„Verurteilt zum Einschlafen!“ oder „ Eine zu geniale Erfindung, um sie sterben zu lassen!“ Zwischen diesen beiden Extremen pendelten und pendeln noch heute die Meinungen zum Wankelmotor. Der Motor selbst liefert dabei den größten Widerspruch: er ist so einfach, dass man ihn nur schwer begreifen kann. Er braucht für die gleiche Arbeit weniger Teile. Und doch ist er teurer in der Herstellung:

„Was ist das denn?“ muss wohl 1959 die Frage des Journalisten Dieter Korp gewesen sein, als er in Lindau am Bodensee zum ersten Mal Felix Wankel gegenüber saß und der Gastgeber etwas auf einen Notizblock skizzierte, das wie eine verunglückte Acht aussah und später zu Berühmtheit erlangen sollte. Das Datum 13.4.1954 ist auch der Tag, an dem die Möglichkeit des „Viertaktens“ erkannt wurde.

Wankel-Pionier NSU RO 80

Im August 1967 erschien dann der NSU RO 80 mit diesen außergewöhnlichen Keilform. So sah zu dieser Zeit kein anderes Auto aus.

Auf der Suche nach einem Namen hatte man zuerst an „Rotary“ gedacht, auch „Rota“ wurde erwogen, aber es gab schon eine Marke mit diesem Namen, wenn auch in einer anderen Branche. So einigte man sich schließlich auf „RO“. Geblieben – auch von den anderen Plänen – war die magische „8“ nur noch in der Typbezeichnung 80.

Als Verkaufspreis wurden ungeheure 14.150 DM angesetzt, rund 75% mehr als bei der ersten Planung angenommen. Die Garantie betrug 30.000 KM pro Jahr, drei mal so viel wie damals üblich.

Bei Daimler-Benz argumentierte man dies mit: „Die 30.000 Kilometer Garantie kann eigentlich nur einen Sinn haben: man möchte die neuen Autos mit den neuen Aggregaten möglichst lange sozusagen „unter Kontrolle“ haben. Ein Kunde, dem 30.000 km zugesagt werden, der wird gewiss sehr regelmäßig alle Inspektionen machen lassen. Und NSU sammelt so Erfahrungen ohne Risiko. Denn wenn NSU wirklich von der Qualität des Kreiskolbenmotors so überzeugt ist, dann kann doch eigentlich weder bis 10.000 oder bis 30.000 Kilometern Laufstrecke irgendetwas Ärgerliches passieren, wofür NSU einzustehen hätte.“ So weit dazu.

NSU RO 80

Futuristisch: Motor und Design des NSU RO 80 (Foto: Lothar Spurzem / Creative Commons / CC BY-SA 2.0)

Wie bei allen neuen Sachen gab es Anlaufschwierigkeiten, so auch hier. Die Produktionszahlen waren wegen dieser Schwierigkeiten und der unterbliebenen Modellpflege nicht hoch. Eine ursprünglich angestrebte und kalkulierte Stückzahl von 50 bis 70 Wagen pro Arbeitstag erreichte NSU nicht.

Diese Kinderkrankheiten wirkten sich noch hemmend aus, als der Motor längst den Beweis der Zuverlässigkeit und Langlebigkeit erbracht hatte. „Ist der Ruf erst ruiniert…“, so erging es auch dem RO 80.

Von Beginn der Produktion 1976 bis einschließlich 1974 wurden 33.910 Fahrzeuge hergestellt. 1973 wurden täglich nur etwa 14 und 1974, dem Jahr der allgemeinen Konjunkturschwäche, nur noch 4 bis 6 Fahrzeuge pro Tag gefertigt. Der NSU RO 80 hätte als Träger einer Idee- vor allem gegenüber den Inhabern einer dann meist teuer erworbenen Lizenz- und als ausgezeichnetes entworfenes und sicheres Auto einen bevorzugten Platz in der Geschichte des Automobils verdient.

