Längst hat sich die Turbotechnik vom Kleinwagen bis zum Sportwagen etabliert. Downsizing lautet die Devise – Steigerung von Leistung und Drehmoment, bei immer kleiner werdenden Hubräumen. Doch wie sieht es bei den Motorrädern mit turbogeladener Zusatz-Power aus?

Wettrüsten von Honda, Kawasaki, Suzuki und Yamaha

In den 1980er Jahren lieferten sich die vier japanischen Motorradhersteller ein regelrechtes Turbo-Wettrüsten. Die neuen Turbo-Modelle sollte die Speerspitze einer neuen Motorrad-Generation werden. Honda rüstete als erster die CX 500 mit einem Abgasturbolader auf, die auf der IFMA 1980 großes Aufsehen erregte. 1982 folgte die Yamaha XJ 650 Turbo nach. Ein Jahr später fand die Turbotechnik auch bei Kawasaki Einzug. Schlusslicht war schließlich die Suzuki XN 85 Turbo, die es gar nicht mehr nach Deutschland schaffte. Aber auch BMW experimentierte zu jener Zeit mit einem turbogeladenem Monocoque-Modell namens „futuro“.

Die Fachwelt war sich damals einig: „zu schwer zu beherrschen und zu gefährlich“ lautete des vernichtende Urteil über die starken Motorräder mit Turbo-Aufladung. Die Folge war einer der größten Verkaufsflops in der Motorradgeschichte: In wenigen Jahren rollten lediglich 3.500 Maschinen zu den Kunden – weltweit alle Modelle zusammengenommen. Genauso schnell, wie die Turbomotorräder damals gekommen waren, verschwanden sie auch wieder aus dem Modellprogrammen der japanischen Hersteller. Wir stellen die vier größten Flops der Motorräder mit Turbolader vor.

Turbotreffen der XJ 650 Fans

Turbotreffen der XJ 650 Fans (Foto: Axel Hammer)

Turbotechnik kurz erklärt

Beim Turbo werden Abgase in einen Verdichter geleitet, wo das Turbinenrad des Laders vom Abgasstrom angetrieben wird. Der Verdichter des Turboladers erzeugt damit einen Überdruck. Durch den höheren Druck wird mehr Frischluft in den Zylinder gepresst werden, wenn das Einlassventil geöffnet ist. Der Motor saugt nicht mehr an, sondern wird mit Überdruck gefüllt – also aufgeladen.

Die zusätzliche, zur Verbrennung in die Brennkammern geleitete Luft führt zu einer schubartigen Steigerung von Leistung und Drehmoment. Bei Motorrädern machte jedoch der abrupt einsetzende Leistungsschub die ohnehin nicht leichten Maschinen nur schwer kontrollierbar, weshalb sie sich letztendlich nicht durchsetzen konnten.

Platz 1: Kawasaki Z 750 Turbo

Unter den Flops war die Kawasaki Z 750 Turbo wohl das erfolgreichste Turbo-Motorrad. Kawasaki gelang es immerhin gut 1502 Maschinen von der 1983 bis 1985 gebauten Z 750 Turbo an den Mann zu bringen. Im Vergleich ist das ein Mini-Erfolg. Obwohl Kawasaki die Maschine erst spät ins Rennen schickte, begann der japanische Hersteller sein Turbo-Projekt schon 1980. Ein erster Prototyp war im darauffolgenden Jahr fertig und auf der Tokyo-Motor-Show zu sehen. Doch bis zur Serienreife der Kawasaki Z 750 Turbo sollten noch zwei weitere Jahre ins Land gehen bis sie im Frühjahr 1983 überraschend von der Fachpresse vorgestellt wurde.

