Von der Rennstrecke in die Serienfertigung
1968 war ein politisch sehr bewegendes Jahr. In der damaligen CSSR schlug am 23. August das Militär des Warschauer Pakts den „Prager Frühling“ gewaltsam nieder. In den USA protestierten Tausende gegen den Vietnamkrieg unter Lyndon B. Johnsen. Und der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King fiel am 04. April einem Attentat zum Opfer.
Diese Zeit gewaltsamer Konflikte ist aber auch von einer Vielzahl von Motorsporterfolgen für Yamaha geprägt. Der Brite Phil Read holte 1968 den zweiten Weltmeistertitel für Yamaha in der 125er Klasse und siegte zum dritten Mal in der 250er Klasse. Ein Jahr zuvor war sein Landsmann Bill Ivy der glückliche Sieger im Achtelliter-Segment.
Im selben Jahr rundete Yamaha seine Palette von sportlichen Zweizylinder-Motorrädern durch das Aufbohren der bisher kleinsten Zweizylinder Yamaha (AT90) ab. Elegant in der Erscheinung, aber stark in der Performance, schwamm die neue 125er YAS-1 voll auf der Weltmeisterwelle mit. Die aus dem Rennsport gewonnenen Erfahrungen übertrug der Zweitaktspezialist aus Hamamatsu konsequent in die Serienproduktion. So bekam die erst ein Jahr alte YAS-1 das neu entwickelte 5-Kanal-Design spendiert. Die beiden zusätzlichen Kanäle sorgten für eine effizientere Verbrennung der Frischgase und damit bessere Leistungsentfaltung.
Hierzulande spielte die YAS-1 keine große Rolle. Die kleinen Twins waren im damals kleinen Motorradmarkt Deutschland einfach zu klein. Trotzdem kümmerte sich Yamaha-Generalimporteuer Mitsui & Co. um den Import der der YAS1 sowie der 1970 vorgestellten AS 2 und warb 1971 vollmundige mit dem Slogan „Alltag ade! Freiheit willkommen! Sorgen vorbei! [und] Spaß ohne Ende!“ für den neuen „Springinsfeld“.
Kompakt und leistungsstark – quicklebendiger YAS1 Motor
Die kleine YAS-1 teilt sich die technischen Konstruktion mit ihren größeren und kleineren Geschwistern mit 180 bzw. 200 ccm Hubraum. Der Motor war von der 90er 2-Zylinder AT90 abgeleitet worden.
Den luftgekühlten 125 ccm großen Zweitakt-Parallel-Twin legten die Ingenieure allerdings vollquadratisch aus, sprich Hub und Bohrung maßen jeweils exakt 43 Millimeter. Mit einer Schaltwalzenkonstruktion im Motor war er viel moderner als der „große“ 250er Motor – allerdings war er weiterhin vertikal geteilt.
Vier der fünf Spülkanäle sorgten für eine optimale Frischgaszufuhr aus den beiden Mikuni-Vergasern vom Typ VM 18 SC. Die Luftzufuhr zum Doppelvergaser übernahmen dabei zwei Papier-Luftfilter, die optisch auffällig in verchromten, senkrecht montierten Behältern ruhten. Unter den Seitendeckeln war hierfür kein Platz gewesen. Rechtsseitig befand sich der 1,5 Liter fassende Ölvorrat für die „Autolube“ Getrenntschmierung.
Was der Motor vielleicht auf dem Papier an Größe vermissen lässt, macht er in der Praxis mit einer unglaublichen Performance wett. Mit einer sagenhaften Literleistung von mehr als 127 PS (!) verleugnet die kleine 125er ihre Rennsport-Gene zu keinem Zeitpunkt. Stolze 15,3 PS bei 8.500 U/min und maximal 13 Nm Drehmoment bei 8.000 Umdrehungen zauberten die Techniker aus dem Achtelliter-Twin.
Mit dieser technischen Ausstattung lief die 110 Kilogramm (trocken 98 Kg) leichte YAS-1 erfrischende 120 und 130 Kilometer in der Stunde, was absolut ausreichte, um flott von A nach B zu kommen. Wer die Yamaha YAS1 fuhr, reibt sich hinterher garantiert die Augen. Das kann doch keine 125er gewesen sein. Der kleine Yamaha dürstete es nach Drehzahlen und die fünf Gänge wollte geschaltet werden. Auf einen elektrischen Anlasser verzichtete Yamaha bei der YAS1. Der Primär-Kickstarter war auch absolut ausreichend und erlaubte die Maschine auch bei eingelegtem Gang zu starten.