Wankelmotor-Lizenzen für Japan

Nach dem Zweiten Weltkrieg mit Kopien europäischer Technik groß geworden, hatte man diese zuerst verfeinert und danach mit eigenen Ideen Weltmärkte für sich erobert, besonders auch auf dem Motorradsektor. Trotzdem schaute man immer mit einem Auge auf die „alte Welt“ und hatte die Ohren offen für innovative Neuerungen.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass schon am 24. November 1970 Suzuki eine Lizenz von Wankel erwarb für „Otto-Motoren von 20-60 PS für Motorräder. Toyota zog am 25. Mai 1971 nach mit der Lizenz für „ Otto-Motoren von 75-150 PS für alle landgebundenen Fahrzeuge“ und, oh Wunder, Yamaha am 28. August 1972 mit „Otto-Motoren von 20-80 PS für Motorräder. Auch Kawasaki erwarb einen Monat später auch so eine Lizenz wie Yamaha. Nur Honda hielt sich noch vornehm zurück – ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Hier ist also nun die Geschichte des Suzuki RT-Projektes (RT=Rotary Twin). Die ganze Sache kann man nur verstehen, wenn man die Gedanken und die damalige Vorgehensweise von Suzuki kennt. Dies ist ein Versuch.

Die Geschichte der Suzuki RE 5 mit Wankelmotor

Das RT-Entwicklungsprogramm war ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für Suzuki. Die Entscheidung, ein Motorrad mit Kreiskolbenmotor nur für eine ganz spezielle Veranstaltung zu entwickeln hinterließ einen derart tiefen Einschlag bei Suzuki, dass es das ganze RT-Programm und sogar das Fundament der Gesellschaft erschütterte. Diese Entscheidung veränderte ihre Strategie, ihren Kurs für die Zukunft und den gesamten Fahrplan für die Produktion der RE 5.

Suzukis Motorrad-Entwicklungspolitik war eigentlich immer: „Plane für heute mit dem Blick auf morgen“ gewesen. Dies waren feststehende Maßnahmen, um Entwicklungen für die Zukunft verwirklichen zu können.

Suzuki Wankelmotor

Wankelmotor der Suzuki RE 5 (Foto: Alf van Beem)

Betrachtet man sich die Suzuki RE 5, so fallen gerade solche Sachen wie ein übergroßer Lüfter, der große Ölkühler, doppelte Zeiger, große Lichtmaschine, sehr große Luftfilter, die dreistufige CDI-Box sowie der monströse Vergaser und die zwei vorderen Bremsscheiben mit 295 mm Durchmesser auf. Dies alles war zwar für den Motor von heute mit dem Einzelrotor gefertigt, aber eigentlich für den Twin von morgen entwickelt worden.

Anfang August 1972 war Suzuki mit dem geheimen Wankelprojekt gut vorangekommen. 12 RX-Motoren-Prototypen mit Einzelrotor wurden in allen Bereichen getestet. Zur gleichen Zeit hatten die Ingenieure einen Zweikammermotor fertig gezeichnet und begannen mit einem zweiten Entwicklungsteam zusammen zu arbeiten, um einen Prototyp davon herzustellen. Suzuki wusste jedoch, dass dieser Zweikammermotor derjenige der nächsten Generation in nur wenigen Jahren sein würde und traf daher schon mal Maßnahmen zur Fertigung.

Jedoch hatte der Einkammermotor oberste Priorität in Sachen Produktion sowie kaufmännischen Gesichtspunkten und der Twin kam daher erst an zweiter Stelle. In der Zwischenzeit zeigten tägliche Berichte der 12 Prototyp-Motoren, dass die neuen verbesserten Ausführungen zwar gut liefen, aber von Zeit zu Zeit doch leider noch klemmten. Das Suzuki Marketing war trotzdem erfreut über die Ergebnisse und bestellte zwei RX-Prototypen und ein Schnittmodell von ihrer Produktionsabteilung, um diese als einen Teil bei der bevorstehenden Tokyo Motor Show im Oktober 1972 mit auszustellen.

