Im Segment der großen Reisenduros tummelten sich jahrelang zwei Platzhirsche: auf der einen Seite Honda mit der legendären Africa Twin, die erst frisch renoviert wurde. Auf der anderen Seite gab es die Suzukis DR 800 Big, die von 1990 bis 1997 die Herzen vieler Fans im Sturm eroberte. Was die DR 800 so interessant machte, ist der Umstand, dass kein anderer Motorradhersteller bis dato einen größeren Einzylinder-Motor in einem Motorrad verbaut hatte.
Aus 779 ccm Hubraum bollert der urige Eintopf mehr als anständige 50 PS heraus und liefert zwischen 3.000 und 6.000 Touren solide 60 Nm Drehmoment für alle Lebenslagen ab. Um die Vibrationen des Hubraum-Monsters in den Griff zu bekommen, spendierte man der Suzuki DR 800 Big zwei Ausgleichswellen, die nahezu alles Zittern eliminierten. Der weltgrößte Einzylindermotor mit Luft-/Ölkühlung und Doppelzündung galt als unkomplizierter Langläufer und so sind Kilometerstände jenseits der 100.000’er Marke keine Seltenheit für „Doctor Big“. Die „Entenschnabel“-Optik heizte aber damals die Gemüter mächtig an. Heute gilt das Design als Standard jeder großen Reiseenduro.
Die zündende Idee für einen DR 800 Big Umbau
So, und was macht man mit so einem Reisedampfer? Man geht auf die ganz große Abenteuertour in fernen Ländern, durchkreuzt die Wüsten Afrikas, fährt durch die weite Prärie Amerikas oder erobert die unendlichen Weiten Skandinaviens. Aber nicht so Stefan Eisele aus Neuhausen. Stefan nahm sich eine zwanzig Jahre alte DR 800 Big (Typ SR43b) vor und verwandelte sie nach klugem Kalkül in einen stilsicheren wie faszinierenden Scrambler der besonderen Art. Als ich die ersten Fotos auf Facebook gesehen, hatte, musste ich die Maschine einfach vorstellen. Stefan war sofort einverstanden und verriet mir im Gespräch:
„Ich hatte eine Yamaha XT 500, die bei meinen 1,86 Meter Körpergröße wie ein Spielzeug unter mir aussah. Und nach zwei hubraumstarken Zwei- und Vierzylinder-Maschinen in der Garage hatte ich total Lust auf einen Einzylinder. Aber welchen Einzylinder? OK, welches Motorrad hat den größten je gebauten Einzylinder? Zudem wollte ich schon lange mal einen Scrambler von Grund auf bauen. Alles sollte eingetragen sein und für die tägliche Fahrt geeignet sein. Das war der Startschuss der Idee.“
Viel Hirnschmalz in Vorüberlegungen zum Custom Projekt
Auf der Suche nach dem größten Eintopf wurde Stefan bei einer Suzuki DR 800 Big aus dem Jahr 1997 fündig, die mit 18.000 Kilometern auf der Uhr gerade einmal ‚eingefahren‘ war. Die Maschine stand super da und der Preis stimmte auch. Bevor er sich an das Projekt machte, fuhr Stefan Eisele die DR 800 Big zunächst im Originalzustand so wie sie war. Denn die entscheidende Frage „Lohnt sich ein Umbau? Ist die Suzuki DR 800 ein Moped für mich?“, musste er sich selbst noch beantworten. Nach zwei, drei Monaten stand es fest. Das ist das Projekt! Also ab mit dem Dickschiff in die Garage.
Dort demontierte Stefan die Maschine in handliche Komponenten, die im Keller in ihre einzelnen Bestandteile weiter zerlegt wurden. Hier zeigt sich, dass die scheinbar unberührte Suzuki DR 800 doch ein paar Macken mitbrachte. Irgendjemand hatte schon einmal an der Telegabel herumgepfuscht, in der Stefan ein Ventil und Unterlegscheibe fand. Nichtsdestotrotz bestätigte sich aber die solide Grundsubstanz des Kaufs.
Das große 3-D-Puzzle vor Augen, investierte er danach unzählige Stunden in Vorüberlegungen zum angestrebten Look bis hin zur Farb- und Dekorgestaltung.
„Mich beschäftigen ganz grundlegende Fragen wie ich das Design und die Linienführung gestalte und wie ich das Ganze überhaupt baue. Ich habe viele Teile zunächst aus Pappe passgenau gefertigt und anprobiert. Der anschließende Entwurf entstand dann am Mac. Hier kam mir mein Job zugute.“
Der Prämisse war den Suzuki DR 800 Scrambler selber zu bauen
Für die folgende Umsetzung setzt sich Stefan eine klare Prämisse, nämlich alles selber zu bauen. Nur bei wenigen Sachen suchte er sich professionelle Hilfe von Spezialisten.
