Mit der Suzuki Katana ist ein Name untrennbar verbunden – Target Design. Mit den spektakulären Entwürfen einer völlig neu gestalteten Suzuki GS 650 bis hin zur GSX 1100 schuf die in der bayrischen „Fünf-Seen“ Region beheimatete Design-Schmiede einen, wenn nicht DEN, Meilenstein in der Motorradgeschichte. Doch das Target Design Team ausschließlich auf die Katana zu reduzieren, wird dem Kreativbüro nicht gerecht. Nippon-Classic.de sprach mit dem Geschäftsführer von target design, Hans-Georg Kasten, über die Geschichte des Unternehmens und deren unkonventionelle, kreative Designlösungen, die sich heute in vielen Produkten wiederfinden.

Die Suzuki Katana war ein großeratiger Entwurf von Target Design

Die Suzuki Katana war ein großeratiger Entwurf von Target Design (Quelle: H.-G. Kasten)

Nippon-Classic: Herr Kasten, der Entwurf der Suzuki Katana wird immer mit drei Namen in Verbindung gebracht. Wie haben Sie sich damals kennengelernt?

Hans G. Kasten: Vor der Gründung von target Design hatte ich ab 1977 bei BMW gearbeitet, wo ich Hans Muth kennengelernt habe. Nach Muths Wechsel von den Kölner Ford-Werken in die Motorradabteilung von BMW ging es für ihn bewegt weiter. Das damalige Führungsteam wurde im Rahmen eines Restrukturierungsprojektes ausgetauscht und die Motorrad-Designabteilung der BMW AG zugeteilt. Für Hans Muth war das nicht akzeptabel, er verließ BMW daraufhin und ich übernahm die kommissarische Führung der Designabteilung. In dieser Zeit sind Modelle wie die Ur-GS entstanden oder die Konzeption der BMW K100. Ich war aber nach sechs Monaten ebenfalls frustriert, da die GS vom damaligen Entwicklungschef mehr oder weniger abgesägt wurde.

Nippon-Classic.de: Und wie ging es danach weiter?

Hans G. Kasten: Hans Muth sprach mich geraume Zeit später an und erzählte mir von einem Freund bei Suzuki. Dieser Freund war Manfred Becker und damals Marketingleiter Suzuki. Er beauftragte Muth die 550er und 650er Suzuki stilistisch zu überarbeiten. Ich überlegte, denn mit 30 Jahren Abteilungsleiter bei BMW zu sein, war schon ein großartiger Job und ich hatte erst Jan Olof Fellstrom als Designer von Porsche zu BMW geholt. Allerdings war die Vision schon verlockend, dass bei einem gelungenen Designentwurf eine „große Geschichte“ für uns daraus werden konnte. Letztendlich einigten wir uns darauf ein Designzentrum mit drei Geschäftsführern zu gründen. Hans Muth sollte die Kundenakquise und die Vertretung des Target Design Teams nach außen übernehmen und wir wollten uns auf die Designentwicklung konzentrieren. Anfangs gab es noch kein Studio und so arbeiteten wir von zu Hause.

Masao Tani gefielen die Entwürfe des Designbüros sehr

Masao Tani gefielen die Entwürfe des Designbüros sehr (Quelle: H.-G. Kasten)

Der europäische Marketing-Chef von Suzuki, Masao Tani, hatte bereits einige Design-Aufträge nach Italien, u.a. an Giugiaro und Bertone, vergeben, war aber mit den Resultaten nicht sonderlich glücklich. Wir zeigten ihm einige unsere Renderings und Zeichnungen von der 650er, die ihm außerordentlich gut gefielen. Mit echtem Samurai-Mut erteilte Masao Tani schließlich im Alleingang Target Design den Auftrag für die Maschine und bat sie ein 1:1 Modell zu erstellen, das dann in unserem ersten Studio in Herrsching entstand. Die große Suzuki-Delegation aus Japan ließ nicht lange auf sich warten und war von unserem fertigen Entwurf restlos begeistert. Für das neue Motorrad schlugen wir vor, einen japanischen Namen zu verwenden, woraus die Suzuki „Katana“ hervorging.

Aus den Zeichnungen wurde späeter ein 1:1 Modell gebaut

Aus den Zeichnungen wurde späeter ein 1:1 Modell gebaut (Quelle: H.-G. Kasten)

Dieser Erfolg bescherte uns gleich einen Folgeauftrag für ein „sportliches Spitzenmodell mit süditalienischen Anklängen“, wie es im Briefing hieß. Suzuki hatte uns dabei völlig freie Hand gelassen. Der Entwurf sollte lediglich zum Fahrwerk und Motor der GSX 1100 passen. Herauskam ein Motorrad ohne jeden Marketingaspekt als Traum von zwei Leuten, so wie wir uns die Zukunft des Motorrades vorstellten. Das fertige Modell haben Hans Muth und ich dann in Japan vorgestellt. Nach dem „Go“ vom obersten Suzuki-Chef, Osamu Suzuki, blieb ich noch zwei Wochen, um die technische Machbarkeit zu klären.

