Wenn von Motorrad-Trial-Sport die Rede ist, fallen sofort die klangvollen Namen der ehemaligen Champions wie Rob Shepherd aus Nordengland, Sammy Miller aus Irland; der kürzlich verstorbene Schwede Ulf Karlson sowie die deutsche Trial-Legende Felix Krahnstöver, der hierzulande den Sport in den 80er Jahren populär machte, kommen einem ebenfalls in den Sinn. Passend dazu gab und gibt es in ganz  Europa renommierte Hersteller der speziellen Sportgeräte, die fast ausschließlich in den Fußrasten stehend bewegt werden. Firmen wie die spanischen Hersteller BULTACO, MONTESA (in den 70er Jahren) oder später GASGAS sind Beispiele  iberischen Motorradbaus. Aus Italien gesellte sich Anfang der 80er Jahre BETA dazu, in den wilden 60ern veredelte SEELEY als britischer Rahmenbauer etliche HONDA TL-Typen von 125 bis 200 ccm Hubraum mit hervorragenden Fahrwerken.

Hondas "Bergziege" TLR Reflex

Hondas „Bergziege“ TLR Reflex (Foto: Nippon-Classic.de)

Aber auch aus dem Land der aufgehenden Sonne kamen ab den 1960ern viele wettbewerbsfähige Trial-Motorräder, speziell HONDA und YAMAHA buhlten in den WM-Läufen um die Vorherrschaft. Beide Firmen setzten auf unterschiedliche Antriebskonzepte, während YAMAHA dem Zweitakter treu blieb, befeuerte HONDA seine Trialsportgeräte schon früh mit Einzylinder-Viertakt-Motoren.

Die Honda TLR gab es mit verschiedenen Hubräumen

Die Honda TLR gab es mit verschiedenen Hubräumen (Foto: Nippon-Classic.de)

Trial-Maschine von Honda

Die hier gezeigte Honda TLR 200 Reflex kann auf eine berühmte Ahnenreihe zurückblicken, beginnend mit der Honda TL 125 von 1972, an deren Entwicklung die Trial-Legende Sammy Miller beteiligt war. Wenngleich nie große Stückzahlen dieser eigenwilligen Geländesportmotorräder auf dem europäischen Festland verkauft wurden, entwickelte sich in England (der Wiege des Trialsports) eine sehr rege Szene. Hier wurden entweder gekaufte Basismodelle mit wertigeren Federelementen aufgerüstet, bestehende Motoren in hochwertige Fahrwerks- und Rahmenkits umgebaut oder einfach ein hubraumgesteigertes Triebwerk  in wettbewerbstaugliche Serienrahmen verpflanzt.

Hierzulande ist die Honda TLR 200 eine seltene Erscheinung

Hierzulande ist die Honda TLR 200 eine seltene Erscheinung (Foto: Nippon-Classic.de)

Charakteristisch für Trial-Motorräder sind ein niedriger Fahrzeugschwerpunkt nahe dem Motor (Massenkonzentration), ein Antrieb, der bei niedriger Drehzahl bereits nennenswertes Drehmoment zur Verfügung stellt und ein extrem großer Lenkeinschlag, da das Fahrzeug bei Schrittgeschwindigkeit in den Rasten stehend über Hindernisse hinweg fast nur mit Kupplungs- und Gasspiel im kleinsten Gang bewegt wird. Gemäß der Hausphilosophie Soichiro Hondas kam auch für den Sporteinsatz eh nur ein Viertakt-Triebwerk in Frage.

Die TLR erlaubt einen Lenkeinschlag von mehr als 180 Grad

Die TLR erlaubt einen Lenkeinschlag von mehr als 180 Grad (Foto: Nippon-Classic.de)

Motor und Antrieb der TLR 200 Reflex

Der luftgekühlter Einzylinder-Viertakt-Zweiventil-Motor der Honda TLR 200 Reflex verfügte über  einen Hubraum von 195 ccm und eine obenliegende, kettengetriebene Nockenwelle zur Ventilsteuerung. Mit seinem Bohrung-Hub-Verhältnis von 65,5 x 57,8 mm leistete das  8,2 : 1 verdichtete Aggregat 13 PS bei 5.000 U/min und entwickelte ein maximales Drehmoment von 19 Nm bei 4.000 U/min. Die Gemischaufbereitung wurde durch einen 22 mm Rundschiebervergaser P07A/P08A von KEIHIN erledigt, die kontaktlose CDI-Zündung sorgte verschleißfrei für einen kräftigen Zündfunken. Gestartet wurde der Motor nach Altväter Sitte mit kräftiger Wade mittels Kickstarter.

Durch den 6 Liter fassenden Tank und einer Reserve von 1,5 Litern waren lange Ausfahrten im Gelände mit An- und Abreise auf eigenen Achsen eher eine Seltenheit, gezählt werden bei den Sportgeräten eh ausschließlich Betriebsstunden. Fahrfertig wog die Honda TLR 200 Reflex nur 109 Kilogramm.

