Im Geist ihrer berühmten Vorgängerin von 1988 legte Honda vor wenigen Jahren seine Offroad-Legende mit dem Beinamen Africa Twin neu auf. Die 2016 debütierte Honda CRF 1000L gehört seitdem zu den größten Erfolgen des japanischen Zweirad-Giganten auf den mitteleuropäischen Märkten. So belegt die Reiseenduro den fünften Platz der deutschen Zulassungsstatistik. Seit 2016 bis zum September dieses Jahres kamen fast 9.500 Einheiten allein auf die deutschen Straßen. Obwohl sich Honda über gute Absatzzahlen freuen kann, hat der weltgrößte Motorradhersteller nun mit der Honda CRF1100L Africa Twin das Nachfolgemodell des Bestsellers vorgestellt.
Auch, wenn auf dem ersten Blick keine wesentlichen Änderungen auszumachen sind, gilt es genauer hinzusehen. Wie sie sich auf und abseits der Piste schlägt, haben wir in einem ersten Fahrbericht zusammengefasst.
Honda präsentiert die neue Africa Twin 2020 offiziell auf der 46. Tokyo Motor Show, die vom 25. Oktober bis 4. November 2019 stattfinden wird.
Antrieb der Honda CRF1100L als wesentlicher Fortschritt
Hinter der geänderten Typenbezeichnung steckt:
- ein vergrößerter und erstarkter Motor.
- ein neuer Rahmen und jede Menge Elektronik.
- Eine stärkere Differenzierung der beiden Versionen Africa Twin und Africa Twin Sports Adventure.
Ganz anders als das Vormodell, das mit einer bewussten elektronischen Zurückhaltung angetreten war, bietet die neue Africa Twin nun alles an Fahrassistenzsystemen auf, was der Markt bereithält und was die Wettbewerbsmodelle von BMW, Ducati, KTM und Triumph bereits offerieren.
Noch am wenigsten unterscheidet sich die Elfhunderter motorisch von ihrer Vorgängerin mit 998 Kubikzentimetern Hubraum: Die Leistung steigt moderat von 95 PS auf 102 PS. Das maximale Drehmoment legt von 99 auf 105 Nm bei 6.250 U/min. zu. Somit hält der neue, im Hub verlängerte Zweizylinder-Reihenmotor noch einen Respektabstand zu den Donnerbolzen aus München, Mattighofen, Bologna und Hinckley. Deren Leistungswerte mit 1200er- bis 1300er Motoren liegen jenseits von 125 PS und 120 Nm.
Für sich betrachtet ist der neue Honda-Antrieb aber ein wesentlicher Fortschritt:
- Die zur Verfügung stehende Leistung lässt sich bestens nutzen.
- Das Triebwerk zieht spürbar souveräner durch.
- Zudem ist es zukunftssicher: Mit optimierten Abgaswegen, größerem Ventilhub und Auspuffklappe ausgerüstet, ist der um etwa zwei Kilogramm erleichterte Twin bereits nach der künftigen Euro-5-Norm homologiert.
- Beim Fahren im Gelände lässt sich das Triebwerk bis auf etwa 1.500 Umdrehungen herunterwürgen, ohne abzusterben, zugleich hat die Drehwilligkeit unter der Hub-Verlängerung nicht merkbar gelitten.
Doppelkupplungsgetriebe DCT der Honda Africa Twin 2020 deutlich verbessert
Zusätzlich zum schon bislang überzeugenden Sechsganggetriebe bietet Honda weiterhin optional das erneut überarbeitete Doppelkupplungsgetriebe DCT inklusive eines speziellen Geländeprogramms an; in der jüngeren Vergangenheit waren bereits 43 Prozent der in Deutschland verkauften Africa Twins mit diesem ausschließlich von Honda angebotenen Extra ausgerüstet. Dieser Wert dürfte sich trotz des Mehrpreises von 1.100 Euro künftig erhöhen, denn das neue DCT arbeitet nochmals deutlich besser. Das liegt weniger am Getriebe selbst als an dessen Steuerung. Die Messzentrale erkennt sämtliche Fahrzustände (Beschleunigung, Verzögerung, Schräglage, Bergauf- oder Bergabfahrt) und speist die entsprechenden Daten nicht nur in die neuen elektronischen Hilfsprogramme, sondern eben auch in das DCT ein.
