Als Kawasaki Mitte der 1960er Jahre die W1 650 auf den Markt brachte, wollte der japanische Hersteller aus Akashi nicht länger nur kleine und hubraumschwächere Modelle auf dem asiatischen Inselstaat anbieten. Vielmehr ging es um den weltgrößten Motorradmarkt, der seinerzeit von den großvolumigen britischen und amerikanischen Twins dominierte wurde und von Konkurrent Honda schon 1959 besetzt worden war. Nippons junge Motorradmarke wollte dieses wichtige Spielfeld nicht länger den anderen Herstellern überlassen.

Erkennungszeichen der Kawasaki W1 650 ist der auffällige rechte Motorseitendeckel

Erkennungszeichen der Kawasaki W1 650 ist der auffällige rechte Motorseitendeckel (Quelle: Nippon-Classic.de)

Während in Japan die Zweiräder als ganz pragmatische Fortbewegungsmittel dienten, hatten Motorräder gerade in den USA einen ganz anderen Stellenwert. Hier stand das Bike zum großen Teil für Erlebnis, Sport und Nervenkitzel. Die Zutaten zum Erfolgsrezept lauteten ganz simpel Hubraum und Image. Schon deshalb hatten die britischen Marken BSA, Norton und Triumph, die deutschen BMW-Boxer sowie die amerikanischen Indian und Harley-Davidson den Markt schon fast unter sich aufgeteilt. Japanische Motorräder hatten auch hier den schon fast traurigen Ruf des einfachen und untermotorisierten Transportmittels und wurden allzu oft von „echten Bikern“ belächelt.

Die notwendige Aufholjagd immer vor Augen, ging Kawasaki 1960 eine Kooperation mit Meguro Works ein, dem damals zweitgrößten japanischen Motorradhersteller nach Honda. Denn Megura hatte bereits eine Halbliter-Maschine mit großem Viertaktmotor im Programm. Nach der Verschmelzung der Unternehmen Kawasaki und Meguro im Jahr 1963 trieb Nippons neue Nummer zwei die Entwicklung des hubraumstarken Parallel-Twins voran.

Der robuste Parallel-Twin war vom 500er BSA A7 Motor abgeleitet

Der robuste Parallel-Twin war vom 500er BSA A7 Motor abgeleitet (Quelle: Nippon-Classic.de)

Aus einer aufgebohrten Megura 500 entstand schließlich die Kawasaki W1 mit 650 ccm Zweizylinder-Viertaktmotor ganz im Stil traditioneller englischer Motorräder. Leider glich die Maschine bis ins Detail einer BSA A7, weshalb das Modell außerhalb Japans floppte. Heute ist die Kawasaki 650 W1 allerdings ein seltener wie gesuchter Oldtimer.

Die BSA A7 stand der Megura 500 K1 als Pate.

In Japan brachte 1959 der Hersteller Megura den Zweizylinder-Viertakter 500 K1 auf den Markt, der offensichtlich der britischen 500er BSA A7 nicht nur äußerlich sehr nahe kam. Der Motor schien in Aufbau und technischen Daten dem BSA-Zweizylinder gleich, eine Aufzählung der Gemeinsamkeiten würde wohl zu viel Platz einnehmen. Allerdings gab es auch Unterschiede, zum Beispiel lief die Kurbelwelle nun in Wälzlagern, die Pleuelfüße in Nadellagern. Von großem Nutzen waren auch die metrischen Gewinde und Schlüsselweiten, was dafür sorgte, dass sich die Maschinen in den Werkstätten mit Standardwerkzeug besser warten ließen. Beim Betrachten der restlichen äußerlichen Parameter wie Doppelschleifenrahmen, Federbeine, Tank, Sitzbank, Bremsen, Bremshebel, Kickstarter fiel das Duplikat erst recht durch die Nähe zu seinem Vorbild BSA A7 auf.

Äußerlich an der Typenbezeichnung „K2“ und dem „Kawasaki“ – Schriftzug zu erkennen, rollten bis 1965 insgesamt 3.925 Maschinen vom Band. Die knappe Hälfte davon ging an japanische Behörden wie die Polizei.

Auf der rechten Seiten befindet sich die Zahnradkaskade des Primärantriebs

Auf der rechten Seiten befindet sich die Zahnradkaskade des Primärantriebs (Quelle: Nippon-Classic.de)

Überarbeiteter 500 K2 Motor.

