Von Genex und Oldtimern im Osten
Wer eine großzügige Verwandtschaft westlich des Grenzzauns hatte, konnte sich zu Zeiten der damaligen DDR durchaus ein japanisches Motorrad in die Garage stellen. So fanden sich 1976 die Yamaha RD Modelle (RD 250 und RD 350) im sog. „GENEX“-Katalog, einer eigens gegründeten Geschenkdienst- und Kleinexporte GmbH (kurz: GENEX). Allerdings suchten sich die meisten mit einer solch gönnerhaften Familie in der Regel kein Motorrad sondern ein beliebtes Auto aus. So wundert es nicht, dass von 1981 bis 1988 immerhin 13.312 VW Golf den Weg in den damaligen Ostblock fanden, aber nur eine verschwindet geringe Anzahl Motorräder.
Aus den zahlreichen Importen von VW, Peugeot und Mazda entwickelte sich auch ein Schwarzmarkt für die begehrten und unerreichbaren Fahrzeuge. Zudem, und das dürfte den meisten nicht bekannt sein, bestand in der damaligen DDR auch eine große Oldtimerszene. Denn vor dem Mauerbau gab es eine große Anzahl an Oldtimern aus der Vorkriegs- und der Wiederaufbauzeit. In meiner Jugend habe ich in den 1970er Jahren eine Adler M 200 gefahren. Im Alltagsbetrieb besaß ich eine MZ TS 250. Die Oldtimer-Szene war weit verbreitet. Aber es fehlten damals halt moderne Maschinen aus dem Westen. Wir waren auf das angewiesen, was aus dem Ostblock kam, wie die Jawa oder die Panonia aus Ungarn. Es war damit etwas eintönig.
Zu jeder Schraube könnte ich eine Geschichte erzählen.
Die damalige Situation ist ganz gut mit der aktuellen auf Kuba vergleichbar. Nur mit Improvisationstalent und guten Beziehungen zur Ersatzteilbeschaffungen konnten wir die alten Schätzchen erhalten. Aus dieser Mangelwirtschaft heraus entwickelten sich auch eine ganz andere Beziehungen zu den eigenen Fahrzeugen. Wir haben uns unter schwierigen Bedingungen ein Motorrad in schlechtem Zustand gekauft. Und unter größtmöglichen Schwierigkeiten wurden Ersatzteile besorgt. Man kannte immer jemanden, der schweißen, drehen und fräsen konnte. Da wurden Ersatzteile selbst angefertigt. Über jede Schraube an meiner Suzuki GT 500 könnte ich heute etwas erzählen.
Der Ursprung der ganzen Geschichte ist mein verstorbener Onkel. Der war total motorradbegeistert. Er ist nicht nur unheimlich gern Motorrad gefahren, sondern hatte auch ausgesprochen gern Motorräder repariert und sich mit der Motorradgeschichte in Deutschland und international intensiv auseinandergesetzt.
Als Kfz-Elektriker hat er in der Oldtimerszene, die landauf, landab im Osten bestand, die Verkabelung vieler Oldtimer vorgenommen und kannte sich dadurch wirklich gut aus. Dank seiner vielen Kontakte hatte er sich mit der Zeit eine beachtliche Motorradsammlung aufgebaut. Das waren überwiegend Vorkriegsmodelle, wie BMWs, DKWs und Wanderer. Natürlich befanden sich in der Sammlung auch Jawas, CZs oder MZs. Er hat eigentlich alles, was mit Motorrädern zusammenhing, gesammelt. Jedes unscheinbare Teil hatte mein Onkel aufgehoben und gesammelt.
In den 1970er Jahren bin ich dann in die Sache mit hineingewachsen. Es verging eigentlich kein Wochenende, an dem nicht irgendwelche Motorräder auf dem Hof standen und Freunde und Bekannte bei uns vorbeischauten. Er hat mit uns als Familie jede Möglichkeit wahrgenommen, Motorradrennen zu besuchen. Ob es das Schleizer Dreiecksrennen war oder der Sachsenring, auf dem bis 1972 noch Weltmeisterschaftsläufe ausgetragen wurden. Wir sind aber auch bis ins tschechische Brünn (Brno) und Most gefahren.
