Seit einiger Zeit häufen sich Meldungen über Streckensperrungen für Motorräder. Obwohl das Thema bei weiteren Recherchen absolut nicht neu, sondern seit Jahren ein probater Versuch von Gemeinden und Städten gegen Motorradfahrer vorzugehen ist, scheinen die Fahrverbote in diesem Jahr ein neues Level zu erreichen.

Hintergründe zum Ausschluss von Motorrädern

Motorradunfälle auf neuralgischen Strecken

Wir alle kennen die unzähligen Horrormeldungen in den Zeitungen, die in der Art lauten:

  • „Bei einem Zusammenstoß mit Pkw wurde eine Motorradfahrerin in Barsbüttel schwer verletzt.“
  • „Motorradfahrer prallt gegen Ampelmast. Beim Überholen verlor der Mann die Kontrolle über seine Maschine. Er erlitt schwere Verletzungen.“
  • „Auto gegen Motorrad: Schwer verletzt. Ein 42-jähriger Ahrensburger wurde mit seinem Motorrad auf der Bundesstraße in Richtung Wesenberg von einer 52-jährigen VW-Fahrerin übersehen.“

Und das sind nur drei Meldungen der SHZ im Mai, einem Regionalblatt aus dem Norden. Es wäre abendfüllend hier alle gemeldeten Motorradunfälle zu listen, aber die Zahlen sind erschreckend. Allein in NRW zählte die Polizei im ersten Quartal 466 verunglückte Motorradfahrer. Und an dem sonnigen Osterwochenende starben nach Polizeiangaben mindestens zehn Biker auf bundesdeutschen Straßen.

Aus Sicht der Polizei sind zu hohe Geschwindigkeiten, eine mangelnde Kenntnis der Strecken und Selbstüberschätzung die häufigsten Ursachen für schwere Unfälle, wie der WDR in einem Beitrag dazu schreibt. Gestiegene Motorleistungen der Maschinen und eine erhöhte Verkehrsdichte dürften sicherlich als weitere Gründe für Verkehrsunfälle aufgeführt werden.

Mit Sperrungen kurvenreicher, schwer einsehbarer Straßen wird so versucht den Unfallzahlen entgegenzuwirken. Doch bestraft man damit nicht auch die „Normalos“, die nicht rücksichtslos durch die Gegend heizen, sondern einfach nur mit ihrem „Mopped“ allein oder in der Gruppe cruisen wollen? Ich sage JA!

Motorradfahren war, ist und bleibt gefährlich. Deshalb rüsten ältere Motorradfahrer auch öfters ab und tauschen ihre schwere Maschinen gegen leichte 250er oder 125er Modelle, die sie einst in ihrer Jugend gefahren sind. Aber auch prominente Vertreter kehren dem Fahren großer Maschinen den Rücken zu – „zu gefährlich“, wie beispielsweise der 31-Jährige Hoffenheim-Trainer, Julian Nagelsmann, eingesteht. Das sind aber alles selbst bestimmte Entscheidungen.

Ich bin für freie Fahrt, statt Straßensperrungen

Ich bin für freie Fahrt, statt Straßensperrungen (Foto: Plan B Motorcycles)

Lärmbelästigung durch Motorräder

Als zweiten Grund für Streckensperrungen wird Lärmbelästigung durch Motorräder ins Feld geführt. Lärm wird bekanntlich sehr subjektiv wahrgenommen, den einen stören Geräusche nicht oder nur wenig, den anderen nerven sie gewaltig. Und ja, repräsentative Umfragen des Umweltbundesamtes bestätigen, dass Straßenverkehrslärm mit Abstand als der größte Störfaktor empfunden wird.

Sicherlich wird es einige Biker geben, die den db-Eater aus der Auspuffanlage an ihrem Motorrad entfernen und so aufmerksame Blicke auf sich ziehen wollen. Klar, dass das nervt, wenn so eine Mühle von morgens bis abends vor der eigenen Haustür auf- und abfährt. Ist das auch die Realität? Wohl eher nicht. Und muss ich wegen einem Rücksichtslosen eine ganze Motorradgemeinschaft ausschließen? Und mal ehrlich, erwarten wir nicht auch von einer Harley Davidson, dass sie nach Motorrad klingt und nicht als leise säuselnde Honda Goldwing 1800 daherkommt?

Das „Ländle“ pocht auf Ruhe

Ich denke, es wird immer Leute geben, die Dinge störend finden und sich darüber aufregen. Da sind Motorradfahrer ein gefundenes Fressen. Wenn ich mir die Liste der Streckensperrungen anschaue, sind es vor allem Landkreise und kleinere Städte, die gegen Motorradfahrer vorgehen (wollen). Klar, wer im „Ländle“ lebt, beharrt auf sein gesetzlich verbrieftes Recht auf Ruhe. Hä?! Ist natürlich Quatsch.

In der Stadt ist der Umgang mit Lärm eine tägliche Disziplin. Ich lebe in der Großtstadt und habe regelmäßig einen Proll mit seinem 600-PS-Benz neben mir, der die Auspuffklappen an seinem „Sternenkreuzer“ auf „Durchzug“ geschaltet hat. Im direkten Vergleich wirkt die markdurchdringende Sirene von Rettungsfahrzeugen fast wie eine liebkosende Schalmei. Wird deshalb der Ku’damm in Berlin für alle Mercedes Benz Fahrer gesperrt? Nein!

Für mich gleicht das aktuelle Vorgehen der Städte und Gemeinden einem Feldzug gegen ALLE Motorradfahrer. Verstärkte Streckensperrungen für Motorräder als Allheilmittel zu sehen kommt eher einer Sippenhaft gleich, getreu dem Motto: „bekomme ich nicht den einzelnen Übeltäter gefasst, bestrafe ich einfach alle.“

Braucht es aber nicht viel mehr Rücksichtnahme und Toleranz auf beiden Seiten? Zum Glück gibt es Verbände, die sich gegen Sperrungen stark machen. So setzt sich die Bundesarbeitsgemeinschaft Motorrad (BAGMO) aktiv für die Interessen der Motorradfahrer(innen) und sagt ungerechtfertigten Streckensperrungen für Motorräder den Kampf an. Auch der Bundesverband der Motorradfahrer klagt immer wieder gegen unzulässige Sperrungen und ruft zu Demonstrationen und dem Dialog mit den Gemeinden auf. Angepasst und rücksichtsvoll auf (diesen) Straßen zu fahren dürfte als Gegenleistung für freie Fahrt nicht zu viel verlangt sein. Macht was draus!

Aktuelle Informationen zur Sperrungen und Demonstrationen findet ihr auf der Seite des BVDM.