Auch wenn sich das Viertaktverbrennungsprinzip im Motorradbau eindeutig durchgesetzt hat, hielten ein paar Verfechter des Zweitaktprinzips bis in die 1990er Jahre wacker durch. Mit spitzer Leistungsentfaltung, geringem Gewicht und möglichst wenig bewegten Motorteile versprühten die  Zweitaktraketen kompromissloses Rennfeeling für die Straße. Eine Vertreterin in diesem Segment war die Suzuki RGV 250, die eine ganze Menge Fans dieser verschworenen Zweitakt-Schar für sich gewinnen konnte. Obwohl die Suzuki RGV 250 sich nur einer vierjährigen Bauzeit erfreuen durfte und ihre Einsatzmöglichkeiten doch recht eingeschränkt waren, fanden sich hierzulande zwischen 1989 und 1993 immerhin 3.800 Käufer.

Der RGV 250 Motor – ein Sensibelchen

Suzukis Kampfansage an die Yamaha TZR 250 wird von einem flüssigkeitsgekühlten Zweizylinder-Zweitaktmotor mit 90-Grad-V2 Anordnung der Zylinder befeuert. Zwei Mikuni-Schiebervergaser vom Typ TM 32SS sorgen für den Nachschub an zündfähigem Gemisch. Letzteres sollte aber nicht falsch verstanden werden, denn Suzuki gab dem kleinen Renner eine Getrenntschmierung mit auf den Weg, deren werksseitige Einstellung einem Mischungsverhältnis von 1:34 auf „Mofa-Niveau“ entspricht. Die Viertellitermaschine war alles andere als genügsam und zog sich gerne bis zu zwölf Liter Sprit in die V-förmig angeordneten Zylinder.

Die RGV 250 ganz unter dem Motto "Renntechnik für die Straße"

Die RGV 250 ganz unter dem Motto „Renntechnik für die Straße“ (Quelle: Kai Winter/wdrw)

Die Standfestigkeit des bissigen RGV-Motors war von zweifelhaftem Ruf und machte regelmäßige Kontroll- und Wartungsarbeiten notwendig. Denn die Achillesferse des V2-Triebwerks ist seine Auslasssteuerung, die hohen Laufleistungen häufig einen Strich durch die Rechnung macht. Ursache sind die drehzahlabhängig arbeitenden Schieber, die den Querschnitt des Auslasskanals verändern und schnell ausleiern. Das Ergebnis ist meistens ein Exitus von Schiebern, Kolben und Zylindern.

So kommt es nicht selten vor, dass bei unregelmäßiger Wartung der Motor kreischend schon nach 10.000 Kilometern den Geist aufgibt und nach einer teuren Motorrevision schreit. Wer seine Suzuki RGV 250 liebte, schaute besser alle 6000 Kilometer nach den sensiblen Schiebern und reinigte diese gründlich.

Auf dem Pluskonto stehen ein tadelloses und super-handliches Fahrwerk und geringes Gewicht der RGV. Die exorbitante Literleistung des Zweitaktaggregats mit 225 PS/Liter machten die Suzuki zum echten Powerpack mit Suchtpotenzial.

Die RGV 250 Motor war ein echtes Sensibelchen

Die RGV V2-Motor war ein echtes Sensibelchen (Quelle: Kai Winter/wdrw)

Suzuki RGV 250 Modellentwicklung

RGV 250 Typ VJ21 – 1988 bis 1990

Die erste RGV 250 kam mit konventioneller Telegabel, Kastenschwinge und einer zu beiden Seiten verlegten Auspuffanlage daher. Zum Ärgernis für Suzuki wurde im selben Jahr noch die neue Abgas-Regelung ECE-R 40 eingeführt. Im Ergebnis blies die neue RGV zu viele Schadstoffe hinten heraus und musste wieder in der Versenkung verschwinden. Die RGV wurde deshlab wegen verschärfter Abgasbestimmungen im Oktober 1989 aus dem Programm genommen, tauchte aber zur IFMA 1990 wieder auf. Dann mit 52 PS, Kat und verbessertem Fahrwerk.

RGV 250 Typ VJ22 – 1991 bis 1994

Die RGV 250 VJ22 erschien 1991 und hatte mit ihrer Vorgängerin äußerlich kaum noch etwas gemeinsam. Suzuki hatte die 10.000 Mark teure Maschine für Hobby-Rennfahrer mit einer Upside-down-Gabel und Bananenschwinge deutlich aufgewertet. Für die notwendige Rennoptik sorgten die beiden, nun auf der rechten Seite geführten Auspuffrohre. Ein ungeregelter Katalysator sorgte für zulassungsfähige Abgaswerte. Ab Mitte 1992 durfte Suzuki die Bananenschwinge aus patentrechtlichen Gründen nicht mehr verbauen und wechselte deshalb zurück zur Kastenschwinge.

