Am letzten Wochenende hatte sich das beschauliche Schotten im Vogelsberg mal wieder in das hessische Motorrad-Rennsportmekka verwandelt. Die Vorbereitungen des MSC Schotten unter Leitung von Wolfgang Wagner begannen bereits vor einer Woche mit Aufbau der Tribünen, Übergange, Absperrungen und Streckensicherungen für den 27. Schottenring Classic Grand Prix 2015. Die Sicherungsmaßnahmen zahlten sich für Mensch und Maschine in jedem Fall aus, aber dazu später mehr.
Der diesjährige Schottenring Classic Grand-Prix pendelte zwischen zwei Extremen – brennende Sonne am Samstag bei Temperaturen um die 27 Grad und Dauerregen am Sonntag. Die Veranstalter des MSC Schotten rechneten daher am 15. und 16. August auch nur mit rund 15.000 Zuschauern. Und tatsächlich, selbst am herrlichen Samstag war es nicht so brechend voll wie im Jahr zuvor.
Der Stimmung tat dies aber keinen Abbruch, denn mehr als 300 Fahrer aus dem In- und Ausland boten auf dem 1,4 Kilometer langen Stadtkurs in Schotten ein wahres Spektakel. Bei den Gleichmäßigkeitsläufen der historischen Solomotorräder und den Sonderläufen für verschiedene Gespann-Klassen wurde es auf der Strecke zu keiner Minute langweilig und kräftig überholt. Bei der diesjährigen Historischen Motorradmeisterschaft (DHM) fallen die Titelentscheidungen erst bei der 38. Hockenheim Classics vom 18. bis 20. September. Nach dem 6. Saisonlauf stand es vor Schotten dennoch in der Klasse J+K sehr eng. Nur wenige Punkte trennten die ersten drei Fahrer:
- 96 Punkte: Günther Weickert mit seiner Aermacchi Ala Doro von 1967 (Startnummer J25)
- 95 Punkte: Manfred Amelang mit Norton Manx von 1962 (Startnummer K11)
- 93 Punkte: Tilmann Runck mit der Seeley MK3 von 1969 (Startnummer K17)
Zum Reglement der Historischen Motorradmeisterschaft gehören die Gleichmäßigkeitsläufe, bei denen die Fahre nach Möglichkeit in den Runden 3 und 7 genau jene Zeit treffen sollen, die sie in Runde 2 gefahren sind. Je weniger Abweichungspunkte, desto mehr Meisterschaftspunkte gibt es. Tilman Runck sicherte sich im Pflichttraining Platz 2 und fuhr die zweitschnellste Rundenzeit.
Nicht nur die ehemaligen Weltmeister heizten ordentlich ein
Im Sonderlauf „Meisterklasse“ mischte der Südafrikaner Kork Ballington auf Kawasaki mit. Selbstredend, dass er mit der Nummer 1 beim Schottenring Classic GP startete. Ballington fuhr von 1976 bis 1982 insgesamt 98 Rennen in der Motorrad-Weltmeisterschaft und gewann für das Kawasaki-Werksteam vier WM-Titel in den Jahren 1978 und 1979 in den Klassen bis 250 ccm und bis 350 ccm. Er kam in diesem Jahr auf Einladung von Kawasaki. Der Hersteller feiert in 2015 sein 40-jähriges Deutschland-Jubiläum.
Chas Mortimer aus Charin (GB) fuhr auf seiner Yamaha TZ 350 von 1974 mit der Nummer 3. Aus Finnland kam das Rennsporttalent Pentti Korhonen mit seiner Yamaha Arwidson in den Vogelsbergkreis.
Bei den Gespannen trafen alte Rivalen aufeinander. Mit der Nummer 73 fuhren Werner Schwärzel und Andreas Huber, beide Gespannweltmeister von 1982, mit ihrem König-Eigenbau beim Classic-Rennen in Schotten mit.