Die große Enthüllung auf der Tokyo Motor Show 1972

Die Tokyo Motor Show ist „die Mutter“ aller Motorshows. Jeder, der etwas auf sich hielt, war schon dort. Diese Show gab jedem Hersteller eine weltweite Plattform, um seine neuesten Motorräder für die Saison 1973 vorzustellen. Es war aber auch eine Gelegenheit für die Hersteller, den Appetit von Publikum und Presse durch das Ausstellen von Prototypen sowie neuen Konzepten anzuregen. So hielt das Marketing von Suzuki es für eine gute Idee, dort Ihre RX-Prototypen und auch das Schnittmodell des Twins auszustellen, denn man wollte die Katze noch nicht ganz aus dem Sack lassen.

Doch irgendetwas musste bei der obersten Führung wohl durcheinander geraten sein, denn man war enttäuscht von der Entscheidung, ohne die Rotationsmotoren nach Tokyo zu gehen. Im Oktober 1972 präsentierte Suzuki phantastische 42 Maschinen für die kommende Saison 1973. Mittig platziert stand die Suzuki GT 750 K mit dem Dreizylinder-Zweitaktmotor. Das ganze Suzuki-Entwicklungsteam war mit auf der Show und betrachtete aufgeregt das, was die Konkurrenz für 1973 anzubieten hatte. Nachdem man drei ausgedehnte Rundgänge durch die Ausstellung gemacht hatte, traf man sich am Suzuki Stand wieder und verglich die Notizen, die jeder gemacht hatte.

Das Endergebnis war, dass Suzuki die beste Schaustellung, die großartigsten Maschinen, die meisten Zuschauer und auch Presseleute hatte als alle anderen. So weit man bei dem Wettbewerb sehen konnte, hatte Honda nichts anderes als einige „ aufgewärmte“ Modelle von 1972, Kawasaki hatte eine neue Dreizylinder-Maschine anzubieten – na wenn schon. Yamaha, die direkt gegenüber von Suzuki ihren Stand hatten, stellte einige moderat überarbeitete Modelle aus – na ja.

Das einzig bemerkenswerte bei Yamaha war ein mit Stofflaken abgedecktes Podest mit einem Schild daran, welches besagte, dass das Geheimnis darunter um genau 12.00 Uhr gelüftet werden sollte. Keiner vom Suzuki Entwicklungsteam maß dem aber eine besondere Bedeutung bei.

Ca. um 11.45 Uhr wurde eine Menge Reporter gesichtet, die sich um das Podest verteilten. Dieses begann sich nun langsam zu drehen. Das schien schon interessant genug zu sein, um einige Suzuki Leute zu Yamaha gehen zu lassen, wo der Besucherandrang langsam auch größer wurde.

Yamaha GL 750

Die Yamaha GL 750 sorgte ein Jahr zuvor für Furore (Quelle: Yamaha Motor France)

Ein Reporter meinte gehört zu haben, dass Yamaha eine neue, verbesserte Version ihres wassergekühlten GL-750 Prototypen mit Vierzylinder-Zweitaktmotor mit Einspritzung zeigen würden, der fertig für die Produktion sei. Gerüchte machten jetzt überall die Runde und man wartete gespannt auf die Dinge, die da kommen sollten.