Das YAS1 Fahrwerk war völlig neu
Während das Fahrwerk der kleineren 90er AT90 noch aus Pressblech bestand, wurde für die YAS1 ein völlig neues unten offenes Einrohr-Fahrwerk konstruiert, das Yamaha mit dem schönen Namen „Diamond-Frame“ versah. Dabei war der Motor ein mittragendes Element im Rahmenverbund. Die gleiche Rahmenkonstruktion wurde auch für die 180er/200er Baureihe verwendet. Komplettiert wurde das Fahrwerk mit einer hydraulischen Telegabel und dreifach verstellbaren Federbeinen an einer Zweiarmschwinge. Die Räder hatten vorn wie hinten 18 Zoll, mit nur 2,50 und 2,75 schmalen Reifen vorne und hinten. Die Bremsen (Simplex vorn und hinten) boten keinen Anlass zur Kritik. Gegen Regenwasser und Feuchtigkeit waren die Vollnaben ausreichend geschützt.
12 Jahre auf Erfolgskurs von der AS1 bis AS3
Yamahas 125er Zylinder entwickelte sich auf Anhieb zum Kassenschlager und wurde insgesamt zwölf Jahre lang gebaut und verkauft. Ab 1973 lief er unter der Bezeichnung RD 125. Yamaha hatte endlich seine verwirrende Nomenklatur aufgegeben und die Zweizylinder-Zweitakter diese unter „RD“ (für „Race Developed“) vereinheitlicht, was dem sportlichen Charakter der flotten Biene eindeutig gerechter wurde. Ab diesem Zeitpunkt hatte die Maschine auch einen Membraneinlass.
1971 trat die AS 3 (in Japan auch als AX 125 bezeichnet) die Nachfolge der AS 2 aus dem Vorjahr in neuem Gewand an. Technisch zwar deutlich überarbeitet, sah der Käufer zunächst vor Allem ein neues Blechkleid für Tank und Seitendeckel. Der Buckeltank der AS 2 wich einem Tropfentank, der die Silhouette sichtbar verschlankte. Der Radstand erhöhte sich von 1.200 auf 1.240 Millimeter. Die Luftfilter waren dezenter zwischen den Seitendeckel untergebracht. Dafür wanderte der Öleinfullstutzen unter die Sitzbank. Der Motor bekam nun Aluminium-Zylinder mit eingegossenen Gussbuchsen und der Rahmen wurde gegenüber dem Vorgänger deutlich verstärkt.
Für die normale Straßenversion konnten ambitionierte Fahrer ein sog. Race-Kit für die AS 3 erwerben. In dessen Folge stieg die Maximalleistung von 15 auf sage und schreibe 25 PS! Allerdings blieb das Fahrwerk dabei unverändert und Scheibenbremsen gab es erst ab 1976 in dieser Klasse.
Auch die kleiner 125er gab es wieder in einer Scrambler-Variante zu kaufen. Diese unterschied sich durch einen breiteren Lenker mit Querstrebe, einen Unterfahrschutz und zwei hochgelegten Auspuffrohren mit Hitzeschutz. Allerdings liefen diese Fahrzeuge nach der AS2 aus – eine AS3-Scrambler gab es nicht mehr im Yamaha-Angebot.
Keine Nische, die nicht besetzt wurde
Neben der 125er AS1 bot Yamaha Ende der 1960er Jahre weitere Modelle mit der gleichen Zweizylinder-Konstruktion an:
- YL-1 mit 100 ccm Hubraum
- CS 1 mit 180 ccm Hubraum
- DS 5 mit 250 ccm Hubraum
- YM-2 mit 305 ccm Hubraum und die
- YR-1 mit 350 ccm Hubraum.
Tipps zum Gebrauchtkauf der AS3 und Preisspiegel
„Klein und gemein“ oder der „Wolf im Schafspelz“ könnte das abschließende Fazit für die Yamaha YAS 1 lauten. Auf den ersten Blick völlig unterschätzt, strotzt der drehzahlhungrige Giftzwerg vor Leistung und erlaubt auch eine flotte Gangart.
Wer sich für diesen Oldtimer interessiert, wird bei unseren ausländischen Nachbarn suchen müssen. So fanden im Erscheinungsjahr 1968 in Frankreich 387 Exemplare einen Besitzer. Im folgenden Jahr waren es bereits 1.093 Maschinen dieses Modells, was ungefähr 60% aller Verkäufe von Yamaha entsprach. 1970 verkaufte sich die AS 2 in Frankreich rund 827 Mal. In Summe waren das gut 2.300 Maschinen in den ersten drei Jahren. Zwischen 2.300 und 2.600 Euro sind für gut bis sehr gut erhaltene Exemplare auf den Tisch zu legen.
Neben typischen Verschleiß nach über 40 Jahren hält eine AS eigentlich keine großen Überraschungen bereit. Hanspeter von Kultmoto.ch hat 2012 eine AS3 im Zustand 3 bis 4 wieder in einen ausstellungswürdigen Oldtimer verwandelt. Die größten Schäden seines „Scheunenfunds“ bestanden aus Dellen und Rost am Tank, einem total verdreckten Vergaser, zerfallenen Bremsbacken sowie korrodierten Aluminiumteilen. Allesamt lösbare Aufgaben. Ersatzteile fand er auf ebay oder beim lokalen Yamaha-Händler. Den kompletten Werkstattbericht gibt es unter Kultmoto.ch.