Hier eine Suzuki RGV 250 von 1992. Die Bananenschwinge verschwand ein Jahr später wieder

Hier eine Suzuki RGV 250 von 1992. Die Bananenschwinge verschwand ein Jahr später wieder (Foto: Andreas Pascariello)

RGV 250 Typ VJ23 – bis 1997

Die VJ23 wurde nicht mehr in Deutschland angeboten. Der Motor saß aber weiterhin – in modifizierter Form – in der Aprilia RS 250.

Tipps zum Gebrauchtkauf

Lassen wir einen RGV-Experten hier zu Wort kommen: Gilles Schumachers Suche nach einer Honda mit V-Motor mündete in einer Alternative von Suzuki. Ein 250er Zweitakter mit stolzen 59 PS bei 11.000 U/min, gepaart mit einem Kampfgewicht von 150 Kg. SUZUKI war bis dahin ein japanisches Fremdwort in meiner Garage, doch die angebotene RGV war eine frühe „Typ VJ21A“ von 1989. Nein, keine „Lucky Strike“ mit „Bananenschwinge“, dafür aber in seltenem rot/weiß, vermutlich die einzige Überlebende in ganz Luxemburg.

Der RGV-Motor sprang bei meiner Besichtigung natürlich nicht an, da die RGV lustlos vor einigen Jahren in die Ecke gestellt wurde. Korrosion an vielen Aluteilen, eine undichte Gabel, einen sabbernder Benzinhahn und „liebevoll abgesägte“ Auspufftöpfe dämpften eine wenig meine neu entdeckte Suzuki-Begeisterung, doch ich kaufte sie. Einige Wochen später, als ich den Tank sanieren wollte, füllte sich einen ganzen Eimer mit roter Benzin/Rost-Brühe…toll.

Bei meiner RGV-Restaurierung entdeckte ich an allen Ecken weitere Probleme: Beide Felgen hatten einen deftigen Schlag, der Motorunterzug war links eingerissen, der rechte Gabelholm war verschrammt und die hintere Höckerverkleidung war nach dem vermeintlichen Sturz „verrepariert“ worden – sprich verklebt – worden.

Also machte ich auf der ganzen Welt im Internet Jagt nach neuen VJ21A-Teilen: aus Griechenland kam die eigentlich unauffindbare Höckerverkleidung original verpackt in Rot mit dem begehrten Aufkleber „Real Sprinter Slingshot “, aus Singapur bestellte ich einen rechten neuen Gabelholm, aus Deutschland kamen zwei gebrauchte Felgen, aus England einen äußerst seltenen rechten Auspufftopf als NOS. Selbst aus China bestellte ich widerspenstig eine bei Suzuki nicht mehr lieferbare Verkleidungsscheibe, die aber absolut originalgetreu aussah und auch für 20 Euros inkl Versandkosten passte!

Blick auf die Kommandozentrale der RGV 250

Blick auf die Kommandozentrale der RGV 250 (Foto: Andreas Pascariello)

Die restlichen Restorations-Teile fand ich noch im Originalteilregal bei diversen Suzuki-Händlern, wie einen kompletten Kettensatz, Gabeldichtungen, Verkleidungsschrauben usw. Die konventionelle Gabel bekam progressive Wilbers-Gabelfedern spendiert. Und das originale Federbein wurde durch ein fast identisch aussehendes schwarzes Wilbers-Federbein mit High- und Lowspeed-Knöpfen ersetzt. Die gesamte Bremsanlage wurde überholt und mit neuen EBC HH-Beläge, originalen Bremskolben und Dichtungen, sowie schwarze „Probrake“-Stahlflexschläuche auf Vordermann gebracht da diese RGV fast 200 Km/h schnell ist.

Nun stand nach einem Jahr harter Renovierungsarbeit des Chassis mit neuen Suzuki-Ersatzteilen die Motorüberholung bevor.

Ich wusste dass diese 250er RGV wegen ihrer schnell ausleiernden Auslassschiebern kein Kandidat für die Ewigkeit war. Stolze 236 PS Literleistung und ständiges Heizen im roten Bereich hatten auch meinen RGV-Motor stark zugesetzt. Beim Zerlegen offenbarte sich, dass der hintere Auslassschieber auf dem Kolben geprallt war und dabei ein schönes Stückchen Kolben rausgerissen hatte. Sogar der Auslassschieber-Stift war zerbröselt – Aua ! Der liegende Kolben war über 2 cm am unteren Ende des Hemds auch noch gerissen, kurz der Motor war Totalschrott.

