Seit den späten 1970ern war es bei den Japan-Choppern wie bei gepimpten Tiefkühlpizzen: Basismodell nehmen und mit einigen Zutaten aus dem Teileregal der Zulieferer „verfeinern“ – fertig! Es war also noch ein langer Weg bis zur Suzuki VS 1400 INTRUDER.
Der halbherzige Weg zum Chopper Motorrad
So erfolgte oft ein Griff in die Modellreihe „Straßenmaschine“, Hochlenker angebaut, kleiner Tropfentank montiert, kleines und knubbeliges Hinterrad eingesetzt, Chromzierat drangedengelt, eine niedrige Stufensitzbank angeschraubt und fertig war der bis zu 1100ccm- DOHC-Vierzylinder-Japan-Chopper mit teils über 100 PS, der für Cruiser und Co. aberwitzige Höchstgeschwindigkeiten von über 220 km/h ermöglichte und im Leistungsverhalten so gar nicht zur Fahrzeugkategorie passte.
Das arme Fahrwerk hatte seine liebe Mühe mit Motorleistung und Top-Speed bei den diversen C´s (Hondas Typisierung), L´s (Suzuki) und LTD´s (Kawasakis Typkürzel für Chopper). Bei Yamaha hängte man den Namenszusatz SE an die Bezeichnung des Basismodells. Motorräder wie die Suzuki GSX 1100 L, die Kawasaki Z 1000 LTD oder die Honda CB 900 C ließen jeden Doppelschleifenrohrrahmen ob der schieren Motorleistung und der erreichbaren Höchstgeschwindigkeit vor „Angst erzittern, mit den Schwingenlagern wackeln und die Telegäbelchen beim starken Bremsen ziemlich verwinden“. Allen gemeinsam war dabei die aus Kostengründen eher halbherzige Umsetzung der amerikanischen Originalinterpretation von „Cruiser und Glider“.
Suzuki VS 750 Intruder – ein echter Japan Chopper
Bei Suzuki in Hamamatsu startete man 1986 mit der VS 750 Intruder einen ersten ernsthaften Versuch in das Gehege des amerikanischen Platzhirsches Harley-Davidson einzudringen (Intruder=Eindringling). Mit einem V2- 45°-OHC-Twin mit vier Ventilen pro Zylinder lag man im Motoren-Layout schon sehr nah am Original. Da die Japaner bekanntlich Feingeister und Perfektionisten sind, gefiel den Suzuki-Ingenieuren einerseits zwar der Klang des Harley-Aggregates. Andererseits wollte man aber die lästigen Vibrationen und das Geschüttel konstruktiv beseitigen und den neuen Motor auch gleich thermisch belastbar gestalten.
Nebenbei sollte der Endkunde mit guter Optik und Wartungsarmut seines Chopper-Bikes noch zusätzliche Benefits bekommen. Die groben Vibrationen hielt man bei der Suzuki Intruder mit einem Hubzapfenversatz von 45 Grad für die beiden Pleuel auf der gemeinsamen Kurbelwelle im Griff. Zugleich versah man die kleine Intruder mit einem in Rahmenfarbe lackierten Wasserkühler vor den vorderen Rahmenunterzügen, einer im linken Schwingenholm laufende Kardanwelle und wartungsfreie Hydrostößel, welche die je vier Ventile pro Zylinder zuverlässig und spielfrei betätigten.
Gefälliges Japan Design für die Suzuki Intruder 750
Das Design mit vielen Chrom-Elementen, Drahtspeichenrädern, flacher Stufensitzbank, Sissy-Bar und Hochlenker sowie nach vorne montierten Fußrasten getreu dem Motto „lieber gut kopiert, als schlecht selbst entwickelt“ war bei der stilsicheren kleinen „Trudi“ schon sehr gelungen. Nicht umsonst hatte Sadao Shirasagi, der leitende Produktmanager, eine Reihe amerikanischer Mitarbeiter ins Entwicklungsteam geholt.
