Auf einer der bekannten Internetseite stieß ich zufällig auf ein Inserat von einer Motocross-Maschine, die ich bislang nicht kannte. Diese Suzuki TM 400 R machte mich neugierig. Bei meinen Recherchen stieß ich durchweg auf Schauermeldungen von Testfahrern, die das Ding vor über vierzig Jahren live erlebten (und überlebten). Obwohl mit dem viel-klingenden Zusatz „Cyclone“ ausgestattet, wurde die Suzuki TM 400 R damals in Fachkreisen schnell „Witwenmacher“ (Widowmaker) genannt. Warum gehört die TM 400R zu den seltensten, aber auch gefährlichsten Motocross-Motorrädern, die jemals gebaut wurden?

Suzukis TM-Serie

Vor 50 Jahren gelang Suzuki als erstem japanischem Motorradhersteller ein fulminanter Einstieg in das internationale Motocross-Geschehen. Im Debütjahr gab es für Suzuki bereits WM-Bronze. 1970 holten die beiden Belgier Joel Robert und Sylvain Geboers in der 250 ccm Klasse einen Doppelsieg in der Motocross-Weltmeisterschaft. Von diesen Erfolgen angespornt, begann Suzuki mit der Produktion von Serien-Motocrossern und stellte die TM-Serie mit den Modellen TM 75, TM 100, TM 125, TM 250 und TM 400 auf die Räder.

Trio Infernale mit Yamaha DT400, TM 400 R und Yamaha XT 500

Trio Infernale mit Yamaha DT400, TM 400 R und Yamaha XT 500 (Foto: Ein Freund von Nippon-Classic.de)

Die American Motorcyclist Association (AMA) lockte mit attraktiven Preisgeldern viele talentierte Motocross-Fahrer aus aller Welt in die USA, denn in den USA waren damals Motocross-Veranstaltungen beim amerikanischen Publikum äußerst beliebt. Für die Königsklasse verpflichtete Suzuki noch im Oktober 1970 den heute 75-jährigen Roger DeCoster als Fahrer, der sofort im Debütjahr Motocross-Weltmeister in der 500-ccm-Klasse wurde und sich den Titel viermal bis 1976 sicherte. Die Suzukis Motocross-Maschinen waren also wettbewerbsfähig. Was aber machte die TM 400 R aber so berüchtigt?

Die gefürchtete Suzuki TM 400 R

Zum einen ist ein Motocross-Motorrad auch wie ein guter Wein: Es muss nach seinem Jahrgang beurteilt werden und nicht nach den heutigen Maßstäben. Zum anderen muss man auch wissen, dass DeCoster seine Weltmeistertitel nicht auf der von 1971 bis 1975 gebauten TM 400 R einfuhr, sondern die Weltmeisterschaft auf der Suzuki RN 370 holte.

Was bekam die Suzuki TM 400 R vom Weltmeistermotorrad ab?

Was bekam die Suzuki TM 400 R vom Weltmeistermotorrad ab? (Foto: Ein Freund von Nippon-Classic.de)

Nun gut. Bei der Vorstellung der Suzuki TM 400 „Cyclone“ ließ sich Suzuki nicht lumpen und veranstaltete eine große Presse-Show mit hochrangigen Stars auf einem Grundstück der Warner Studios. Da Suzuki mit Roger DeCoster und Joel Robert die Motocross-Szene erobert hatte, erwarteten alle, dass Suzuki in die TM 400 viel Know How von den RN-Suzukis übernommen hätte.

Dass dem nicht so war, musste Jody Weisel erfahren. Er gehörte zu den Testfahrern, die über vier Jahrzehnte wohl jedes Motocross-Motorrad gefahren sind. Er war es auch, der in den 1970er Jahren die TM 400 R unterm Hintern hatte und auf Herz und Nieren prüfte.

