Jahrzehntelang haben die luftgekühlten Vierzylindermotoren Japans Motorradhersteller berühmt gemacht. Längst sind aber die samtweichen Reihenvierer ausgestorben. Einzig Honda hatte 2010 nach zwanzigjähriger Pause noch einmal einen Reihen-Vierzylindermotor mit Luft-/Ölkühlung entwickelt. Zu haben ist das Vierzylinder-Triebwerk in der klassisch auftretenden Honda CB 1100 EX, die mit reichlich Chrom eine echte Schau ist.
Nicht nur die Vier-in-Zwei-Auspuffanlage mit den vier doppelwandigen Krümmern funkelt, auch die Kotflügel und die Scheinwerferhaube glänzen in der Sonne, dazu die Hauben der beiden Rundinstrumente, die Spiegel, die Blinkergehäuse, und noch allerlei mehr. Wertige Verarbeitung signalisieren zudem die Seitendeckel aus gebürstetem Aluminium sowie der ohne sichtbare Schweißnaht gefertigte, schlanke Tank mit schlichten Chrom-Buchstaben auf der Seite. Den prächtigen Eindruck der Honda CB 1100 EX komplettieren ein stilgerechter Doppelschleifen-Stahlrahmen, Stereo-Federbeine, 18-Zoll-Räder vorne und hinten und eine gesteppte, fast ebene Zweipersonen-Sitzbank.
Technisch überholt ist die Klassik-Ikone keineswegs.
Denn Hondas Ansatz war es nicht, ein Motorrad von gestern auf die Räder zu stellen, vielmehr sollte es sich bei der CB 1100 EX um ein klassisch gezeichnetes Big Bike mit modernen Elementen handeln. So gibt es nicht nur ABS, Antihoppingkupplung und eine Onboard-Diagnose-Steckdose, sondern auch eine hochmoderne Showa-Telegabel sowie LED-Licht vorne und hinten. Modische Diodenblinker dagegen blieben außen vor; stattdessen ist die Honda mit klassischen Rundblinkern ausgestattet, deren Durchmesser stattliche 7 Zentimeter beträgt. Unter dem Rundscheinwerfer mit seinem Hightech-Innenleben finden sich die beiden runden Hupen – genau in dem Stil, in dem es sie schon 1978 bei Honda gab.
Der Reihenvierzylinder erfüllt die Euro-4
Der vor sieben Jahren erstmals präsentierte, jetzt wegen der Euro-4-Erfordernisse gründlich überarbeitete 1.140 Kubik-Vierzylinder mit 66 kW/90 PS Maximalleistung ist ein Muster an Laufkultur; er dreht einerseits spontan bis 8.500 U/min., den Beginn des roten Bereichs am Drehzahlmesser, lässt sich aber auch im sechsten Gang in der Stadt bewegen, bis runter auf 40 km/h. Da sind dann kaum noch tausend Umdrehungen auf der Uhr, und trotzdem nimmt der Reihenvierer auf Kommando wieder klaglos Gas an. Meist liegen niedrige bis mittlere Drehzahlen an, das passt angesichts der Rundrücken-Drehmomentkurve am besten zum gesamten Fahrzeug. Die Übersetzung des fünften wie auch sechsten Ganges ist lang geraten, gut für hohen Fahrkomfort und maßvollen Benzinkonsum; für schnelle Landstraßen-Überholmanöver muss man zurückschalten; keine Strafe angesichts des prächtigen Honda-Getriebes.
Fahrwerk – konventionell mit modernen Komponenten
Das Fahrwerk der CB 1100 EX ist zwar konventionell in seiner Konzeption, aber mit modernen Komponenten bestückt. So ist die einstellbare 41-Millimeter-Showa-Gabel mit separaten Ventilen für Zug- und Druckstufe bestückt. Ultrahandlich ist die CB 1100 EX nicht; das liegt am beträchtlichen Gewicht von 255 Kilogramm wie an den 18 Zoll-Rädern. Für die Zielgruppe, erfahrene Männer jenseits des Flegelalters, passt das Paket. Denn die CB 1100 EX ist gemacht für entspanntes, dabei durchaus zügiges Gleiten. Die Sitzposition ist entspannt, der Lenker von idealer Breite. Gut gefallen auch die Bremsen; zwei Finger genügen allemal, um die zwei vorderen Bremsscheiben zu guten Leistungen zu animieren. Und das ABS regelt im Notfall ausreichend schnell.
Als Wohltat fürs Auge empfinden Motorradfahrer mit jahrzehntelanger Erfahrung die Instrumentierung der Honda CB 1100 EX; die schwarzen Skalen der beiden runden Uhren für Tempo und Drehzahl sind chic und einwandfrei ablesbar, zudem gibt es ein kleines LC-Display mit Zeituhr Benzinstands-, und Ganganzeige. Mittels Fingerdruck auf die althergebrachten Knöpfchen im Cockpit kann der Fahrer zwischen Gesamt- und Tageskilometeranzeige sowie der Verbrauchs- und Reichweitenanzeige wechseln.
Viel Lob also für die Honda CB 1100 EX, die mit einem Preis von 12.790 Euro freilich nicht billig ist. Mäkeln wollen wir nur an zwei Details: Uns gefiele eine rein silberne Lackierung des Triebwerks statt der zweifarbigen Gestaltung in Schwarz/Silber besser. Schade ist zudem, dass Honda sich automatisch rückstellende Blinker gespart hat. Aber was soll’s: Unterm Strich ist diese Honda ein nicht nur schönes, sondern auch prima fahrbares Motorrad für ausgeglichene Zeitgenossen. Verwunderlich, dass die Verantwortlichen für den deutschen Markt ihm so wenig zutrauen: Gerade mal einhundert Stück hat man für dieses Jahr geordert. (Ulf Böhringer/SP-X)
Technische Daten Honda CB 1100 EX
Motor: Luft-/ölgekühlter Vierzylinder-Reihenmotor, 1.140 ccm Hubraum, DOHC, 4 Ventile pro Zylinder, 66 kW/90 PS bei 7.500 U/min., 91 Nm bei 5.500/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kette.
Fahrwerk: Stahl-Doppelschleifenrahmen; vorne 4,1 cm-Telegabel, Vorspannung einstellbar, 10,7 cm Federweg; hinten Stahl-Zweiarmschwinge, zwei Federbeine, Vorspannung einstellbar, 11,3 cm Federweg; Drahtspeichenräder mit Aluminiumfelgen; Reifen 110/80 R 18 (vorne) und 140/70 R 18 (hinten). 29,6 cm Doppelscheibenbremse vorne, 25,6 cm Einscheibenbremse hinten.
Assistenzsysteme: ABS, Antihopping-Kupplung.
Maße und Gewichte: Radstand 1,49 m, Sitzhöhe 79 cm, Gewicht fahrfertig 255 kg; Tankinhalt 16,8 l.
Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit ca. 200 km/h. Normverbrauch lt. EU4 5,5 l/100 km.
[Autor: Ulf Böhringer/SP-X]
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