Mein Onkel besuchte die zu dieser Zeit aufkommenden Motorradtreffen, vor allem in tschechischen Most und Poverly. Dort konnte er internationale Kontakte knüpfen, insbesondere zu Motorrad-Fans aus der Bundesrepublik. Aus der Situation heraus entwickelten sich jahrzehntelange Freundschaften über Grenzen hinweg. Die westdeutschen Motorradsammler interessierten sich sehr für die alten Vorkriegsmodellen, von denen es ja sehr viele auf dem Gebiet der damaligen DDR gab. Und mein Onkel wollte unbedingt ein paar neuere Modelle in seine Sammlung aufnehmen. Es gab also beiderseits Begehrlichkeiten.
Eine bemitleidenswerte GT 500 wird zur Grenzgängerin
So wurde nach Wegen gesucht, um die gesuchten Oldtimer-Motorräder über die Grenze zu bekommen. Es gab eine Möglichkeit beim „Amt für Außenhandel der DDR“ einen Antrag für einen Import zu stellen. Freunde meine Onkels aus Bergisch Gladbach hatten eine verunfallte Suzuki GT 500 aus erster Hand erstanden und deklarierten die 1976 zugelassene Maschine als Geschenk. Die ostdeutschen Behördenmühlen zeigten sich doch tatsächlich von ihrer schnellen und unbürokratischen Seite und stimmten dem Antrag zu. Die Suzuki GT 500 mussten natürlich „taxiert“ werden und eine Gebühr war selbstredend auch fällig. Die Formalitäten waren damit geklärt.
So stand dann im Sommer 1983 eine GT 500 bei uns auf dem Hof, über die ich als damals 25-jähriger nur bedingt staunte, hatte ich doch inzwischen selbst einige Maschinen in meinem Fundus. Hinzu kam, dass die Suzuki nach sieben Jahren Lebenszeit in einem sehr schlechten Zustand zu uns kam. Sie hatte bereits diverse Unfälle hinter sich, der Tank war verbeult, die Auspuffanlage hatte mehrfachen Bodenkontakt und die Sitzbank war aufgeschlitzt. Sämtliche Chromteile, von der die Suzuki GT 500 etliche an Bord hat, waren aufgrund winterlicher Einsätze ebenfalls in einem miserablen Zustand. Die Maschinen wurden damals als reiner Gebrauchsgegenstand betrachten und ziemlich „heruntergeschrotet“. Pflege? Fehlanzeige! Es gab, wie auch bei den leistungsstarken Kawasaki Triples, nur zwei Modi – „Stillstand“ oder „Heizen“.
Mein Interesse an der Suzi änderte sich schlagartig als mein Onkel mir eine Probefahrt anbot. In Shorts, Shirt und Badeschlappen hockte ich mich also auf den Bock und fuhr eine ansteigende, langgezogene Landstraße hoch und drehte den Gashahn richtig auf. Wow, was war das denn? Der Unterschied zu meiner 16 PS „starken“ MZ war nicht nur beeindruckend, sondern ein gewaltiger Unterschied zu dem, was ich bisher kannte und gewohnt war. Man, hatte die Suzuki Dampf auf dem Kessel.
Die Restauration der Suzuki GT 500 wurde penibel dokumentiert
Danach verschwand die GT 500 für zwei Jahre in der Versenkung oder besser gesagt in der Garage. Mein Onkel hat die Maschine zwei Jahre lang restauriert. Leider hat er die Restauration nicht mit Fotos dokumentiert. Allerdings vermerkte er, fast schon pedantisch, handschriftlich mit Skizzen die einzelnen Arbeitsschritte der Zerlegung für den späteren Wiederaufbau.
Er zerlegte den Oldtimer komplett in seine Einzelteile und sparte davon auch den Motor nicht aus. Er hat dann sämtliche Teile komplett aufgearbeitet. Es hat alles zwar sehr lange gedauert, aber was mein Onkel anfasste hatte Hand und Fuß.