Das bei Bedarf automatisch die Gänge wechselnde System schaltet nunmehr also nicht mehr in der Kurve, sondern erst bei Geradefahrt und behält auch bei steilerer Bergauffahrt die gewählte Fahrstufe bei. Kurz gesagt: Die jüngste DCT-Version verhält sich nun weitaus ähnlicher wie ein erfahrener Motorradfahrer mit Schaltgetriebe. Auch im nicht allzu harten Gelände lässt sich die nun 236 Kilogramm wiegende Africa Twin mit DCT erfreulich handhaben. Ohne DCT ist die neue Honda CRF1100L freilich, wie schon zuvor, zehn Kilogramm leichter.
Studium des Fahrerhandbuchs notwendig
Von der Sechsachsen-IMU profitieren auch das neue Kurven-ABS, die dreistufige Wheelie-Kontrolle und die nun siebenstufige dynamische Traktionskontrolle. Um alle Parameter optimal einstellen zu können, ist ein ausgiebiges Studium des Fahrerhandbuchs vonnöten: Der linke Lenkersatellit weist 16 Tasten und Knöpfe auf… Zudem kann das neue, endlich einwandfrei ablesbare TFT-Display auch mit dem Finger betatscht werden; es ist vom Stamme der Touch-Screens.
Auf diese Weise lassen sich die vier vorkonfigurierten Fahrprogramme Road, Urban, Gravel und Offroad modifizieren. Zusätzlich kann sich der Fahrer zwei Individualprogramme zurechtklicken. Ein Tempomat ist nun Serie, auch Apple Car Play ist integriert, wodurch mittels einer Navi-App ein separates GPS-System entbehrlich werden kann und natürlich unterwegs sämtliche Smartphone-Funktionen genutzt werden.
Das neue Kunststoff-Koffersystem zeigt ebenfalls, dass Honda die Modellüberarbeitung der Africa Twin ernst genommen hat; die von Honda selbst gefertigten Behälter lassen sich weitaus geschmeidiger handhaben und fühlen sich zudem wertiger an. Alternativ gibt es von einem Zulieferer bezogene Aluminium-Behälter. Darüber hinaus sind auch passgenaue Innentaschen sowie ein Tankrucksack lieferbar.
Mit einem Grundpreis von 14.165 Euro ist die Honda CRF1100L Africa Twin des Modelljahres 2020 exakt 1.000 Euro teurer als das Vormodell. Dafür erhält der Kunde viel Gegenwert: Außer der eher bescheidenen Mehrleistung des Motors ein Gewichtsminus von insgesamt vier Kilogramm, ein neues, noch besser abgestimmtes Fahrwerk mit souveräner Leistung on- wie offroad, eine prima Ergonomie mit 4 Zentimeter schmälerer Sitzbank und schmälerem Tank sowie die schon erwähnten Elektronik-Features plus automatischer Blinkerrückstellung. Zudem gibt es die Möglichkeit, das 1.100 Euro kostende, einzigartige und besser denn je funktionierende DCT zu bestellen.
Honda Africa Twin Sports Adventure speziell für Fernreisen
Speziell für Fernreisen konzipiert hat Honda zudem die Version Africa Twin Sports Adventure; sie bietet dieselben, ohnehin schon üppigen Federwege wie das Standardmodell, was gegenüber dem Vormodell die Sitzhöhe deutlich reduziert und dem Umgang mit der Sports Adventure erheblich erleichtert. Wesentliche Unterschiede zur Basis-Twin bestehen im 25 Liter-Tank, Schlauchlos-Felgen, einem leider nur mit zwei Händen höhenverstellbaren Windschild, Kurvenlicht und serienmäßigem Gepäckträger.
