1972 war der Beginn einer neuen Generation japanischer Motocross Maschinen. Obwohl YAMAHA zeitgleich unter dem Management des Schwedens Torsten Hallmann begonnen hatte, an einem hochentwickelten Motocrosser für ihr GP-Engagement zu arbeiten, war es am Ende HONDA, die Ihnen zuvor kamen – mit einem zu diesem Zeitpunkt revolutionären Werks-Racer: der Honda CR250M Elsinore.
Die CR250M Elsinore war Hondas erstes Zweitakt-Motorrad
Was war passiert? Sochiro Honda, der Gründer der HONDA Motor Company, hatte Ende 1972 den damaligen US National 250ccm Class Sieger Gary Jones davon überzeugt, künftig für HONDA zu starten. Ein guter Schachzug, denn Jones brachte dadurch bereits die prestigeträchtige Startnummer eins mit in den HONDA Rennstall. Nach einigen Testläufen mit 250ccm Viertaktern, die technisch überzeugend entwickelt waren, aber nicht konkurrenzfähig genug, um bei der kommenden Meisterschaft ernsthaft vorne mitfahren zu können, änderte man schließlich den Plan. HONDA ließ Jones nun einen neu entwickelten Zweitakter ausprobieren. Es war der Prototyp der Elsinore. Die Honda CR250M Elsinore war der erste Zweitakter des japanischen Herstellers überhaupt, mit dem man ganz nebenbei mit alten Grundsätzen brach. Die Tests verliefen erfolgreich. Die Mission hieß ab sofort: Team HONDA um Gary Jones sollte eine eigene Nummer eins für ihre Startnummerntafel erringen. Und das mit ihrem neuen 250ccm Werks-Production-Racer, der Honda CR250M Elsinore.
Elsinore – eine kühne Namensgebung für den Werks-Racer
Dem neuen Renner den Namen der kleinen kalifornischen Stadt Elsinore zu geben, in der alljährlich ein bekannter Motocross Grand-Prix stattfand, war dabei für HONDA genauso kühn wie der Entwurf dieses Motorrades an sich. Bereits im Frühjahr 1973 kam die neue Elsinore in die Showrooms der Händler. Schwärmerische Berichte in Motocross Magazinen heizten die ohnehin schon hohe Erwartung an.
Die CR250M war allem, was bislang auf dem Markt war, überlegen. Nicht nur in Sachen Ergonomie, Gemischaufbereitung, Verlässlichkeit und Materialeinsatz setzte HONDA mit der Elsinore einen Standard, der sich unter den japanischen Herstellern schnell als Norm etablierte. In einer Zeit, in der die meisten europäischen Motocrosser immer noch mit Fiberglas- oder Stahlkotflügeln sowie prähistorischen Bedienelementen daherkamen, bot HONDA mit der Elsinore ihren Kunden einen superleichten, wettbewerbsfähigen und benutzerfreundlichen Motocross-Racer „out of the box”.
Stilikone Steve McQueen setze die Elsinore ins rechte Licht
Was die CR so begehrenswert machte, waren dabei nicht nur die verheißungsvollen Presse-Artikel, die von neuen Handling- und Performance-Bestwerten zu berichten wussten. Einen großen Anteil an dem bis heute nachwirkenden Kult hatte auch die wohlplatzierte Marketing-Kampagne, in der Stil-Ikone, Rennfahrer und Schauspieler Steve McQueen eine neue Honda CR250M werbewirksam im eng geschnittenen ELSINORE-Jersey dynamisch durchs Wüsten-Outback scheuchte.
Die CR250M bringt ein absolut zeitloses Design mit
Doch auch ihr atemberaubender Auftritt blieb nicht ohne Wirkung für den Betrachter. Vom schlanken, gebürsteten Aluminium Tank, den silbernen Seitendeckeln bis hin zu den Aluminium-Dämpfern mit gegossenen Kühlrippen: Hondas zurückhaltendes Understatement im Design der Elsinore wirkte fast zeitlos, aber überaus elegant und dabei enorm kraftvoll. All das machte die Elsinore zu einem hoch attraktiven Gesamtpaket, auf das viele gewartet hatten. Um die Geschichte kurz zu machen: Gary Jones gewann den Titel 1973. Direkt in seinem ersten Jahr für HONDA – direkt im ersten Produktionsjahr der Elsinore.
