Obwohl ihre Erscheinung wie ein „Strohfeuer“ anmutete, entpuppte sich die Yamaha XS 360 als wahrer Glückgriff für den japanischen Motorradhersteller. Auf Anhieb überzeugte die Maschine mit einem vitalen Motor mit einem breit nutzbaren Drehzahlbereich, einem exzellenten Getriebe und einem für japanische Verhältnisse überdurchschnittlichen Fahrwerk. Und so wundert es nicht, dass die XS 360 schon im ersten Jahr mit 6.000 Exemplaren zum Beststeller aufstieg und Deutschland-Importeur Mitsui in der Zulassungsstatistik auf Platz 1 hievte. Der unschlagbar günstige Preis der Yamaha XS 360 tat sein Übriges.

Keine anderthalb Jahre später entschieden sich die Strategen im fernen Japan den Shootingstar der IFMA 1976 durch ein aufgebohrtes Nachfolgemodell abzulösen. Die neue Yamaha XS 400 führte 1978 jedoch die Tugenden der 360er erfolgreich fort.

Die Yamaha XS 360 war in der 27-PS Klasse ein Bestseller

Die Yamaha XS 360 war in der 27-PS Klasse ein Bestseller (Foto: Nippon-Classic.de)

XS 360 Motor – Good Vibrations

Der Viertakt-Novize wurde von einem grundsoliden Parallel-Twin mit Zweiventil-Zylinderkopf angetrieben. Dem Baukastenprinzip folgend, teilten sich Yamaha XS 250, XS 360 und XS 400 den Motor, unterschieden sich im Wesentlichen nur durch eine jeweils größere Zylinderbohrung. Das Arbeitsprinzip verleugnet der SOHC-Motor zu keinem Zeitpunkt und atmet mit einem kernigen und gefälligen Sound durch die beiden Chromtüten aus. Das klingt nach Charakter, den die kleine Maschine durchaus mitbringt.

Der Gegenläufer mit seinem kurzen Hub (52,4 mm Hub bei 66 mm Bohrung) brachte es auf einen Hubraum von exakt 353 ccm. Mit seinen 180 Grad Hubversatz musste der Zweizylinder-Motor ohne Ausgleichwellen auskommen, die Yamaha erst dem größeren 500er Modell gönnte. Im Alltag gab die XS 360 daher spürbare, aber nicht unbedingt störende, Vibrationen über den gesamten Drehzahlbereich ab. Der elastische Motor tröstete mit seinen guten Fahrleistungen über die „Zitter-Partie“ hinweg.

Der XS 360 Motor ist in der Praxis richtig agil

Der XS 360 Motor ist in der Praxis richtig agil (Foto: Nippon-Classic.de)

Obwohl das Triebwerk durchaus 34 PS zu leisten im Stande wäre, wurde werkseitig für den deutschen Markt eine entschärfte Nockenwelle verbaut. In Kombination mit geänderten Steuerzeiten kamen hierzulande versicherungsgünstige 27 PS heraus. Die vermeintliche Schrumpfkur schränkte die Agilität aber keineswegs ein. Mit maximal 26 Nm Drehmoment bei 6.800 U/min und einem breit nutzbaren Drehzahlband vermittelte die Yamaha XS 360 insbesondere auf kurvigen Landstraßen Fahrspaß pur. Das Herausbeschleunigen war weniger „kräftezehrend“ als bei den kleineren Vertretern mit 250 ccm Hubraum. Die Yamaha XS 360 schaffte es im Alltag trotz 176 Kilogramm Gewicht auf 130 bis 145 km/h. Für ein Motorrad dieser Klasse mehr als akzeptabel. Ein exaktes Sechsganggetriebe mit der gleichen Gangabstufung der RD-Serie machte die Schaltarbeit zum Kinderspiel.

Der Kettenantrieb für die obenliegende Nockenwelle lag zentral zwischen den beiden Zylindern. Die Ventilbetätigung erfolgte über Kipphebel, die sich von außen leicht einstellen ließen. Den E-Starter brachten die Ingenieure dezent und unauffällig hinter dem Zylinderfuß unter. Wer wollte, konnte die Maschine aber auch per Kickstarter zum Leben erwecken. Dagegen stach der Ölfilter vor dem Motorblock mit seinem stark gerippten Gehäuse sofort ins Auge.

Die Leistungsreduktion auf 27 PS erfolgt über die Nockenwelle

Die Leistungsreduktion auf 27 PS erfolgt über die Nockenwelle (Foto: Nippon-Classic.de)

Fahrwerk lag über dem japanischen Durchschnitt

Obwohl die Fahrwerkszutaten eigentlich keine Überraschungen boten, gelang dem zweitgrößten Motorradhersteller jener Tage eine perfekte Synthese aus stabiler Straßenlage und guter Dämpfung. Herzstück des Fahrwerks ist ein Doppelrohrrahmen. Die ölgedämpfte Teleskopgabel mit 33 Millimeter messenden Standrohren sorgte mit einem Federweg von 140 mm für eine ausreichende Dämpfung. Innovativ waren „die Lippendrichtringe der Gleitrohre, die aus Teflon bestanden, um das Losbrechmoment der Gabel so niedrig wie möglich zu halten und dem Vorderrad seine Bodenhaftung zu erleichtern“, schrieb MOTORRAD-Tester Franz Josef Schirmer in seinem Bericht von 1976.