Die Kawasaki Z 750 Turbo kam 1983 auf den Markt

Die Kawasaki Z 750 Turbo kam 1983 auf den Markt (Quelle: Kawasaki)

Technisch entspricht der Motor dem luftgekühlte Reihenvierzylinder der Kawasaki GPZ 750. Wie den offiziellen Presseinformationen von Kawasaki zu entnehmen ist, reduzierten die Techniker in Akashi die Verdichtung von 9,5 auf 7,8:1 durch Verwendung flacherer Kolben. Als weitere turbospezifische Anpassungen kam der Zylinderkopf der GPZ 650 mit schmaleren Kanälen und kleineren Ventilen zum Einsatz. Auch verbaute Kawasaki statt einer Vergaserbatterie eine D.F.I.-Einspritzung (Digital Fuel Injection), wie sie auch die 1983 erschienene GPZ 1100 besaß.

Gut zu erkennen ist der Abgasturbolader der Z 750 Turbo unten

Gut zu erkennen ist der Abgasturbolader der Z 750 Turbo unten (Quelle: Kawasaki)

Um der höheren Motorleistung von 100 PS (offen: sogar 112 PS) Rechnung zu tragen, spendierte Kawasaki dem GPZ-Fahrwerk eine größere Telegabel mit 37 mm Standrohren, eine stabilerer Uni-Track Hinterradschwinge, größere Bremsscheiben sowie eine geänderte Rahmengeometrie und geringerer Sitzhöhe (780 mm statt 790). Optisch entsprach die Z 750 Turbo weitestgehend der GPZ 750 von 1983/1984. Sie besaß jedoch eine sportivere Linie, für die die geänderte Verkleidung sowie der flachere Tank und Sitzbank verantwortlich waren.

Schnittzeichnung des Kawasaki Z 750 Turbo Motors

Schnittzeichnung des Kawasaki Z 750 Turbo Motors (Quelle: Kawasaki)

Wie Udo Schepers und Daniel Kuhle auf ihrer Seite 750turbo.info berichten, hatte sich Kawasaki aber noch ein paar technische Raffinessen einfallen lassen.

„Dem Hauptproblem, den zu geringen Abgasdrücken bei niedrigen Drehzahlen, und dem daraus resultierenden plötzlichen Leistungseinsatz bei höheren Drehzahlen, begegnete Kawasaki mit relativ engen und kurzem Auspuffkrümmern, die vor dem Kurbelgehäuse bereits in den Lader mündeten. Wegen der großen Hitzeabstrahlung in diesem Bereich bestand das Verkleidungsteil dort aus Aluminium. Die tiefe Platzierung des Turboladers sorgte zudem für eine bessere Kühlung des thermisch sehr hoch belasteten Aggregats durch den Fahrtwind. Die Innenkühlung und Schmierung besorgte direkt aus dem Ölkühler kommendes Motoröl.“

Platz 2: Honda CX 500 Turbo

Der größte Motorradhersteller schickte bereits 1980 die Honda CX 500 mit V2-Motor und Turbolader ins Rennen. Die Weltöffentlichkeit machte auf der IFMA in Köln große Augen, wo die Maschine erstmals gezeigt wurde. 1983 erhielt die Honda CX 500 eine Hubraumaufstockung auf 650 Kubikzentimeter, die aber das Ende des vierjährigen Turbo-Experiments nicht aufzuhalten vermochte.

Die Honda CX 500 Turbo eröffnete das Turbo-Wettrüsten 1980

Die Honda CX 500 Turbo eröffnete das Turbo-Wettrüsten 1980 (Foto: Nippon-Classic.de)

Dank Aufladung schöpfte die CX 500 Turbo beachtliche 82 Pferdestärken aus 500 ccm Hubraum, immerhin ein Zuwachs von 32 Pferdchen gegenüber der normalen „Güllepumpe“. Aber die Leistungsausbeute klingt auf dem Papier verlockender, als sie in der Praxis tatsächlich war. Denn die abrupte Leistungsentfaltung der CX 500 Turbo überzeugte wenig. Während die zu schwer geratene CX 500 Turbo in unteren Drehzahlbereichen sich nur schwerfällig bewegte, setzte nach dem typischen „Turboloch“ der Leistungsschub plötzlich und brachial ein. Damit war die Turbo-CX nichts für Anfänger.