Beim Motor handelt es sich um einen fahrtwindgekühlten Zweizylinder-Reihenviertaktmotor mit einer dreiteiligen, wälzgelagerten Stahlkurbelwelle und nadelgelagerten Pleuelfüßen. Eine unten liegende Nockenwelle übertrug die Nockenbewegung über Stößel, Stoßstangen und Kipphebel auf die beiden Ventile in jedem Zylinder. Der Hubraum betrug 624 ccm. Die Modelle W1 und W2 unterschieden sich in der Leistung – W1 mit 50 PS bei 6500 U/min, W2 mit 53 PS bei 7000 U/min. Die W1 hatte einen Vergaser mit 31 mm Durchlass, ab Modell W2 kommen 2 Vergaser mit je 28 mm zum Einsatz. Die Motorschmierung erfolgte im Trockensumpf. Der Primärantrieb lief über eine Duplexkette. Den Kraftschluss zum klauengeschalteten Vierganggetriebe übernahm eine Mehrscheiben-Kupplung im Ölbad. Der Sekundärantrieb ging über Kette an das Hinterrad. Gestartet wurde ausschließlich mit einem Kickstarter.

Der 650 ccm Motor der W1 leistete zwischen 50 und 53 PS

Der 650 ccm Motor der W1 leistete zwischen 50 und 53 PS (Quelle: Nippon-Classic.de)

Rahmen und Fahrwerk der Kawasaki W1 650.

Das Grundgerüst der 650 W1 besteht aus einem Doppelschleifen-Stahlrohrrahmen. Kawasaki behielt das Rahmen-Layout bis zum Schluss bei der W3 bei. Nur die Ausleger hinten wurden bei der W3 geändert.

Das vordere Fahrwerk bestand aus einer Telegabel mit 120 mm Federweg, das hintere aus einer Schwinge mit zwei Federbeinen mit 80 mm Federweg. Gestoppt wurde an Vorder- und Hinterrad mit Trommelbremsen, vorn Duplex mit 200 mm Durchmesser, hinten Simplex mit 180 mm Durchmesser. Die Bereifung ist bei der W1 vorn 3.25-18 4PR; hinten 3.50-18 4 PR, bei der W2 und Nachfolgern vorn 3.25-194PR; hinten 4.00-18 4PR. Der Stahltank fasst 14 Liter, das Leergewicht liegt bei 181 kg.

Die Höchstgeschwindigkeit ist je nach Modell den Quellen nach unterschiedlich mit 150 – 180 km/h angegeben. Die Preise in Deutschland lagen zwischen 4.830 DM (W1) und 5.440 DM (W2 SS). Äußerlich unterschied sich die neue 650 W1 von der Megura 500 K2 hauptsächlich durch:

  • eine bequemere Sitzbank
  • einen Lampentopf mit integrierten Tacho-Drehzahlmesser
  • eine veränderte Telegabel mit Faltenbälgen über den Standrohren
  • filigranere Chromschutzbleche sowie
  • eine 200 mm messende Duplex-Trommelbremse im Vorderrad.

Fertig war die neue Kawasaki 650 W1.

Ausbleibender Erfolg der 650 W1 außerhalb Japans.

Bei der Vorstellung der Kawasaki W1 650 im Oktober 1965 avancierte das neue Top-Modell im Heimatland Japan schnell zu einem Liebling des Zweirad-Publikums. Sie galt hier als kräftiges und prestigereiches Modell und zeigte hier gerade den anderen japanischen Herstellern, was der kleine Produzent so alles „auf die Reifen“ stellen konnte. Völlig anders reagierten die Käufer in den USA und Europa.

Ölbehälter für die Trockensumpfschmierung

Ölbehälter für die Trockensumpfschmierung (Quelle: Nippon-Classic.de)

Der Grund war die auf den ersten Blick zu offensichtliche Ähnlichkeit zur britischen BSA A7, die zu diesem Zeitpunkt selbst schon nicht mehr ganz auf ihrem Zenit war. In zweiter Linie fielen die fehlenden Zugeständnisse an sich wandelnde Erwartungen an neue Motorräder auf. Mitte der 1960 Jahre veränderten sich die Ansprüche der Konsumenten. Motoren sollten eher durch geschmeidige Kraftentwicklung und Beschleunigung gepaart mit hoher Zuverlässigkeit des Gesamtpaketes Motorrad auffallen. Und so konnte die 650 W1 mit ihrem vibrationsgeplagten Motor in Paarung mit dem sehr hart abgestimmten Fahrwerk kaum noch Käufer einer anderen Marke abtrünnig noch Neukunden kauflaunig machen. Der im Vergleich mit der Konkurrenz BSA recht hohe Preis und die geringere Endgeschwindigkeit taten ihr Übriges dazu.