Der Motor dieser seltenen RGV wurde bei Fischer in Kaiserlautern revidiert

Der Motor dieser seltenen RGV wurde bei Fischer in Kaiserlautern revidiert (Quelle: Kai Winter/wdrw)

Nach langer Suche wurde das RGV Herz in guten Händen bei der Firma Fischer-Kfz bei Kaiserslautern – ein bekannter Spezialist in Sachen schneller Suzukis 2-Takter aller Art – über Winter abgegeben. In der kapitalen Diagnose kamen auch noch ausgeleierte Getriebewellen dazu. Als Heilung kam für den RGV Patienten nur ein in perfekt aufgebauter RGV-Rumpfmotor mit neuer Kurbelwelle, Dichtungen, Lager, Simmerringen und Kupplung im Tausch meines maroden V2-Motors in Frage. Dieser perfekt aufgebaute Fischer-Rumpfmotor bekam noch Diamant-gehonte Zylinder, mit vom Meister per Hand leicht angepasste Überströmkanäle und einen Satz neuer Suzuki Kolben und Ringe spendiert.

Nach dem obligatorischen Ultraschallbad bekamen beiden 34er Mikuni Vergaser eine etwas fettere Bedüsung sowie zwei drehmoment-fördernde Boyesen-Membranen aus den USA spendiert.

Das gewünschte Resultat des „Kit 1“ Fischer-Motors konnte ich endlich, nach zwei Jahren und nach einem peinlich genauen Einfahren erleben. Unter 6.000 U/min ist meine RGV fast wie eine getunte Fünfziger (wie eigentlich alle RGV’s). Darüber hinaus aber schnellt die Nippon Seiki Nadel mit Höllen-Kreissägenlärm und typischer 2-Takt-Aufladung beim Öffnen der beiden Auslassschieber um 7.000 U/Min blitzschnell auf 11.500 U/min!

Tacho 180 ist durch blitzschnelles hochschalten des mäßigen Getriebes schnell erreicht.

Ob nun Lucky oder Rothmanns, nach jedem Gangwechsel auf meiner „VJ21A“ und beim Anblick der schönen, blauen Rauchfahnen im Rückspiegel möchte ich jedes Mal nochmal 17 sein und „Kevin“ satt „Freddie“ heißen!

Auf einen Soziusbetrieb sollten man jedoch, trotz vorhandener Rasten und angedeutetem Sitzbrötchen auf dem Höcker, verzichten. Dier RGV 250 ist und bleibt ein Solo-Bike!

Das Heck der RGV macht den Solobetrieb deutlich

Das Heck der RGV macht den eigentlichen Solobetrieb deutlich (Foto: Andreas Pascariello)

Technische Daten RGV 250

Motor:

  • Typ: Zweizylinder-Zweitaktmotor, 90-Grad-V2 mit Flüssigkeitskühlung
  • Einlaß/Auslas-System: Membransystem / SAPC-Auslaßsteuerung
  • Hubraum: 249 ccm
  • Bohrung x Hub: 56 mm x 50,6 mm
  • Verdichtungsverhältnis: 7,3 : 1
  • Vergaser: 2 Mikuni-Schiebervergaser, TM 32SS, mit 32 mm Durchlass

Leistungswerte:

  • Maximalleistung: 56 PS bei 11.000 U/min
  • Drehmoment: 35,2 Nm bei 11.000 U/min
  • Beschleunigung 0-100km/h: ca. 5,6 sec
  • Höchstgeschwindigkeit: ca. 195 km/h

Fahrwerk:

  • Rahmen: Leichtmetall-Kastenrahmen, abschraubbare Unterzüge
  • Aufhängung hinten: Aluminium Kasten- oder Bananen-Schwinge, Full Floatig System
  • Federweg: vorn 120 mm, hinten 130 mm
  • Telegabel: mit 41 mm Standrohrdurchmesser
  • Reifen: vorn 110/70-R 17 und hinten 150/60-R 17
  • Bremsen: vorn : 300 mm Doppelscheibe, schwimmend gelagert mit 4 Kolben, hinten: 210 mm Scheibe mit 2 Kolben

Maße und Gewichte

  • Länge: 2.080 mm
  • Radstand: 1.385 mm
  • Sitzhöhe: 800 mm
  • Tankvolumen: 14 Liter
  • Gewicht: 166 kg

Die beiden hier gezeigten Maschinen stehen zum Verkauf. Bei der roten RGV 250 (VJ22) handelt es sich um eine 1922er im  selten AGIP Dekor. Der Motor wurde bei Fischer 2016 in Kaiserlautern revidiert. Dabei wurden die Auslassschieber verstärkt und alle Verschleißteile erneuert. Die Gesamtfahrleistung beträgt 14.000 km und der Motor (nach der Revision) 700 km. Auch das Fahrwerk und Antrieb (Dämpfer, Schwinge, Kette, Ritzel)wurden neu abgedichtet, überholt und ersetzt. Ein Rennauspuff JollyMoto ist verbaut und der Original-Auspuff liegt am Lager.  Der Zustand der RGV ist für ein Sammler genau das Richtige. Kontakt unter: https://www.kaiwinter.de/

Die zweite RGV 250 befindet sich ebenfalls in einmaligem Zustand und hat nur 5615 km auf der Uhr.  Die Erstauslieferung in Deutschland war im April 1992. Die Suzuki hat nur 2 Vorbesitzer. Kontaktdaten siehe Inserat.