Neben Elektromobilität bestimmt seit wenigen Jahren ein weiterer Trend die Motorradindustrie: vernetzten Motorrädern gehört die Zukunft. Zulieferer Bosch rechnet fest damit, dass bis 2025 rund 70 Prozent aller neu verkauften Motorräder vernetzt sind. So wird nicht nur beim Auto die Vernetzung zunehmend wichtig. Auch das Motorrad soll durch Anbindung an andere Verkehrsteilnehmer, die Cloud oder ans eigene Handy komfortabler und vor allem sicherer werden.

Künftig könnte ein „digitaler Schutzschild“ zwischen Motorrad und anderen Fahrzeugen für deutlich mehr Sicherheit auf zwei Rädern sorgen. So weiß ein Auto künftig bereits, dass sich ein Motorrad nähert, lange bevor es ins Sichtfeld des Fahrers oder der Bordsensoren kommt. Fahrzeuge tauschen im Umkreis von mehreren hundert Metern bis zu zehn Mal pro Sekunde Informationen zu Geschwindigkeit, Position und Fahrtrichtung aus, entweder über WLAN- oder 5G-Mobilfunkverbindungen. So könnte mit vernetzten Motorrädern eine der häufigsten Unfallursachen vermieden werden: das Übersehen von Motorradfahrern an Kreuzungen. Bis die Technologie – auch in der bestehenden Zweirad- und Pkw-Flotte für eine sinnvolle Kommunikation – ausreichend verbreitet ist, dürften etliche Jahre vergehen.

Blick in die Ziukunft vernetzter Motorräder: R 1200 RS ConnectedRide

Blick in die Ziukunft vernetzter Motorräder: R 1200 RS ConnectedRide (Foto: BMW / Arnold Debus)

Die Motorradhersteller versprechen sich indes viel von neuen Konnektivitäts-Techniken. Zielgruppe sind Menschen, die sich bisher nicht ans motorisierte Zweirad wagen. Die neuen Konzepte könnten ihnen die Ängste nehmen und auch in der Praxis mehr Sicherheit auf der Straße gewährleisten. BMW hat zu diesem Thema im vergangenen Jahr eine Bike-Studie vorgestellt, die einen Ausblick auf die Technik für das Jahr 2023 gibt. Der Roller Connect Link „spricht“ permanent mit anderen Verkehrsteilnehmern in der Nähe. Droht Gefahr durch ein sich zu schnell näherndes Auto oder unvorsichtige Fußgänger, wird der Zweiradfahrer beispielsweise durch einen Vibrationsalarm oder auch visuell gewarnt. Passend dazu sind Jacken in der Entwicklung, die wie ein angezogener Bildschirm Warnsignale darstellen können.

Bereits deutlich weiter fortgeschritten ist die Vernetzung von Motorrad und Smartphone. Unter anderem hat Bosch mit dem sogenannten „Integrated Connectivity Cluster“ ein entsprechendes Anzeige- und Bedienbasis entwickelt, das bereits bei mehreren Bike-Marken im Einsatz ist. Es handelt sich um ein großes, frei programmierbares Display für das Cockpit, auf dem Smartphone-Inhalte dargestellt werden – das sogenannte Spiegeln. Es erlaubt dem Fahrer, einige Handy-Funktionen über Tasten am Lenkrad zu steuern anstatt das Telefon direkt in die Hand nehmen zu müssen. Einfach und legal kann der Biker so während der Fahrt mit dem linken Daumen zum Beispiel Musiktitel vom Handy abspielen oder auch Anrufe entgegennehmen.

Bosch und BMW arbeiten bereits an entsprechenden Systemen

Bosch und BMW arbeiten bereits an entsprechenden Systemen (Foto: BMW / Arnold Debus)

Zudem können Biker zum Beispiel Wetter-, Internetradio- oder speziell für Motorradtouren optimierte Navigations-Apps nutzen. Über letztere kann sich der Fahrer dann auch Routeninformationen wie Neigungswinkel oder empfohlene Kurvengeschwindigkeiten anzeigen oder sogar als Warnung akustisch übers Helm-Headset ansagen lassen. Und sollte der Spritvorrat zur Neige gehen, zeigt die Navi-App automatisch Tankstellen in der Nähe.

Connected Motorcycle Consortium

BMW, Honda und Yamaha haben sich im „Connected Motorcycle Consortium“ zusammengeschlossen, um Anwendungen kooperativer Verkehrstelematik (engl.: Cooperative Intelligent Transport Systems, kurz C-ITS) bei Motorrädern und Scootern voranzutreiben. Die Kooperation für vernetzte Motorräder wurde bereits vor drei Jahren auf dem ITS World Congress in Bordeaux (Frankreich) bekanntgegeben.

Letztes Jahr präsentierte BMW Motorrad mit der R 1200 RS ConnectedRide im Rahmen der CMC Conference 2017 einen Prototyp, der einen Ausblick in die Zukunft von Sicherheitssystemen für Motorräder gibt. Es verfügt neben einem Kreuzungs- und Linksabbiegeassistenten über zahlreiche weitere Systeme zur Unfallvermeidung zwischen einem Motorrad und einem Pkw. Dabei erfolgt sowohl die Warnung anderer Verkehrsteilnehmer bei einer voraussichtlichen Vorfahrtsmissachtung als auch die Warnung des Motorradfahrers selbst. Technisch geschieht die Erkennung dieser Gefahrensituation mittels einem herstellerübergreifenden Kommunikationsstandards und hochgenauer satellitengestützter Lokalisierung durch D-GNSS (Differential-Global Navigation Satellite System). Vergleichbare Systeme werden auch bei der Honda CRF 1000 L Africa Twin und Yamaha Tracer 900 erwartet.

Ein übergreifender Kommunikationsstandards und hochgenaue Lokalisierung sind Kern vernetzter Motorräder

Ein übergreifender Kommunikationsstandards und hochgenaue Lokalisierung sind Kern vernetzter Motorräder (Foto: BMW / Arnold Debus)

 

[Autor: Holger Holzer/SP-X, Jens Schultze]