Rolf Steinhausen startete mit Beifahrer Georg Etz auf der Busch König BS II von 1975 mit der Nummer 1. Steinhausens früherer Co-Pilot, Josef Huber, mit dem er 1975 und 1976 zweimal hintereinander Gespannweltmeister wurde, ist heute über 80 Jahre alt und schwingt sich schon länger nicht mehr auf die Maschine. Ralf Bohnhorst, 3-facher Gespann-Weltmeister, fuhr mit Adolf Hänni aus der Schweiz mit einer Busch BMW RS54 von 1973.
Geile Klangkulisse auf zwei und drei Rädern
Eine Sonderstellung nahmen im 2015er Schottenring Classic Grand-Prix die pfeilschnellen LCR-Gespanne ein, die eine grandiose Klangkulisse und ordentliche Drifts mit ihren Slick-Reifen ablieferten. Bei diesen Langgespannen, die fast nichts mehr mit Motorrädern zu tun haben, ist der Seitenwagen integraler Bestandteil des Chassis. Der Motor sitzt hinter dem Fahrer und der Co-Pilot geht zur Gewichtsverteilung spektakulär nach hinten heraus.
Aber auch diverse Querlenker-Gespanne, bei denen der Beifahrer quasi als „lebender Ballast“ im Boot sitzt, bretterten um den Schottener Stadtkurs. Das akustische Feuerwerk reichte von tief-brummenden BMW-Motoren bis hin zu kreischenden Zweitaktern der 500 ccm König-Motoren. Spektakulär lehnten sich die Co-Piloten der Gespannfahrer in den Kurven weit heraus, den Hintern nur knapp über dem Asphalt. Hier zeigte sich sofort welches Team perfekt aufeinander abgestimmt gewesen ist.
Wie anspruchsvoll die Strecke des Schottenring Classic Grand-Prix auch bei trockenen Bedingungen sein kann, zeigte sich als sich Friedrich Drüppel und Katja Abt mit ihrer 1966’er BMW-Kneeler aufsehenerregend in die Strohballen verabschiedeten. Gott sei Dank, beide blieben unverletzt, die BMW hatte aber einige „Schrammen“ einstecken müssen. Auch der Pilot mit der Nummer v46 verabschiedete sich kurzzeitig ins seitliche Aus und blieb ebenfalls unversehrt.
Show und Prominenz – „40 Jahre Kawasaki Deutschland“
Kawasaki veranstaltete zum zweiten Mal wieder die Kawasaki Days parallel zum Schottenring Grand Prix. Zum diesjährigen Jubiläum „40 Jahre Kawasaki Deutschland“ hatte der japanische Motorradhersteller weder Kosten noch Mühen gescheut. Special Guests waren neben Kork Ballington auch Toni Mang sowie der Moto-GP Kawasaki-Pilot Jonathan Rea aus Nordirland. Das weitere Rahmenprogramm der Kawasaki Days konnte sich ebenso sehen lassen. Stuntfahrer Chris Rid demonstrierte den stauenden Zuschauern wie man auf einer Kawasaki die Schwerkraft scheinbar überlisten kann.
Auf der Händlermeile gab es Zubehör und Umbauten zu bestaunen. Aktuelle Kawasaki-Modelle konnten kostenlos ausprobiert werden. Dazu gab es Airbrush-, Körpertattoo-, Bodypainting-Aktionen und am Samstagabend heizte die die Band „Say What“ den Partygängern kräftig ein.
Ein Sonntag nicht wie geplant
Leider machten am Sonntag ergiebige Regenfälle dem Schottenring Classic Grand Prix einen Strich druch die Rechnung, weshalb einige Wertungsläufe abgebrochen werden musste. Weiter geht es auf dem Hockenheimring bei den 38. Hockenheim Classics vom 18. bis 20. September.
Hier gibt es einen Rückblick auf den Schottenring Classic Grand-Prix 2014