In vollständigen Listen dokumentierte er sämtliche Teile, die er beispielsweise zum Verchromen brachte. Handschriftlich hielt er für diese Restaurationsarbeit 36 Positionen mit insgesamt 229 Teilen fest. Also jede Speiche, Speichen-Nippel oder Schraube war penibel dokumentiert. Schließlich wollte er auch das Teilepakte auch wieder vollständig zurück. Sandstrahlen, grundieren und lackieren machten 19 Positionen mit insgesamt 28 Teilen aus. Der komplette Rahmen, der Batteriekasten, Luftfilterkasten usw. wurden von Grund auf erneuert.
Alle möglichen Schrauben, Unterlegscheiben und Sicherungssplinte erhielten eine schützende Zinkschicht. Nicht weniger als 28 Positionen mit 94 Teilen nahmen also ein Galvanikbad und wurden komplett aufgearbeitet. Jede Schraube tauchte mein Onkel vor Verwendung zusätzlich in Schutzwachs. Rost bekam keinen Hauch einer Chance sich auf der GT niederzulassen. Alles wurde perfekt konserviert.
Mit Rückkehr der aufgearbeiteten Teile setzte mein Onkel dann die Maschine wieder Stück für Stück zusammen. Freunde, die bei der Beschaffung der Suzuki halfen, organisierten zudem das eine oder andere im Osten nicht erhältliche Ersatzteil. So war die Auspuffanlage nicht mehr zu retten. Einen Ersatzmotor und eine zweite Kurbelwelle besorgten sie ebenfalls zur Sicherheit und brachten diese im Kofferraum beim nächsten Besuch mit. Aus den einzelnen Besuchsfahrten entstand mit der Zeit ein ordentlicher Fundus an Ersatzteilen. Jede Möglichkeit wurde genutzt, um an Teile heranzukommen. Nach erfolgtem Wiederaufbau der GT 500 im Jahr 1985 hätte mein Onkel die Maschine also noch einige Jahre in Schuss halten können. Niemand ahnte zu jener Zeit, dass der „Eiserne Vorhang“ vier Jahre später fallen sollte.
Den bundesdeutschen Kfz-Brief zog die Zulassungsbehörde 1985 ein. Vermutlich störten sich die ostdeutschen Behörden an dem „provozierenden“ Staatswappen der BRD. Den neu ausgestellten DDR Kfz-Brief stempelten die Mitarbeiter der Zulassungsstelle mit folgendem Zusatzvermerk ab: „Ein Übertrag aus dem Kfz-Brief (West) mit Nr. 54923648 […mit der…] Einfuhrgenehmigung Nr. 00362“. Es stand damit nichts mehr im Wege die frisch restaurierte Suzuki GT 500 auf den holprigen Straßen im Zwickauer Land zu bewegen.
Mein Onkel fuhr die Maschine fünf Jahre lang, erkrankte 1990 leider schwer und legte seine ganzen Motorräder noch im selben Jahr still. Nach seinem tragischen Tod kurze Zeit darauf fiel die GT 500 in einen 18 Jahre dauernden Dornröschenschlaf. Meine Prioritäten lagen in den frühen 1990er Jahren ganz klar woanders. Beruf und Haussanierung ließen einfach keine Zeit für ein schönes, aber auch zeitaufwändiges Hobby auf zwei Rädern.
2008 kehrte wieder etwas Ruhe in mein Leben ein und ich wollte das eingemottete Chromjuwel in der Garage wieder auf die Straße bringen. Ich wechselte alle Schmiermittel und das Benzin, verschiedene Dichtungen wurden ausgetauscht und die GT 500 bekam ohne Probleme einen neuen TÜV. Seit dem fahre ich mit dem Erbstück regelmäßig zu diversen Oldtimertreffen und unternehme kleinere Touren in der Umgebung. Ich habe zwar noch andere Oldtimer, die auch bewegt werden wollen, aber die Leistungsentfaltung der Suzuki ist doch einzigartig und macht das Fahren jedes Mal zu einem Erlebnis.
