Hamamatsu, Anfang der 80er Jahre: Als Suzuki die kleinen 4-Takt-DOHC-Twins mit zwei (GS-Reihe) bzw. vier Ventilen (GSX-Reihe) pro Zylinder von 250 ccm bis 450 ccm Hubraum auf den Markt warf, war bei etwas unterhalb von einem halben Liter Hubraum Ende der „Lenkerstange“.
Mit maximal 43 PS beim Zweiventiler Suzuki GS 450 und 44 PS bei der aufwändigeren GSX 400 mit 8 Ventilen und TSCC´s durch speziell geformte Einlasskanalführungen in die beiden wirbelerzeugenden Brennräume (TwinSwirlCombustionChamber) war man den Fans der Marke mit ihrer Forderung nach einem Halbliter-Twin-Aggregat in der 50 PS-Klasse noch etwas schuldig.
Freunde der Twinszene dachten schon mit Wehmut an die Kawasaki Z 750 B, die mit ihrem fast dreiviertel Liter Hubraum und 50 PS einen „Mordswumms“ im unteren Drehzahlbereich entwickelte, bei Yamaha aus Hamamatsu kamen Freunde der Zweizylinder mit der Yamaha XS 650 mit ebenfalls 50 PS voll auf ihre Kosten. Feister Durchzug aus niedrigen Drehzahlen und eine passable Top-Speed von 170 – 180 km/h versprachen sich die Fans von diesen Bikes, aber bei Suzuki war bis 1983…… Fehlanzeige.
Was lange währt…
Die Suzuki GR 650 X (GP 51A) bekam zur Kiellegung 1983 einige technische Finessen mit auf den Weg. Konstruktiv hatten die Ingenieure hier einen DOHC-8-Ventil- 180 Grad- Parallel-Twin mit 651 ccm, 50 PS und einem Drehmoment von 51 Nm auf die wunderschönen Speichenräder gestellt. Das fahrfertig 197 kg schwere Bike erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von knapp 170 km/h und zog schon aus unteren Drehzahlen bärig los. Als Goodies wurden neben dem TSCC (Ansaugluftführung und Brennraumform) eine gegenläufige Ausgleichswelle zur Vibrationsdämpfung und eine zweiteilige Vario-Schwungmasse an die Kurbelwelle gebaut. Der zweite Teil der Schwungmasse „schaltete“ sich per Fliehkraftsteuerung oberhalb von 2.500 U/min Drehzahl ab, um das Hochdrehen zu beschleunigen. Bei Drehzahlen unter 2.500 Touren versprach diese Konstruktion wegen der höheren Kurbelwellenschwungmasse unter Zuschaltung des zweiten Teils ein „Dampfhammer-Feeling“.
Technische und optische Finessen der Suzuki GR 650
Um durchkommende Vibrationen in den Lenkerenden zu eliminieren, lagerten die Mannen aus Hamamatsu den bequemen, etwas höheren Tourenlenker kurzerhand in Gummi, so dass nach längerer Ausfahrt kein Kribbeln in den Fingern auftrat. Größere Touren konnten auf der bequemen Doppelsitzbank mit der angenehmen Sitzposition und der bärigen Motorcharakteristik zum Vergnügen werden, wäre da nicht der mit 12 Litern recht kleine Tank gewesen. Bei 5-6l Verbrauch kam so die „Tank-und Zigarettenpause“ schneller, als einem lieb war. Die klassische Linie der Suzuki GR 650 X „Tempter“ wurde durch viele Chrom-Akzente an Vorder- und Hinterradschutzblech, beim Rundscheinwerfer und dem Soziushaltebügel sowie den schon erwähnten Speichenrädern betont. Die Auspuffkrümmer waren bei der GR doppelwandig ausgeführt, um das hässliche, hitzebedingte „Bläuen“ zu vermeiden und so die chromglänzende Gesamtlinie aufrecht zu erhalten.
Fahrwerk und Bremsen
Die im Motor erzeugte Kraft des im Ausland „TEMPTER“ (Verführer) genannten Mittelklassecruisers wurde mit einem 5-Gang-Getriebe über O-Ring-Kette ans SUZUKI Full-Floater-System-gefederte Hinterrad abgegeben. Hier war das stehende Federbein mehrfach verstellbar. Die GR 650 X verfügte über einen stabilen Doppelschleifen-Rohrrahmen, der über jede Kritik erhaben war. Am Vorderrad tat eine ölgedämpfte Teleskop-Gabel ihren komfortbetonten Dienst, aufgrund des geringen Gesamtgewichts entschloss sich Suzuki zur Einscheiben-Schwimmsattelbremse im Vorderrad, hinten verzögerte eine Simplex-Trommelbremse die Fuhre. Neben dem Touren und gemütlichen Bummeln vertrug das Fahrwerk auch einige sportlich Einlagen, da die Schräglagenfreiheit nicht unerheblich war.
Die GR 650 leistet sich auch ein paar Schwächen
Wie bei vielen der Twins in den GSX- und GS-Baureihen sind hier die Komponenten der Betriebselektrik mit Lima und Regler/Gleichrichter ein neuralgischer Punkt. Durch auftretende Kontaktkorrosion am rechten Lenkerschalter für das Parklicht/Fahrlicht wird durch den hohen Übergangswiderstand die Lichtmaschine (Zuschaltung der 3.Phase) überlastet, danach „verabschiedet“ sich der Regler/Gleichrichter und am Ende ist die Batterie auch „im Acker“.
Häufig litten auch die Zahnradpaare des 3.Ganges durch mangelnde Oberflächengüte an Materialausbrüchen, sog. Pittings. Dies wurde jedoch im Zuge der Modellpflege zum Ende der Bauzeit behoben. Letzter Schwachpunkt war die Membran im Benzinhahn. In vorgerücktem Alter wurde sie inkontinent und entließ ungewollt Treibstoff in die Vergaser.
Suzuki GR650 Marktsituation
Mit diesem sehr stimmigen Paket, das sowohl entspanntes Cruisen, als auch schnelles „Landstraßenräubern“ erlaubte, fand man in Deutschland von 1983 – 1989 jedoch nur 1.600 Anhänger dieses Bikes. Danach wurde die Produktion ohne Nachfolge in aller Stille eingestellt, da der Markt Mitte der 1980er nach Mittelklasse-Sportlern mit 4 Zylindern und deutlich mehr als 50 PS verlangte.
Lt. KBA sind noch 410 Exemplare zugelassen und wenn man eine Maschine aus der letzten Baureihe ergattern kann, die regelmäßig gewartet und gepflegt wurde, ist der Schritt vom Geheimtipp zum Sammlerschätzchen mit Wertzuwachs schnell getan.
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