Eine absolut empfehlenswerte Adresse ist Yamaparts aus Schweden. Neben Handbüchern bieten Ole und Joacim jede Menge Expertise zu klassischen Yamahas mit Schwerpunkt auf die AS1 bis AS3. Nicht weniger als 27 dieser Oldtimer erstrahlten unter ihren Händen wieder in neuem Glanz und sind ihrem Privatmuseum zu bestaunen.
In Deutschland gilt Peter Abelmann als Experte für die kleine Yamaha und wirkte an der korrekten Darstellung der YAS-1 aktiv mit. Vielen Dank!
Technische Daten Yamaha YAS-1 bis AS3
Einheit | YAS-1 | AS 2 | AS 3 | ||
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1. Fakten | |||||
Produktionszeit | Jahr | 1967 bis 1969 | 1970 | 1971 bis 1973 | |
Nummerierung (Rahmen) | Start | AS1-300101 bis 310340 | |||
Farben | Candy Red, Candy Blue, Yamaha Black | Californian-Orange/White, Candy-Blue/White | Brlliant Red, Marine Blue, Mandarin Orange | ||
Neupreis | DM | 1.879 DM | n/a | 2.348 DM | |
2. Motordaten | |||||
Motortyp | 2-Zylinder, 2-Takt | 2-Zylinder, 2-Takt | 2-Zylinder, 2-Takt | ||
Ventilsteuerung | Schlitzsteuerung, 5 Kanäle | Schlitzsteuerung, 5 Kanäle | Schlitzsteuerung / Membransteuerung (ab 73) 5 Kanäle |
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Nockenwelle | keine | keine | keine | ||
Hubraum | ccm | 124 ccm | 124 ccm | 124 ccm | |
Bohrung | mm | 43 mm | 43 mm | 43 mm | |
Hub | mm | 43 mm | 43 mm | 43 mm | |
Verdichtungsverhältnis | 7,0:1 | 7,0:1 | 7,0:1 | ||
Vergaser | 2 Mikuni-Rundschiebervergaser (VM 18 SC) mit 18 mm | 2 Mikuni-Rundschiebervergaser (VM 18 SC) mit 18 mm | 2 Mikuni-Rundschiebervergaser (VM 18 SC) mit 18 mm | ||
3. Leistungsdaten | |||||
Leistung | PS | 15,3 PS | 15,3 PS | 16 PS | |
bei Drehzahl | min-1 | 8.500 U/min | 8.500 U/min | 8.500 U/min | |
Drehmoment | Nm | 12,4 Nm | 12,4 Nm | 12,7 Nm | |
bei Drehzahl | min-1 | 8.000 U/min | 8.000 U/min | 8.000 U/min | |
Leistungsgewicht | Kg/PS | 6,4 Kg/PS | 6,4 Kg/PS | 6,2 Kg/PS | |
Höchstgeschwindigkeit | km/h | 120 km/h | 120 km/h | 125 km/h | |
4. Abmessungen | |||||
Länge | mm | 1.855 mm | 1.870 mm | 1.915 mm | |
Radstand | mm | 1.200 mm | 1.200 mm | 1.240 mm | |
Leergewicht | Kg | 98 Kg | 99 Kg | 99 Kg | |
5. Bremse | |||||
Bremse vorn | Simplex | Duplex | Duplex | ||
Bremse hinten | Simplex | Simplex | Simplex | ||
6. Antrieb | |||||
Getriebe | 5-Gang Fußschaltung | 5-Gang Fußschaltung | 5-Gang Fußschaltung | ||
Antrieb | Kette | Kette | Kette | ||
Starter | Primär-Kickstarter | Primär-Kickstarter | Primär-Kickstarter |
Hallo, habe gerade die Geschichte der AS 3 gelesen, war sehr informativ, ich bin kurz davor , meine AS 3 wieder zum Leben zu erwecken, weitestgehend ist sie im Originalzustand und war noch bis ins Jahr 2000 in Deutschland zugelassen, mir ist sie als „Scheunenfund“ in die Hände gekommen und hab sie so nebenbei wieder aufgebaut: wenn alles gut geht springt der Motor morgen wieder an,….
Grüße aus dem Kohlenpott (Dorsten)
Martin
Habe eine AS1 aufgebaut. Die AS1 war mein Traum-Motorrad, dass ich mir mit 16 nicht leisten konnte! Habe wirklich sehr lange danach gesucht… Momentan werden die Teile lackiert. Ersatzteile zu bekommen war nicht ganz ohne… Weiß jemand, wo noch AS1 Teile zu bekommen sind? Viele Grüße