Nippon-Classic: Verlassen wir mal die Suzuki Katana. Von Ihnen sind auch legendäre Entwürfe für Kreidler, Egli und Sachs bekannt. Können Sie uns bitte mehr hierzu erzählen.

Hans G. Kasten: Jan Fellstrom und ich haben nach der Trennung von Hans Muth bei Null angefangen und uns bei den deutschen Herstellern vorgestellt. Kunden gab es zu der Zeit nicht. Ich kontaktierte 1982 den damaligen Egli-Importeuer, Herrn Kraft. Um einen Einstieg in den Markt zu bekommen, bot ich ihm an den Entwurf für die Sechszylinder-Egli Honda unentgeltlich zu machen. Als vollblütiger Schwabe nahm Herr Kraft das Angebot natürlich dankend an. Obwohl der Entwurf Fritz Egli selbst zu futuristisch erschien, gefiel er dem Importeuer sehr. Kraft bat uns daraufhin die Einzylinder-Egli neu einzukleiden, die auf der IFMA 1983 vorgestellt wurde. Die Maschine verfehlte die gewünschte Aufmerksamkeit nicht und Zündapp gab uns einen Auftrag für den Entwurf einer modernen 80er, die es bis zur Produktionsreife schaffte.

Honda CBX-Entwurf von Target Design

Honda CBX-Entwurf von Target Design (Quelle: H.-G. Kasten

Zu jener Zeit stand Kreidler bereits mit dem Rücken zur Wand. Von BMW her kannte ich noch den damaligen Kreidler-CEO, Wolf-Dieter Gramatke, der mit einer Modelloffensive das Unternehmen retten wollte. Wir schafften es zwar bis zu einem Messemodell, Kreidler ging aber leider vor einer Serienproduktion die Luft aus und musste Konkurs anmelden. Später kamen noch Aufträge für Sachs dazu, für die wir ein spektakuläres Show-Bike auf die Räder gestellt haben.

Die von Target Design gestaltete Einzylinder-Egli war auf der IFMA 1983 zu sehen

Die von Target Design gestaltete Einzylinder-Egli war auf der IFMA 1983 zu sehen (Quelle: H.-G. Kasten)

Für Kreidler und Sachs entwickelten wir damals die Ideen für ein Monocoque-Motorrad, das auf einfache Weise kostengünstig gefertigt werden konnte. Denn der Kostendruck, ausgelöst von preiswerten Modellen der japanischen Motorradhersteller, war enorm. Die Kreidler „Joker“ hatte eine schneeweiße Verkleidung, unter der ein leichter Monocoque-Rahmen aus Blechpressteilen lag, und durchaus das Potential „Motorrad des Jahres“ 1982 werden zu können.

Die Kreidler Joker ist ein Modellentwurf von Target Design

Die Kreidler Joker ist ein Modellentwurf von Target Design (Foto: www.kreidler-winkelmann.de)

Hin und wieder arbeiten wir auch für BMW. Unser kommerziell erfolgreichstes Projekt war übrigens 1988 die Paris Dakar BMW GS, die an die Erfolge bei der berühmten Wüstenrallye anknüpfte. Allerdings kam der Auftrag nicht vom BMW Designteam, sondern mehr oder minder „inoffiziell“ vom BMW-Teilevertrieb, für den wir einzelne Teile wie Kotflügel, Tank und Sitzbank entwerfen sollten. Wenn daraus aber „zufällig ein neues Motorrad entstünde, sollte dies aber kein Problem sein.“ Dass ungewöhnliche Wege zum Erfolg führen können, zeigt, dass dieses Motorrad Anfang der 1990er Jahre das meistverkaufte BMW-Modell war.

Futuristisches Tagret Design für das Sachs Beast

Futuristisches Tagret Design für das Sachs Beast (Quelle: H.-G. Kasten)

Nippon-Classic: Kann man denn als unabhängiges Designbüro heute alleinig von der Motorradindustrie leben?

Hans G. Kasten: Nein, das ist nur sehr schwer möglich. Aus diesem sind wir bereits seit Jahren breit aufgestellt. Zu unseren langjährigen Kunden gehört beispielsweise auch Hepco & Becker, für die wir verschiedene Koffer- und Gepäcksysteme entwickeln. Aber auch die Gestaltung von Skibindungen für Marker, Dachfenstern, Autositzen für Recaro und Funkgeräten gehören zu unserem Entwicklungsspektrum. Für Detleffs Wohnmobile kreierte target Design die komplette Produktpalette. Zuletzt haben wir auch Elektromotoren für Elektro-Bikes entworfen.

Hepco & Becker Xceed

Hepco & Becker Xceed Koffer (Foto: Auto-Medienportal.Net/Hepco & Becker)

Vielen Dank, dass Sie uns Rede und Antwort gestanden haben.

 

[Anm. der Red.: Vielen Dank auch an Oliver Winkelmann von Kreidler-Winkelmann, der uns die seltene Aufnahme der Kreidler Joker zur Verfügung gestellt hat]