HONDA hatte den Motocross-Sport neu aufgerollt
Mit einer bezahlbaren, superleichten, ergonomischen und verlässlichen Werksmaschine, deren Performance brave Wochenendfahrer über Nacht zu echten Helden werden ließ, hatte Honda einen echten Coup gelandet.
Ein Blick auf die Startfelder in den frühen Siebzigern genügte, um diese Behauptung eindrucksvoll zu belegen: ganze Seen aus silbernen Tanks mit grünen Blitzern prägten an allen Renntagen das Bild. Schnell waren Teile und Komponenten verfügbar, um aus der Werksmaschine noch mehr Leitung heraus zu kitzeln. Doch auch im Serienzustand war die Elsinore bereits ein beeindruckendes Kraftpaket. Mit 29 PS bei 7500 U/min. brachte sie mehr Leistung auf den Prüfstand als jede andere bislang gemessene 250ccm Maschine. Motorgehäuse aus hochwertigem Magnesium, Aluminium-Felgen und Aluminium-Gabelbrücken verhalfen ihr darüber hinaus zu nur knapp 97 kg Leergewicht. HONDA gab allerdings keinerlei Garantie auf irgendetwas, wie auf dem kleinen Aufkleber auf der mattgrünen Tankoberseite zu lesen stand: „CR250M Motorbikes are sold without any warranty. The entire risk as to Quality and Performance is with the buyer”. Selbst das störte die hungrige Kundschaft nicht. Für einen Ladenpreis um 1.000 Dollar angeboten, verkaufte sich die CR250M fast von alleine.
Erst 1980 folgte die CR250R nach
Doch wie viele rauschende Erfolge hatte auch diese Party schließlich ein Ende: nicht viel später hatte die Konkurrenz nachgezogen, und HONDAS eben noch gleißender Stern verblasste wieder angesichts neuerer, leichterer und leistungsstärkerer Herausforderer. Es sollte Jahre dauern, bis man 1980 mit der CR250R wieder an die alten Erfolge anknüpfen konnte.
Die Ur-Elsinore ist heute super selten
Die legendäre Ur-Elsinore mit dem Model-Code 357 wurde nur zwei Jahre – von 1973 bis 1974 – gebaut und gilt mittlerweile – insbesondere hierzulande – als super seltene Vertreterin ihrer Art. In Europa und insbesondere Deutschland praktisch nicht nennenswert vertrieben, muss man schon über den großen Teich blicken, wenn man heutzutage eine CR250M aufspüren will.
Leider sind die hier und da auftauchenden Exemplare über den ganzen Kontinent verteilt, ihr Zustand meist erbärmlich. Darüber hinaus lässt die im Prinzip nicht vorhandene Ersatzteil-Situation die Preise für alles, was original ist, schlicht überkochen. So ist es gerade im Fall der CR250M das A und O, eine möglichst komplette Maschine zu ergattern, da anderenfalls die Investitionen für Fehlteile schnell über den Horizont hinaus schießen.
Die hier gezeigte CR250M Elsinore stammt aus dem Baujahr 1974. Die reichlich gebrauchte Maschine befand sich immerhin weitestgehend im Originalzustand. Sie wurde zwischen 2015 und 2016 komplett überholt und aufwändig originalgetreu restauriert. Und obwohl sie es heute sicher wieder mit derselben Leichtigkeit wie in ihrem Produktionsjahr könnte, wird die hübsche Elsinore wohl nicht mehr zeigen müssen, was sie auf der Cross-Strecke kann. Eine Legende darf sich auch einmal ausruhen.
(Text: Markus Lehmann)
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