Der Africa Twin Sports-Adventure vorbehalten ist das neu entwickelte semi-aktive Fahrwerk von Hersteller Showa mit dem Kürzel „EERA“, das für Electronically Equipped Ride adjustment steht. Das EERA bringt zwei zusätzliche Kilo auf die ohnehin schon um 12 Kilo stärker ausschlagende Waage und erhöht deutlich den Komfort. Der Zugewinn an Komfort kommt aber weniger beim Fahren als bei der Fahrwerks-Einstellung zum Tragen, denn diese lässt sich hier durch Knöpfchendrücken bewerkstelligen.
1.600 Euro zusätzlich muss einem der Spaß allerdings wert sein. Womit eine voll ausgestattete Honda CRF1100L Africa Twin Sports Adventure mit DCT und EERA inklusive Liefernebenkosten und Gepäcksystem die 20.000 Euro-Marke überspringt.
Technische Daten der Honda CRF1100L Africa Twin (2020)
Motor der CRF1100L:
- Typ: Flüssigkeitsgekühlter Zweizylinder-Viertakt-Reihenmotor, 270° Kurbelwelle
- Ventile: 8 Ventile, Unicam-Zylinderkopf, SOHC
- Hubraum: 1.084 ccm bei 92 mm x 81,5 mm (Bohrung x Hub)
- Leistung: 75 PS bei 7.500 U/min
- Drehmoment: 105 bei 6.250 U/min
- Gemischaufbereitung: PGM-FI Benzineinspritzung
- Kraftübertragung: 6-Gang-manuell (optional: 6-Gang-DCT)
- Kupplung: MT: Mehrscheibenkupplung im Ölbad, Anti-Hopping-Kupplung
DCT: 2 Mehrscheibenkupplungspakete
Fahrwerk:
- Doppelschleifen-Rohrrahmen
- Vorne: 45-mm-Cartridge-Upside-Down-Teleskopgabel von Showa, Federweg 230 mm, voll einstellbar (Federvorspannung, Zug- und Druckstufe
- Hinten: Monoblock-Aluminiumschwinge, Pro-Link-Aufhängung, Gasdruckdämpfer von Showa, Federvorspannung hydraulisch über Handrad verstellbar, Dämpferzugstufe einstellbar, 220 mm Federweg
- Räder: Leichtmetall-Speichenräder;
- Reifen vorn: 90/90-21M/C 54H, Schlauchreifen (Bridgestone Battlax Adventurecross Tourer AX41T/Metzeler Karoo Street)
- Reufen hinten: 150/70-R18M/C 70H, Schlauchreifen (Bridgestone Battlax Adventurecross Tourer AX41T/Metzeler Karoo Street)
- Bremsen vorn: 310mm Wave-Doppelscheiben, Aluminiumnabe, schwimmend gelagert, 4-Kolben-Radialzangen, Sintermetall-Bremsbeläge
- Bremsen hinten: 256 mm Wave-Bremsscheibe, Einkolben-Bremszange, Sintermetallbeläge, 2-Kanal- ABS hinten abschaltbar
Assistenzsysteme:
- Tagfahrlicht,
- Bluetooth-Audio und Apple CarPlay,
- USB-Anschluss,
- automatische Blinkerrückstellung,
- Tempomat, Notbremssignal,
- IMU,
- HSTC,
- Wheelie-Control
Maße und Gewichte:
- Länge: 2.330 mm
- Radstand: 1.575 mm
- Sitzhöhe: 850/870 mm (niedrige Option: 825 mm; höhere Option: 895)
- Gewicht fahrfertig: 226 kg (DCT 236 kg)
- Tankinhalt: 18,8 Liter
Fahrleistungen:
- Höchstgeschwindigkeit: 197 km/h,
- Beschleunigung 0-100: ca. 3,8 sec.
- Normverbrauch: 4,9 l/100 km
- Reichweite: ca. 250 Km
Autoren: Ulf Böhringer/SP-X, Jens Schultze
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