Heute ist die Maschine weitestgehend im Originalzustand. Nur die ursprüngliche Lackierung aus „Candy Calypso Red“ wich aufgrund der Unfallschäden einem Farbton in „Kupferbraun Metallic“. Nach 38 Jahren habe ich zudem die inzwischen verhärteten Metzlerreifen gewechselt und durch Heidenau Pneus ersetzt, die in ihrem Profil sehr nah an die originalen Schlappen herankommen. Auch der Sitzbezug stammt aus der Hand eines ansässigen Sattlers. Deswegen fehlt der Schriftzug am Heck. Der Rest ist original.
(Text, Bilder: Volker Kändler)
Echt Klasse die GT 500. Ich habe vor mir auch eine Zweitakter-Rakete aus den 70ern zu kaufen. Ist zwar
nüchtern und wirtschaftlich gesehen, Quatsch aber trotzdem, ich brauche die Zweitaktfahne und die
Entfesselung der Power ab einer bestimmten Drehzahl. Ist eigentlich in meinem Fall auch Quatsch, denn ich habe eine Yamaha XJ 900 F mit 94 PS. Aber trotzdem, das Feeling auf so einem Zweitakter ist doch ganz anders. Wenn ich eine kaufe, dann eine GT 250. Die ist mir flott genug. Ich bin Anfang der 80er mal kurz mit so einer gefahren. Das war das erste Motorrad mit dem ich gefahren bin. Ich weis noch ganz genau, wo ich damit gefahren bin. Die Maschine hatte so eine bissige Beschleunigung und die Straße hinter mir war einen Kilometer in blauen Qualm getaucht. Ein unvergessliches Erlebnis, besonders weil ich vorher motorisiert fahren nur von meinem Mokick mit
2,9 PS kannte. Hatte auch ein bisschen gequalmt aber kein Vergleich mit einer Suzuki GT 250. Aber bis jetzt ist es nur ein Traum von mir, ich muss erstmal so ca, 3000 Euro auf der hohen Kante haben.
Aber wenn sollte es eine mi Ram Air sein, soll im normalen Drehzahlbereich besser sein als das A-Modell ab Bj. 76 und sieht geiler aus. In meiner Motaradfahrerlaufbahn hatte ich zwei Zweitakter eine Yamaha RD 250 und eine MZ TS 250. Wenn ich die Yamaha mit der Suzuki vergleiche, fällt die Yamaha schlechter aus. Die ist dagegen eine lahme Ente. Die MZ ist eh mit ihrem einem Zylinder mit 19 PS in einer anderen Klasse. Aber mit der war ich voll gepackt mit Sozia auf Campingurlaub in Irland. Hatte nach hunderten von Kilometern auf der Autobahn in Wales zwar einen Kolbenklemmer,
aber ich hatte vorsorglich einen Kolben und einen Zylinder mit genommen. Auswechseln ist da nur eine halbe Stunde Arbeit. Nicht ganz so lustig war ein Vorfall mit der MZ nachts auf der Autobahn. Da ist mir bei Tempo 110 das Lager von der Getriebeausgangswelle abgeschmiert. Das bedeutet aprupte Blockade des Hinterrades. Ich dachte, wenn das Hinterrad mal blockieren sollte, rutscht das Motorrad einfach geradeaus, bis es stehen bleibt. Aber ich sah in der Praxis war es doch anders. Das Motorrad pendelt ab Drehpunkt Lenkkopf im 45 Grad Winkel abwechselnd nach recht und links. Mit akrobatischen Bewegungen konnte ich aber einen Sturz vermeiden. Ich stand nur eine halbe Stunde mit schlotternden Knieen an der Leitplanke und hab auf den ADAC gewartet. Mit meiner Yamaha XJ 900F bin ich eigentlich voll zufrieden, ich hab sie 8 Jahre und es war noch nie was dran. Sie ist sehr zuverlässig und hatte noch nie eine Panne. Außerdem hat sie eine Kardanwelle, was ich gegenüber Kettenantrieb bevorzuge und mit 94 PS hat man echt schon was unter dem Hintern.