Eigentlich müsste die Monterey Car Week Mitte August vom Namen her vierrädrigen Fahrzeugen vorbehalten sein. Doch auf den zahlreichen Auktionen während der spektakulären Veranstaltung am Pazifik im Zeichen der Motorisierung werden neben besonders wertvollen Automobilen auch eine Reihe von seltenen Motorrädern versteigert. Wie es sich bei dem außergewöhnlichen Umfeld von selbst versteht, handelt es sich um ganz besondere und wahrscheinlich auch recht teure Exemplare. Sogar ein Mofa ist dabei.
Spitzenreiter auf der Werteskala dürfte nach Meinung von Insidern eine Vincent HRD Series A Twin aus dem Jahr 1938 sein, die das Auktionshaus Mecum auf einen Wert zwischen 400.000 und 500.000 Dollar (337.000 bis 420.000 Euro) schätzt. Howard R. Davies, der das Unternehmen 1928 in Großbritannien zusammen mit Philip C. Vincent gründete, schaffte es 1921 auf der Isle of Man als Einziger, ein Rennen in der Klasse für 500 ccm mit einer 350er Maschine zu gewinnen. Er produzierte von 1924 an eigene Rennmaschinen, fand sich aber schnell in finanziellen Schwierigkeiten wieder.
1928 beteiligte sich Vincent, dessen Vater in Argentinien ein Vermögen mit Rindern gemacht hatte, an der maroden Firma und half ihr wieder auf die Beine. Wenig später hatten Vincent-Maschinen den Ruf, zu den schnellsten, teuersten und exklusivsten Motorrädern zu zählen, die es zu kaufen gab. Die von Mecum angebotene ist eine von nur 78 ursprünglich produzierten und die einzige, die derzeit verfügbar ist, glaubt das Auktionshaus, da sich kaum ein Besitzer von seinem Vorkriegs-Rapid trennen möchte.
Platz zwei wird wohl eine Brough Superior Mark 1 von 1922 einnehmen. Das äußerst seltene Motorrad ist eine von zwei bekannten, erhalten gebliebenen und frühesten Zweirädern von George Brough. Das restaurierte Modell wird auf einen Wert zwischen 275.000 und 350.000 Dollar (230.000 bis 295.000 Euro) geschätzt. Brough war ein britischer Motorradhersteller, Rennfahrer und Weltrekordhalter. Er machte sich einen Namen mit aufwändig konstruierten und in Handarbeit hergestellten Brough-Superior Sportmotorrädern, die in den späten 1920er und 1930er Jahren zu den weltweit schnellsten ihrer Art zählten. Aufgrund der Schnelligkeit und Zuverlässigkeit der Maschinen wurde die Marke auch als „Rolls-Royce der Motorräder“ bezeichnet.
31 Jahre jünger ist die 1953er Vincent Black Shadow, die während der Monterey Car Week ebenfalls bei den Mecum Auktionen am 13. August 2021 unter der Los-Nummer F14 mit einer offiziellen Schätzung von immerhin 150.000 bis 175.000 US-Dollar (126.000 bis 148.000 Euro) unter den Hammer kommt. Zwischen 1948 und 1973 galt sie als schnellstes Motorrad der Welt. Die von Grund auf restaurierte Maschine blieb laut Mecum bis ins kleinste Detail originalgetreu. Bevor die Modellreihe Vincent Black Shadow 1948 zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, gelang es einem speziell getunten Modell 1948 auf dem Salzsee von Bonneville in den USA die 250-km/h-Barriere zu durchbrechen.