Die Kraftübertragung  erfolgte über eine Mehrscheibenkupplung im Ölbad auf ein eng gestuftes 6-Gang-Getriebe via O-Ring-Kette ans Hinterrad.  Die theoretisch erzielbare Höchstgeschwindigkeit lag bei 110 – 120 km/h, meist wurde die Sekundärübersetzung mittels eines Nachrüst-Kettenkits inklusive anderer Beritzelung aber auf Wettbewerbsfahrten im Gelände mit bulliger Kraft bei niedriger Drehzahl abgestimmt.

Die Honda TLR Reflex hatte einen Einzylinder-Viertakt-Motor

Die Honda TLR Reflex hatte einen Einzylinder-Viertakt-Motor (Foto: Nippon-Classic.de)

Fahrwerk und Rahmen

Der Motor wurde, wie beim identisch motorisierten Schwestermodell Honda XR 200 mittragend, von einem unten offenen Ein-Rohrrahmen aus Stahl aufgenommen. Der Rahmen der TLR 200 verfügt als Besonderheit über einen quadratischen Querschnitt für das Oberrohr und den angeschweißten Unterzug, das komplette Rahmenheck und die Aufnahme der Schwinge und der Fußrastenanlage weist dagegen einen runden Querschnitt auf.

Ein kurzer Radstand von 1.315 mm und 78 mm Nachlauf versprechen perfektes Handling

Ein kurzer Radstand von 1.315 mm und 78 mm Nachlauf versprechen perfektes Handling (Foto: Nippon-Classic.de)

Durch den kurzen Radstand von 1.315 mm, den Nachlauf von 78 mm und einen Steuerkopfwinkel von 24° 30´ war das Fahrzeug-Setup komplett auf Handlichkeit und Wendigkeit in engsten Kehren ausgelegt. Zusätzlich war ein Lenkeinschlag von mehr als 180° möglich.

Das Trial-Motorrad hatte vorn eine ölgedämpfte Telegabel mit 160 mm Federweg

Das Trial-Motorrad hatte vorn eine ölgedämpfte Telegabel mit 160 mm Federweg (Foto: Nippon-Classic.de)

Vorne federte eine ölgedämpfteTelegabel mit 160 mm Federweg , hinten sorgte eine konventionelle  Doppelschwinge mit 2 fünffach in der Druckstufe verstellbaren Federbeinen  und 150 mm Arbeitshub für Komfort. Verzögert wurde am 21-Zoll-Vorderrad sowie am 18-Zoll-Hinterrad jeweils durch eine Simplex-Trommelbremse mit einem Durchmesser von 110 mm.

Ohne irgendwelche Modellpflegemaßnahmen wurde die Honda TLR 200 Reflex nach zwei Jahren aus dem Lieferprogramm genommen, da die Abverkäufe nicht den Erwartungen entsprachen. Unverkaufte Modelle aus 1986 wurden auf das 1987er Layout umgelabelt.

Hinten besaß die TLR 200 verstellbare Federbeine mit 150 mm Arbeitsweg

Hinten besaß die TLR 200 verstellbare Federbeine mit 150 mm Arbeitsweg (Foto: Nippon-Classic.de)

Farben

Die Honda TLR 200 REFLEX war serienmäßig in zwei Farbkombinationen unterwegs:

  • rot-weiß-blau (HRC-Colouring)
  • weiß  (rot-blaue Beklebung)

Situation zur Honda TLR 200 Reflex auf dem Gebrauchtmarkt

Im Zentralregister des Kraftfahrtbundesamtes in Flensburg sind derzeitig keine zugelassene Exemplare der Honda TLR 200 erfasst. Bedingt durch die schwachen Verkaufszahlen und der kurzen Verkaufsperiode tauchen fahrtüchtige Exemplare im täglichen Straßenbild extrem selten auf. Von der Vorgängerin Honda TL 125 S sind dagegen aktuell noch 171 Exemplare in Flensburg gelistet. Die Importe, die uns hierzulande erreichen, bewegen sich preislich in Größenordnungen zwischen 2.500 und 4.000 Euro.

Tatsächlich waren die Hauptabsatzmärkte seinerzeit das Vereinigte Königreich und die USA, daher liegen auch bei den einschlägigen Bewertungscharts keine validen Zahlen vor. Für den Interessenten wichtig ist die Tatsache, dass Honda hier mit dem Parallelmodell XR 200 (Enduro) motorseitig, bei den Rädern sowie bei Teilen der Ausstattung und des Fahrwerks mit einer Gleichteile-Strategie gefahren ist.

Gefallen konnte an der Maschine die Ausstattung mit einer 12 Volt Bordelektrik und die erstklassige Verarbeitung inklusive der serienmäßigen Motorschutzwanne aus Aluminium sowie der robuste Motor. Als schwierig stellt sich mittlerweile die Ersatzteilversorgung im Bereich der Plastikverkleidungen, der Tanks und Sitzbänke dar.

Plastikteile der Honda TLR Reflex sind selten und relativ teuer

Plastikteile der Honda TLR Reflex sind selten und relativ teuer (Foto: Nippon-Classic.de)