Kawasaki rückt die neue Z900 nahe an die Einliter-Liga heran.  Dennoch gibt es markante Unterschiede zwischen zur großen Schwester Z1000.

Die Mittelklasse ist in der Zweiradbranche mittlerweile stark besetzt. Kawasaki hatte hier bis zu dieser Saison die Z800 im Feuer, die nun im Zuge der Euro-4-Umstellung grundsätzlich erneuert wurde. Und so wurde aus der 800er eine 900er, sprich: Der Motor wurde aus der großen Schwester Z1000 entlehnt und auf 948 Kubikzentimeter verkleinert.

Mit der Kawasaki Z900 hat der japanischer Hersteller aber nicht etwa ein Derivat der Z1000 kreiert: Sie leistet nicht nur 17 PS weniger, sie bringt auch zehn Kilogramm weniger auf die Waage. Und schon vor der ersten Tour merkt man, dass die Japaner mit ihr auf Purismus setzen. Denn man ist eigentlich schon gewohnt, sich vor Fahrtantritt mit der Einstellung der Traktionskontrolle zu beschäftigen oder mit den einzelnen Fahrmodi – doch Fehlanzeige: Es gibt sie nicht. Weder Schaltassistent, noch Fahrmodi, noch Traktionskontrolle sind vorhanden oder werden als Extra angeboten; und vielleicht ist es nur so möglich, den Preis von unter 8.900 Euro zu erreichen.

125 PS sorgen für große Freude

Denn dafür kriegt man fernab aller Elektronik eine Menge Motorrad geliefert. Das Beginnt schon beim Triebwerk. Mit seinen 125 PS dürfte der Motor die Fans samtener Vierzylinder die Freudentränen in die Augen treiben. Wie eine Turbine zieht das Aggregat von dannen und presst schon bei 3.000 Umdrehungen 74 Newtonmeter Drehmoment auf die Kette – mit stark steigender Tendenz. Dabei gelingt die Leistungsentfaltung so gleichmäßig, dass man von der Kraft des Motors beim Fahren, der im Maximum 99 Newtonmeter herausdrückt, relativ wenig mitbekommt, was eben auch daran liegen dürfte, dass er dieses fast ohne jegliche Vibrationen und Jaulen vollzieht.

Freunde italienischer Motorräder mögen sich nun entsetzt abwenden, vielen Bikern imponiert der souveräne Charakter der Japan-Vierer aber nach wie vor, gehen sie doch auch einher mit guter Dosierbarkeit, wenig Langsamfahrruckeln und besten Manieren. Der Griff zu den Ohrenstöpseln ist obsolet. In der Tat nimmt man die Kawasaki Z900 erst ab etwa 5.000 Touren akustisch wahr, was sich langsam bis 10.000 U/min steigert, wo der Schaltblitz hektisch zum Hochschalten auffordert.

Dem kommt man dank des präzisen und nicht hakeligen Getriebes gerne nach, steppt durch die Gänge bis in den sechsten durch, der recht lang ausgelegt ist und zum Autobahnfahren oder gemütlichem Tuckern auf der Landstraße taugt. Die fünf darunter sind hingegen recht kurz übersetzt, so dass man auch im dritten durch die Kurven segeln kann, ohne dass der Motor untertourig läuft und beim Beschleunigen muckt. Man kann beim Fahren mit dieser Antriebseinheit eigentlich wenig falsch machen, sie verzeiht nahezu alles – wozu braucht man also Fahrmodi?

Die Harmonie des Antriebsstranges wird vom Fahrwerk prächtig ergänzt

Zwar wünscht man sich für schnelle Slaloms eine etwas härtere Gabel, doch zeigt sich das Zusammenspiel der Upside-Down-Gabel mit dem Federbein hinten ebenso ausgeklügelt wie das Gespann Motor/Getriebe. Beide, Gabel und Federbein, lassen sich in Zugstufe und Federbasis stufenlos einstellen. Das alles wird bei Bedarf eingefangen von erstklassigen Bremsen, die hinten ein wenig aggressiv zu Werke gehen, vorne aber eine wunderbare Dosierbarkeit, einen exakten Druckpunkt und bei Bedarf enormen Biss liefern. Für die schönere Optik sind sie als Wave-Scheiben ausgearbeitet.

Die Armaturen liefern mannigfaltige Informationen wie Gang-, Reichweiten, Verbrauchsanzeige, und das alles sehr übersichtlich gegliedert; man sollte nur die Tankuhr im Blick behalten, bei der lediglich das unterste Kästchen blinkt, wenn die Reserve angebrochen wird. Auf eine separate Warnleuchte hat Kawasaki verzichtet. Die Sitzposition ist dank des gekröpften Lenkers sehr entspannt, die Sitzhöhe mag größeren Fahrern mit 78 Zentimetern zu niedrig erscheinen, man kann ab Werk allerdings einen „Ergo-Fit-Sitz“ ordern, der 2 Zentimeter höher liegt und zweifarbiges Leder aufweist. Beeinträchtigt wird der Sitzkomfort ein wenig vom breiten, 17 Liter fassenden Tank, der einen engeren Knieschluss verhindert. Die Sozia muss sich mit einem relativ kleinen Pad zufriedengeben. Brems- und Kupplungshebel sind in der Griffweite verstellbar.

Ausgeliefert wird die Z900 mit Reifen der Marke Dunlop, dem D 214 mit der Sonderkennung Z, den wir als sehr passend empfanden. So hielt sich das Aufstellmoment in engen Grenzen, und das Bike lenkte jederzeit willig ein.
Fazit: Die Z900 bietet für wenig Geld sehr viel Motorrad, wenn man bereit ist, auf die heutzutage üblichen elektronischen Helfer zu verzichten. Das fällt im Falle der Kawa aber relativ leicht.

Technische Daten Kawasaki Z900

Motor: Flüssiggekühlter Vierzylinder-Viertaktreihenmotor, vier Ventile pro Zylinder, Hubraum 948 ccm, Leistung 92 kW/125 PS bei 9.500 U/min, Drehmoment 98,6 Nm bei 7.700 U/min, Sechsganggetriebe, Kette.
Fahrwerk: Gitterrohrahmen aus Stahl, Upsidedown-Gabel Ø 41 mm, Zugstufe sowie Federbasis stufenlos einstellbar, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zugstufe und Federbasis stufenlos einstellbar, Doppelscheibenbremse vorn 300 mm, Vierkolben-Festsättel;hinten 250 mm, Einkolben-Schwimmsattel, ABS.
Maße und Gewichte: Radstand 1.45 m, Sitzhöhe 79,5 cm, Gewicht vollgetankt 210 kg, Tankinhalt 17 Liter.
Messwerte: Höchstgeschwindigkeit 240 km/h, Beschleunigung 0 – 100 km/h: 3,3 sek, Testverbrauch: 5,5 Liter/100 km.
Preis: 8.895 Euro.

 

(Fahrbericht: Heinz May/SP-X)