Die TM 400 R patzte in Tests und war bei Fahrern gefürchtet

Die TM 400 R patzte in Tests und war bei Fahrern gefürchtet (Foto: Ein Freund von Nippon-Classic.de)

Wer nicht, wie die Tester von MOTORRAD 1971 auf dem Kickstarter verhungerte, erweckte mit zwei beherzten Tritten den 396 ccm großen Zweitaktmotor mit einem ohrenbetäubenden Lärm zu Leben. Damals wurde die Maschinen ohne Schalldämpfer verkauft. So war der Auspuff ein reiner Resonanzkörper, der die Dezibel an deren Freigang nicht hinderte.

Der TM 400 R atmet laut aus

Der TM 400 R atmet laut aus (Foto: Ein Freund von Nippon-Classic.de)

Jody Weisel, der bei seiner ersten Fahrt durch leichtes Gelände noch überzeugt, dass „dies das beste Motocross-Motorrad war, das jemals gebaut wurde“, musste wenig später feststellen, dass die TM 400 völlig unberechenbar ist. Denn von einer steten Leistungsentfaltung konnte keine Rede sein. Während die TM 400 R im unteren Drehzahlbereich nicht viel Drehmoment hergab, schlug der 40 PS starke Motor im mittleren Bereich brutal um und sprang dann buchstäblich zu Höchstdrehzahlen.

Der Motor der Suzuki TM 400 R war wegen seiner giftigen Leistungsentfaltung berüchtigt

Der Motor der Suzuki TM 400 R war wegen seiner giftigen Leistungsentfaltung berüchtigt (Foto: Ein Freund von Nippon-Classic.de)

Weisels Fazit lautet deshalb knapp und bündig: „Die Suzuki TM400 Cyclone hatte einen ‚Lichtschaltermotor‘, der an einem Spaghetti-Rahmen befestigt war.“

Denn neben dem Motor mit der brutalen, schwer zu kontrollierenden Leistungsentfaltung war auch das Fahrwerk der TM äußerst berüchtigt. Als Jody einmal das 74er-Modell fuhr, dachte er, dass jemand ihn auf der linken Seite zu überholen versuchte. Es stellte sich aber heraus, dass das Heck der TM400 zur Seite ausschlug, so dass er es sehen konnte. So gerieten die fehlerhafte Rahmengeometrie, der Rahmen selbst, als auch die Schwinge und Dämpfer in die Kritik. Wer von der TM 400 abstieg, war in der Regel schweißgebadet und hatte Krämpfe in Händen und Unterarmen.

Das Heck der TM 400 R neigte zum Ausbrechen

Das Heck der TM 400 R neigte zum Ausbrechen (Foto: Ein Freund von Nippon-Classic.de)

Würde Satan Motorrad fahren, er würde sich wohl für die TM 400 R entscheiden. Damit es nicht soweit kommt, brachte Suzuki eine zivile Version in Form der TS 400 mit 34 PS für die Straße, die nur wenig mit der TM gemeinsam hat.

Anderer Motor und Rahmen der Suzuki TS 400

Anderer Motor und Rahmen der Suzuki TS 400 (Quelle: Nippon-Classic.de)

Ein rarer Motorrad-Oldtimer steht zum Verkauf

Echte Kerle, die sich davon nicht abschrecken lassen, finden hier ein nahezu original und unberührte Suzuki, die aus Kalifornien stammt. Der Rahmen ist gerade und ungeschweißt. Motor und Rahmennummer sind identisch. Der Vorbesitzer hatte mit einer leichten Restauration begonnen und den Rahmen und ein paar Motorteile gepulvert. Ein originaler Auspuff zum Restaurieren ist dabei.

Matching Numbers Teil 1

Matching Numbers Teil 1 (Foto: Ein Freund von Nippon-Classic.de)

Matching Numbers Teil 2

Matching Numbers Teil 2 (Foto: Ein Freund von Nippon-Classic.de)

Und, ganz wichtig: das Motorrad besitzt einen US-Title aus Arizona, hat also die notwendigen Papiere. Bei Interesse geht’s hier zum Inserat.

Heute ist die TM 400 R vor allem hierzulande sehr selten

Heute ist die TM 400 R vor allem hierzulande sehr selten (Foto: Ein Freund von Nippon-Classic.de)