Sechs Motorräder, die allesamt einen Höchstpreis von 100.000 Dollar erzielen könnten, folgen auf den nächsten Plätzen. Es sind
- eine Norton Energette aus dem Baujahr 1902,
- eine 1903er Mitchell,
- eine Henderson Vierzylinder Racer aus dem Jahr 1917,
- eine Harley-Davidson Model 11F von 1915 sowie eine Harley-Davidson JDCA/B von 1924 und
- eine 1968er Husqvarna Viking 360
Norton ist eine der ältesten Motorradfabriken der Welt. Sie wurde 1898 von James Lansdowne Norton im britischen Birmingham gegründet und ist eine der großen Marken der britischen Motorradindustrie. Die zur Versteigerung angemeldete Energette von 1902 gehört zu den ältesten Norton-Motorrädern der Welt. Nur ein Jahr jünger ist die vier PS starke Mitchell aus dem Jahr 1903, ein extrem seltenes amerikanisches Motorrad aus den frühen Tagen der Branche. Ihre Produktion wurde 1905 beendet, da sich das Unternehmen fortan auf den Bau von Automobilen konzentrierte.
Der Henderson Vierzylinder Racer aus dem Jahr 1917 war eine der letzten, von William Henderson in Detroit produzierten Maschinen in Rennausführung. Sie verfügte über ein Drei-Gang-Getriebe, einen Kickstarter, eine Kupplung und im Gegensatz zu den extralangen Hendersons, die zwischen 1912 und 1916 gebaut wurden, ein kurzes Chassis. Die beiden Exemplare von Harley Davidson, das Modell F von 1915 sowie die JDCA/B von 1924 zählen zu den Besonderheiten der Marke. Während die ältere Maschine als erste Harley ein Drei-Gang-Getriebe aufwies, hatte die jüngere der beiden als Rennmodell keine Bremsen. Der Fahrer musste sich bei dem über 160 km/h schnellen Motorrad zum Verzögern allein auf die Motorbremse und einen Stoppschalter verlassen.
Nur ein gutes halbes Jahrhundert hat die Husqvarna Viking 360 auf dem Buckel, die wohl hauptsächlich deshalb einen erstaunlichen Preis erzielen könnte, weil sie einst Steve McQueen gehörte. Der Hollywood-Star soll sich 1968 in eine Husqvarna verliebt haben, als er eine konkurrenzfähige Maschine suchte, mit der er seine eigenen Ambitionen auf der Rennstrecke erfüllen konnte. Fündig wurde er bei einem Motorcross-Rennen in Kalifornien, wo er den schwedischen Fahrer Bengt Åberg mit seinem damals neuen Zweitakter Husqvarna Viking 360 beobachtete. McQueen war so beeindruckt, was er sah, dass er die Maschine auf der Stelle kaufte. Åberg musste den Rest der Saison mit einem anderen Motorrad bestreiten.
Auch die beiden restlichen Motorräder auf den Versteigerungen von Mecum und RMSotheby’s haben etwas mit Steve McQueen zu tun. Die fabrikneue Triumph Scrambler 1200 Steve McQueen Edition wird von Mecum am Sonnabend, dem 14. August in Monterey zum Verkauf angeboten, wobei der gesamte Erlös der Boys Republic, einer gemeinnützigen Organisation für verhaltensgestörte Jugendliche, zugutekommt. Steve McQueen war 1946 selbst Mitglied der Boys Republic und verdankt der Organisation, wie er später berichtete, dass er geheilt wurde. Das Motorrad gehört zu einer exklusiven Auflage von 1000 Exemplaren.
Das Schlusslicht bildet ein Vélosolex aus dem Jahr 1970. Mit diesem Mofa ist Steve McQueen während der Dreharbeiten zu seinem Film „Le Mans“ herumgekurvt. Sein 50 ccm großer Motor unterstützte – ähnlich wie bei den heutigen Pedelecs – die Pedalkraft von Fahrerin oder Fahrer. Wer freilich bereit ist, für die Solex bis zu 50 000 Dollar (42 000 Euro) zu bieten – wie RMSotheby’s hofft – muss schon ein echter Hard-Core-Fan des US-Mimen sein.
Autor: Hans-Robert Richarz
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