Punkt 12 Uhr gingen Scheinwerfer an und Fanfaren ertönten. Dieser ganze Hype interessierte jetzt jede Menge Leute, die sich in den Gängen zum Yamaha-Stand schon gegenseitig auf die Füße traten. Alle Augen starrten auf das verhüllte Podest. Zwei wohlgeformte, lächelnde japanische Models kamen heran und gingen langsam um das sich drehende Podest herum und zeigten dabei auf einige von dem Laken verdeckte Ausbuchtungen. Dadurch wuchs das Interesse der Menge noch mehr und ließ diese noch enger heranrücken. Die sich drehenden Scheinwerfer stoppten dann, die seitlich angebrachten übernahmen jetzt die Beleuchtung und tauchten das Podest in gleißendes Licht. Die zwei Models traten zurück, klatschten laut in die Hände und in dem Moment wurde die Abdeckung nach oben weggezogen und enthüllte… die neue Yamaha RZ 201 mit einem Zweikammer-Wankelmotor.

Die Menge applaudierte, brüllte oohh und aahh! Das Motorrad war eine Schönheit. Kameras blitzten überall auf.

Sich weiter langsam drehend, beleuchteten die Scheinwerfer oberhalb des Podestes den metallic zimtbraun lackierten Tank mit den weißen Streifen und die dazu farblich passend gegerbte Ledersitzbank. Die unteren Scheinwerfer ließen den Lüfter, das verchromte Abdeckgitter des Kühlers, die Seitendeckel, Auspuffanlange sowie Schutzbleche und Felgen erstrahlen. Die Yamaha war absolut außergewöhnlich und stahl allen die Show.

Unzählige  Reporter mit hunderten von Fragen waren plötzlich da. Der Verantwortliche von Yamaha erklomm das Podest und erklärte, dass die Yamaha RZ 201 einen wassergekühlten Zweischeiben-Wankelmotor mit Ölkühler, 662 ccm und 68 PS bei 6.500 U/min hätte und dazu noch zwei Keihin Vergaser.

Yamaha RZ 201

Yamaha stahl mit der RZ 201 Suzuki die Show (Quelle: Yamaha Motor France)

Man sah auch, dass die zwei Rotoren oberhalb eines 5-Gang Getriebes angeordnet waren wegen besseren Masseausgleichs, Handlichkeit und Service. Die Rotoren des Yamaha-Wankelmotors wurden durch eine dreifache Duplexkette angetrieben und durch das neu entwickelte CCR-System (Charge Cool Rotor) geschmiert. Das Luft/Benzingemisch der Vergaser wurde zusätzlich mit Öl angereichert, um für Kühlung und Schmierung des Twin Rotors zu sorgen.

Die Yamaha RZ-201 verfügte ferner über zwei Scheibenbremsen vorn, die unabhängig voneinander arbeiteten und sich daher gegenseitig nicht negativ beeinflussten. Auch gab es als Neuheit im Hinterrad eine hydraulisch betätigte Scheibenbremse.

Der Sprecher enthüllte weiter, dass Yamaha über Jahre an diesem Twin gearbeitet hätte. Es war wohl eines der am besten gehüteten Geheimnisse der ganzen Industrie. Er beendete seinem Vortrag damit, dass er auf die Yamaha RZ-201 deutete und erklärte, dass das Motorrad immer wieder getestet, voll funktionsfähig wäre sowie Produktionsreife hätte und schon ab Mitte Februar des nächsten Jahres bei allen Yamaha Händlern erhältlich sei… Und dass Bestellungen ab sofort entgegengenommen würden!

Unnütz zu erklären, dass das Suzuki Entwicklungsteam wie angewurzelt und versteinert auf die Yamaha blickte. Ein einziger Blick genügte und sagte alles: dieser wunderbare „Roadster“ war ein großer Wurf und ließ Suzukis RE 5 Motor und dessen Verkauf ziemlich alt aussehen.

Suzuki_RE5

Suzukis Wankelmotorrad sah altbacken aus (Quelle: Alexandre H. Sato)

Yamaha war letztendlich in der Wankelmotor-Technologie zwei Jahre voraus! Um noch den Finger in die Wunde der Suzuki Leute zu legen, zeigten die Yamaha Männer auf die RZ-201, die auf der grünen Fläche stand.

(Fortsetzung folgt)

 

[Text: H.P. Engel]