Die Hinterradschwinge hinterließ einen stabilen Eindruck, der nur von den serienmäßigen Kunststoffbuchsen getrübt wurde. Lobenswert fiel dagegen die Scheibenbremsanlage aus. Jeweils vorn und hinten sorgte jeweils eine hydraulisch betätigte und gut dosierbare Scheibenbremse mit 267 mm Durchmesser für eine sichere Verzögerung.

Die Yamaha XS 360 bietet ein sehr gutes Handling

Die Yamaha XS 360 bietet ein sehr gutes Handling (Foto: Nippon-Classic.de)

Äußerlich kam die Yamaha XS 360 gleichermaßen sportlich wie modern daher. Das Design wirkte wie aus einem Guss und fügte den flachen Tank mit der Sitzbank und dem Heckbürzel zu einer gefälligen Linie zusammen. Die leichten Gussräder passten perfekt dazu. Im Vergleich begnügte sich eine Honda CB 400 Four zu dieser Zeit mit klassischen Speichenrädern (und mit Trommelbremse hinten).

Tipps zum Gebrauchtkauf

Obwohl die Yamaha XS 360 heute fast 40 Jahre alt ist, ist ein absolut alltagstauglicher Motorrad-Oldtimer und leistet sich keine nennenswerten Schwächen. Sie überzeugt mit Robustheit und Zuverlässigkeit. Dank vieler Gleichbauteile gilt die Ersatzteilversorgung nach wie vor als gesichert. Mit ungefähr 400 beim KBA gemeldeten Exemplaren, verschwindet die XS 360 so langsam von unseren Straßen. Besser sieht der Bestand der XS 400 aus.

Zwei Scheibenbremsen wie bei dieser Yamaha waren damals kein Klassenstandard

Zwei Scheibenbremsen wie bei dieser Yamaha waren damals kein Klassenstandard (Foto: Nippon-Classic.de)

Die Motorentechnik ist leicht verständlich und die Kombination aus relativ geringer Leistung bei relativ großem Hubraum verspricht geringen Verschleiß. Der Vergaser und die kontaktgesteuerte Batterie/Spulenzündung erfordern aber einiges an Wartungsaufwand. Der Seitenständer ist gerne etwas „ausgelutscht“ und am Hauptständer neigt der Ausleger zum Abbrechen. Eine weitere Schwachstelle ist bis zur Modellpflege 1979 der zu kleine Tank.

Ein Verkäufer einer gut erhaltenen und gepflegten Yamaha XS 360 wird rund 2.500 EUR verlangen. Da die XS 360 und XS 400 aber häufig eher als günstige Umbaubasis für Cafe Racer oder Tracker dient, reichen Exemplare mit Note 3 bis 4 völlig aus. Diese Maschinen gibt es dann schon für unter 1.000 EUR. Die hier gezeigte Maschine wurde in 2016 zum Café Racer umgebaut und ist im neuen Glanz auf unseren Straßen zu sehen.

Das sportlich-kantiges Design der XS360 entsprach Zeitgeist dem Zeitgeist der 1970er Jahre

Das sportlich-kantiges Design der XS360 entsprach Zeitgeist dem Zeitgeist der 1970er Jahre (Foto: Nippon-Classic.de)

Yamaha XS 360 technische Daten

EinheitXS 360
1. Fakten
ProduktionJahr1976 bis 1978
Nummerierung (Rahmen)Startn/a
Farbenblau, rot, schwarz
NeupreisDM3.952 DM
2. Motordaten
Motortyp2-Zylinder-Reihe, 4-Takt
VentilsteuerungOHC, Kette, 2 Ventile
Nockenwelle1 obenliegend
Hubraumccm353 ccm
Bohrungmm66 mm
Hubmm52,4 mm
Verdichtungsverhältnis8,7:1
Vergaser2 Mikuni Gleichdruckvergaser mit je 34 mm Durchlass
3. Leistungsdaten
LeistungPS27 PS
bei Drehzahlmin-18.000 U/min
DrehmomentNm26,2 Nm
bei Drehzahlmin-16.800 U/min
LeistungsgewichtKg/PS6,2 Kg/PS
Höchstgeschwindigkeitkm/h145 km/h
4. Abmessungen
Längemm2.004 mm
Radstandmm1.335 mm
LeergewichtKg167 Kg
5. Bremse
Bremse vornScheibe 267 mm
Bremse hintenScheibe 267 mm
6. Antrieb
Getriebe6-Gang Fußschaltung
AntriebKette
StarterKickstarter, E-Starter