Leistung der Suzuki VS 750
Mit 50 PS (im Ausland 55 PS) bei 6.800 U/min und 56,7 Nm bei 5.200 Umdrehungen pro Minute stand die kleine Intruder 750 für ihre Zwecke gut im Futter. Für die Frischgaszufuhr waren zwei 34 mm Mikuni-Vergaser zuständig. Ein Fünfgang-Getriebe und ein Kardantrieb übernahmen die Kraftübertragung zum Hinterrad. Mit einem fahrfertigen Gewicht von 243 Kilogramm war die Intruder 750 nicht ganz leicht, aber dennoch für zügige 165 Kilometer in der Stunde zu haben. Der 12 Liter fassende Tropfentank ist optisch schön anzusehen, aber zwingt zu häufigeren Tankstopps. Alles in allem sah der „erste Versuch“ wirklich gut aus und verkaufte sich bis 1991 hierzulande ca. 4.500 Mal. Der kühne Angriff auf die Modellreihe der Harley-Davidson Sportster 883 war damit gestartet. Einzig die Wasserkühlung verziehen die Hard-Core-Fans dem ansonsten klasse gemachten Chopper Bike nicht.
Suzuki VS 1400 Intruder – Attacke gegen Milwaukee
Folglich wagten die Mannen von Suzuki mit der VS 1400 Intruder im Jahr 1987 den Schritt zum Frontalangriff auf die hubraumstärkeren Modelle aus Milwaukee.
Der „Big-Vee-Twin“ aus Hamamatsu verfügte über 94 mm Bohrung und 98 mm Hub. Daraus resultiert ein Hubraum von 1.360 ccm sowie eine Leistung von 67 PS bei 4.600 U/min und ein maximales Drehmoment von 113 Nm bei 2.600 U/min. Mit Kraftstoff-Luftgemisch versorgt wurde der Big-Twin von zwei 36 mm Mikuni-Vergasern. Nach 5,2 Sekunden zeigte der kleine verchromte Tacho auf der oberen Gabelbrücke bereits Tempo 100 an. Bei etwas über 170 km/h endete der Vortrieb für den 260 kg schweren und mit 13 Liter Tank versehenen Suzuki Chopper.
Die Suzuki VS 1400 bekam eine Raffinesse spendiert
Um die ungeliebte Wasserkühlung der VS 750 Intruder zu ersetzen, aber den hinteren Zylinder nicht den Hitzetod sterben zu lassen, machten die Ingenieure Anleihen bei der Supersport-Fraktion. Sie verpassten dem im Windschatten stehenden Kolben der Suzuki VS 1400 einfach die Ölkühlung des SACS aus der GSX-R-Baureihe. Der kleine dezente Ölkühler unter dem Lenkkopf der Suzuki Intruder wurde mit einer hübschen Chrom-Verkleidung und Reflektoren versehen und stellte nun keinen Stilbruch dar.
Anfangs reichten 4 Gänge in der Getriebebox vollkommen aus. Im weiteren Verlauf der Baureihe kam ein fünfter Gang wegen der geänderten Emissions- und Lärmschutzvorschriften dazu. Vorne und hinten bremsten je eine Scheibenbremse das 260 Kilogramm schwere Chopper Bike. Die wunderschönen Drahtspeichenräder und der Sound aus den verchromten Ofenrohren waren zum Niederknien. Und der 170er Hinterreifen der Suzuki VS 1400 Intruder machte einen Seitenständer fast überflüssig. Aber auch nur fast.
„Tante Trude“ erwies sich in 16 Jahren Bauzeit als sehr zuverlässige, preiswertere und stilsichere Alternative zu den Bikes aus Milwaukee. Es gab und gibt auf dem Markt mindestens genau so viel Zubehör und viele schöne und gelungene Umbauten wie vom Original.
Die meisten der ca. 7.800 heute noch zugelassenen Exemplare (Stand Ende 2020) fahren als Custom Bikes. Eine gut erhaltene Suzuki VS 1400 Intruder im Originalzustand zu finden, ist schon ein ambitioniertes Projekt.
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