Obligatorisch wurde der Rahmen gestrahlt und anschließend pulverbeschichtet. Den Tank steuerte eine ausrangierte Yamaha XS 400 bei. Das Spritfass wurde ebenfalls gestrahlt, von innen entrostet und frisch versiegelt. Da Stefan bereits viel Hirnschmalz ins Design steckte, stand die Lackierung schon fest. Den warmen Anthrazit-Ton fand er bei Fiat. Und die Pinstripes brachte Kumpel Peter Schmälzle auf den Tank auf.
Zum sportlichen Charakter des Scrambler passt das von der G&D Sattlerwerk verarbeitete Leder eines alten Sportgerätes, das sich seiner neuen Bestimmung als Sitzbezug erfreut. Die hellbraune Naturhaut stellt zudem einen sehr gelungenen Kontrast zur Lackierung in Anthrazit dar.
Technisch kümmerte sich Stefan Hessler von Hessler Motorsport um die Elektronik am Suzuki DR 800 Scrambler. Der neue Hauptkabelbaum ist jetzt nur noch dünn wie ein kleiner Finger ohne was zu vermissen. Am Motor wurde alleinig der Zylinderkopf bearbeitet. Die Revision der Ein- und Auslässe und der Ventilsitze übernahm ABP Racing in Dettenhausen.
Nach dreimonatigem Zusammenbau war der Suzuki DR 800 Scrambler im März fertig und der TÜV hat alle Einbauten anstandslos eingetragen. Insgesamt streckte sich das Projekt aber auf 1,5 Jahre, denn als Selbständiger fand er nicht jeden Tag Zeit zum Schrauben. Mit sechs Riesen in toto hielten sich die Ausgaben für das Custom-Projekt im überschaubaren Rahmen. Einige Ersatzteile der DR Big sind sehr gesucht, ließen sich leicht verkaufen und schonten den Geldbeutel.
Demnächst kommt der Scrambler noch auf den Leistungsprüfstand. Denn nach inzwischen 2000 gefahrenen Kilometern ist der Hinterreifen fast schon abgefahren. Tja, das Teil hat halt ordentlich Drehmoment und brennt schnell mal schwarze Streifen in den Asphalt. Die Zahlen werden es wohl belegen.
Gegenüber dem schwergewichtigen Original brachte der radikale Scrambler Umbau eine wirkungsvolle Diät mit sich. Der Suzuki DR 800 Scrambler von Stefan Eisele wiegt nur noch schlanke 160 Kilogramm (Zum Vergleich die DR Big im Original: 220 Kg).
Alle Änderungen am Suzuki DR 800 Scrambler im Detail
Motor:
- Kolben: Original
- Zylinderkopf: Einlass und Auslass bearbeitet, Ventilsitz bearbeitet, Ventile geschliffen.
- Kurbelwelle: Original
- Nockenwelle: Stage1
- Ventile/Steuerung: Ventile geschliffen
- Gehäuse: Gepulvert
- Ölsystem: BMW GS Ölkühler
- Vergaser: 2x Mikuni Flachschiebevergaser mit Beschleunigerpumpe
- Luftfilter: K&N X-Stream Autoluftfilter
- Getriebe: Original
- Kupplung: Original
Auspuffanlage:
- Auspuff: GPR Furore Nero
- Krümmer: Leistungskrümmer, Titan Hitzeschutzbund
Fahrwerk:
- Rahmen: Suzuki DR 800 BIG, SR43b, Baujahr:1997
- Heck: gekürzt
- Telegabel: Suzuki DRZ 400E mit Wilders Federn
- Gabelbrücken: Suzuki DRZ 400E
- Tauchrohre: Suzuki DRZ 400E
- Standrohre: Suzuki DRZ 400E
- Lenker: Magura X-Line EX
- Lenkerhalter: Magura X-Line
- Schwinge: Original
- Federbeine: Wilbers
- Rad vorn: Suzuki DRZ 400E 90/90/21
- Rad hinten: Suzuki DR 800 BIG, SR43b 140/80-17
- Bremse vorn: HE Motorradtechnik GmbH 320mm
- Bremse hinten: Original
Specials:
- Tank: Yamaha XS 400 mit Pinstriping von Peter Schmälzle
- Elektrik: Stefan Hessler von HESSLER RALLYE TEAM
- Lampe: LSL
- Instrumente: Motogadget
- Sitz: Grundplatte und Schaumstoff Eigenbau, Lederarbeiten G&D Sattlerwerk, Leder: Benz Sportgeräte (Altes Leder eines Sprungkastens)
- Fußrasten: Rallye Fußrasten Pivot Pegz
- Sonstiges: Öltemperatur und Öldruck Sensor.
Fotos: Igor Panitz / Stefan Eisele
Ja ist wirklich schick geworden, wobei ich das mit dem Fahrwerk anders in Erinnerung hab….