Ein Motorfahrrad mit 0,5 PS mobilisierte Japan

Es liegt nun genau 70 Jahre zurück, dass Soichiro Honda mit einfachsten Mitteln das Nachkriegs-Japan zu mobilisieren begann. 1946 lag das Land in Schutt und Asche. Allerdings florierte die Wirtschaft, die wenige Monate zuvor noch Kriegsgüter produzierte, rasch wieder. Was jetzt dringend gebraucht wurde, waren billige motorisierte Fahrzeuge: Mopeds, Roller, Leichtmotorräder und kleine Dreivehikel. Doch diese einfachen Transportmöglichkeiten waren zu dieser Zeit Mangelware.

Der findige Unternehmer Honda erkannte sofort den Bedarf seiner Landsleute an bezahlbarer Mobilität, musste aber, da er selbst vor einem Scherbenhaufen stand, nach pragmatischen Lösungen suchen. Soichiro Honda war ein Mensch, der wusste, was er wollte. In einer kleinen Holzhütte wagte der damals 40-jährige den unternehmerischen Neustart. Mit selbstsicherem Auftreten sprach er 1946 eines Tages den Kasernenkommandanten in seiner Heimatstadt Hamamatsu an. Seine Bitte sämtliche Restbestände der 50 ccm-Zweitaktmotoren kaufen zu dürfen, wurde zunächst mit schallendem Gelächter beantwortet. Ob er denn Schrotthändler sei und was er mit dem alten Zeug wolle, musste er sich damals fragen lassen. Doch schließlich bekam Honda das Gewünschte. Mit einem dicken Bündel Yen-Noten in der Hand, befahl der Offizier einigen Soldaten beim Verladen der 500 Motoren zu helfen.

Wieder einmal bewies der findige Tüftler ein unternehmerisches und technisches Gespür. Soichiro Hondas Lösung war einfach wie auch genial. Denn viele Japaner hatten ihre Drahtesel unbeschädigt durch die Kriegswirren gebracht und Honda montierte die kleinen Zweitaktmotoren einfach im Rahmendreieck der Fahrräder. Auf der Querstange brachte er einen Bettwärmer als Tank an und trieb mit einem einfachen Riemen das Hinterrad an. Das Geschäft florierte und nach einem Jahr war der letzte Hilfsmotor bereits ausverkauft.

Am Anfang des kometenhaften Aufstieges stand also ein nur 0,5 PS starker Zweitaktmotor, der zur Not auch mit Terpentin lief. 1947 präsentierte Honda dann sein erstes komplettes Motorfahrrad Model A, das auf Anhieb zum Marktführer avanciert. Dadurch ermutigt, gründet er im folgenden Jahr die Honda Motor Co., Ltd.

Auf Kuba fahren wie vor 70 Jahren

Bewegen wir uns etwa eine halbe Erdumrundung weiter, kommen wir zur größten Antilleninsel und Inbegriff karibischer Lebensfreude – Kuba. Die „Königin der Antillen“ steht zwar für endlose Sandstrände, türkisblaues Wasser und traumhafte Städte, bietet aber auch jede Menge Kontraste, die besonders im urbanen Kuba zum Vorschein kommen.

Das arme Land hinkt nicht nur in Landwirtschaft und Industrie um Jahrzehnte hinterher, sondern vor allem bei Transport und Logistik. Auch wenn Kuba den „diplomatischen Frühling“ mit den USA eingeleitet hat, das jahrzehntelange Wirtschaftsembargo und das Zusammenbrechen der sozialistischen „Bruderländer“ haben ihr Spuren hinterlassen. Zu diesen „Hinterlassenschaften“ gehören sicherlich die zigtausenden Oldtimer, die die Kubaner selbst wie ihren Augapfel hüten und die das Land für Touristen so anziehend machen. Aber auch motorisierte Fahrräder, wie das ‚Model A‘, mit dem Soichiro Honda vor 70 Jahren so erfolgreich wurde, gehören auf Kuba noch heute zum täglichen Bild.

Zum typischen kubanischen Motorfahrrad gehört ein 47 ccm großer Zweittaktmotor, der mit allem Zubehör meistens aus Ecuador, Kolumbien oder Costa Rica eingeführt wird und auf Kuba mittlerweile etwa 400 CUC kostet, was ungefähr denselben Betrag in Euro entspricht. Es ist also für die Kubaner kein billiges Vergnügen mit einem antiquiert wirkendem Motorfahrrad herumzufahren. Der Preis für ein fabrikneues Fahrrad mit Hilfsmotor liegt bereits bei stolzen 1.000 CUC aufwärts. Bei 35 Euro durchschnittlichem Monatslohn, der meist für das tägliche Leben gebraucht wird, müssen die Kubaner auf das Gefährt jahrelang sparen. Immerhin schaffen die „Stadtrutscher“ 40 km/h und konsumieren rund einen Liter Benzin auf 60 Kilometer – solange der Sozius unbesetzt bleibt.

Was vor 70 Jahren in Japan und heute auf Kuba purer Pragmatismus und der Wunsch nach individueller Mobilität war bzw. ist, ist bei uns Ausdruck einer gewaltigen Nostalgiewelle. Fahrräder mit ‚Rex‘-Motor oder das beliebte ‚Solex‘ sind inzwischen beliebte Mitbringsel von Oldtimertreffen und Teilemärkten.

 

*Foto-Quelle 1. Bild: CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)