Groß prangt der "TURBO" Schriftzug auf dem Auspuff der CX

Groß prangt der „TURBO“ Schriftzug auf dem Auspuff der CX 650 Turbo (Quelle: Greg)

Zum astronomischen Preis von rund 13.200 DM kamen noch das hohe Gewicht und ein riesiger Durst des aufgeladenen Motors hinzu, der auch schon Mal zweistellige Literwerte annehmen konnte. Trotz Turboaufladung kam die Turbo-CX 500 an die Fahrleistungen der Big Bikes bei weitem nicht heran.

Die CX 650 Turbo konnte den Flop auch nicht vermeiden

Die CX 650 Turbo konnte den Flop auch nicht vermeiden (Quelle: Greg)

Mit 379 verkauften Exemplaren sicherte sich die Honda CX 500 Turbo den 2. Platz unter den Turbo-Flops. Die größeren CX 650 Turbo fristete ebenfalls ein Mauerblümchendasein – ganze 56 Käufer fanden sich hierzulande. Heute erfreuen sich die Turbos einer großen Anhängerschaft.

Honda CX 650 Turbo Treffen

Honda CX 650 Turbo Treffen (Foto: Ulli Pfennigsdorf)

Platz 3: Yamaha XJ 650 Turbo

Auf den 3. Platz folgt die Yamaha XJ 650 Turbo, die sich erschreckend schlecht verkaufte: Nur 315 Stück konnten die Händler an den Mann bringen, von denen noch rund 35 Maschinen beim KBA geführt werden.

Yamaha XJ 650 Turbo im eigenwilligen Design

Yamaha XJ 650 Turbo im eigenwilligen Design (Foto: Nippon-Classic.de)

Die Yamaha XJ 650 Turbo kam 1982 auf Basis der 71 PS starken XJ 650 auf den Markt. Der Technologieträger schaffte es immerhin, die Leistung mit Turbolader um 19 auf 90 PS sowie das Drehmoment von 55 auf 82 Nm zu steigern. Zum Vergleich, die zur gleichen Zeit gebaute XJ 900 kam mit größerem Hubraum auf ähnliche Werte. Dem berüchtigten Turboloch setzten die Yamaha-Ingenieure etwas entgegen, indem sie bei niedrigen Drehzahlen die Ansaugluft mittels Ventils am Turbo vorbeileiten und direkt zum Motor führten.

Die Verkleidung der XJ 650 Turbo sorgte für einen geringen CW-Wert

Die Verkleidung der XJ 650 Turbo sorgte für einen geringen CW-Wert (Foto: Nippon-Classic.de)

Anders als Kawasaki und Honda, verpasste Yamaha seiner Turbo-XJ ein eigenwilliges Design, das so gar nicht gefallen wollte. Daran konnte auch ein Gastauftritt im James Bond Film „Sag niemals nie“ nichts ändern. Hinzu kam ein stolzer Preis von rund 12.000 DM, der deutlich über den 9.280 DM der XJ 900 lag.

Großer "TURBO" Schriftzug auf der Nase

Großer „TURBO“ Schriftzug auf der Nase (Foto: Nippon-Classic.de)

Platz 4: Suzuki XN 85 Turbo

Die Suzuki XN 85 Turbo erschien ebenfalls 1983, wurde aber nicht mehr offiziell nach Deutschland importiert. Zu der Zeit ebbte die Turbo-Welle schon am ab und der Importeur hat sie nicht mehr ins Programm genommen.

Suzuki XN 85 Turbo

Suzuki XN 85 Turbo (Foto: Rainmaker47 / CC BY_SA 3.0)

Technisch basierte die XN 85 basierte auf der Suzuki GS 650 Katana, geriert aber mit über 246 Kilogramm sehr schwer. Dem hohen Gewicht standen aber im Vergleich zu den anderen Turbo-Motorrädern nur 85 PS bei 8.000 U/min gegenüber. Der Turbo-Boost der XN 85 setzte bei ca. 5.000 U/min ein. Der Turbofahrer war gut beraten mit wenig Dampf in die Kurve zu fahren und erst dann herunterzuschalten.

 

[Fotoquelle Suzuki XN 85 Turbo: Rainmaker47/Creative Commons]