Bis Ende 1966 wurden ca. 2.500 Exemplare der Kawasaki 650 W1 weltweit an den Mann gebracht. Der Misserfolg in den USA brachte Kawasaki dazu, das Modell auch in Australien und Europa anzubieten. In Deutschland war der Verkauf rein statistisch gesehen schon zu vernachlässigen. Der schlechte Absatz drängte Kawasaki, noch im selben Jahr einen sportlichen 250 ccm Zweizylinder-Zweitakter, Typenbezeichnung A1 Samurai, auf den Markt zu bringen. Dieses Modell als auch im Anschluss entwickelte Zweitakter-Modelle mit Rennsport-Charakteristik brachten Kawasaki zu diesem Zeitpunkt dringend benötigte Lorbeeren für schnelle und agile Maschinen, welche den Bekanntheitsgrad der Marke weiter konsolidierten. Die Kawasaki W1 650 wurde, hauptsächlich für den japanischen Markt, noch bis Ende 1974 in verschiedenen Evolutionsstufen (siehe unten) gebaut.

Das ist die dritte von drei in Frankreich verkauften Kawasaki W2 SS

Das ist die dritte von drei in Frankreich verkauften Kawasaki W2 SS (Quelle: Nippon-Classic.de)

Modellpflege und Evolution

1966 Modell Kawasaki W1SS:

  • zwei Mikuni-Vergaser VM 28
  • Erhöhung der Verdichtung von 8,7:1 auf 9:1
  • Leistungssteigerung auf 53 PS bei 7000/min
  • kürzere Auspuffrohre, neugestaltete und gesteppte Sitzbank

1967-1968 Modelle Kawasaki W2SS, W2TT:

  • Tank nicht seitlich verchromt sondern zweifarbig lackiert, Kawasaki-Logovergrößert auf dem Tank
  • Lampentopf neu gestaltet, Tacho und Drehzahlmesser neu
  • bei der W2TT eine hochgelegte Auspuffanlage für den US-Markt (Scrampler)

1970 Modell Kawasaki W1SA „Grand Touring“:

  • Schalthebel nun links und Bremshebel rechts, Duplex Trommelbremse nun mit Lufthutzen
  • Indifferenzrohr zwischen den Auspuffkrümmern
  • neuer Tank, Drehzahlmesser, Tacho, Blinkleuchten und Rücklicht
  • Schriftzug Kawasaki in Großbuchstaben auf dem Primärdeckel, kleines Kawasaki-Logo und großem „W“ auf dem Steuerdeckel

1974 Modell Kawasaki W3 „650 SS“:

  • Instrumente, Telegabel incl. Scheibenbremse, Tank und Federbeine von der Kawasaki Z 900 Z1.
  • Die W3 kam nie nach Deutschland.

1999 Revival mit einer neuentwicklten W650:

  • 676 ccm Hubraum
  • 50 PS
Perfekt restaurierte Kawasaki 650 WSS

Perfekt restaurierte Kawasaki 650 WSS (Foto: Nippon-Classic.de)

Die Besonderheiten als Gebrauchte

Trotz 26.289 verkaufter Exemplare gehören die Kawasaki 650 W1 und W2 heute zu den ganz seltenen und gesuchten Oldtimern – selbst im fernen Japan. Obwohl es nicht wirklich einen „Gebrauchtmarkt“ für diesen Dampfhammer gibt – die wenigen gehandelten Exemplaren gehen quasi „unter der Hand“ weg – taxiert Classic-Data restaurierte oder top-gepflegte Exemplare mit knapp 14.000 Euro – Wertsteigerung garantiert.

Heute kümmern sich Experten wie Ralf Gille aus Frankfurt am Main um den Erhalt der antiquierten Donnerbolzen. Ralf Gille deckt mit seiner Firma Motorcycles & Engineering das gesamte Spektrum von der Ersatzteilbeschaffung bis hin zu kompletten Restauration ab und gilt in der Motorradszene als W1-Authorität. Im Gespräch mit Nippon-Classic.de erläutert Gille:

„In eine Restauration fließen über 100 Arbeitsstunden hinein. Eine restaurierte W-Kawa hat dann auch einen Wert zwischen 15.000 und 20.000 Euro. Selbst eine „Standard-W“ gibt es nicht mehr unter 19.000 Euro. Weil auch die Teile teilweise brutal teuer sind.“

Das gute an den Dingern ist, dass sie relativ wenig Kilometer haben, wenn sie in bemitleidenswertem Zustand aus den USA hierher kommen. Wenn die keine kapitalen Standschäden haben, wo evtl. Wasser oder Feuchte in den Motor eingedrungen ist, ist alles ok. Die Kurbelwelle ist das Entscheidende.
„Denn die zu überholen kostet ein Vermögen, da die so beschissen konstruiert ist. In der Regel baue ich mir die Kurbelwellen neu auf. Die bekommen neue Hauptlager. Die Pleuellager bleiben drin, weil die auch für 100.000 Kilometer gut ist. Außer sie haben ein Korrosionsproblem. Dann wird alles ande-re im Motor neu gelagert und neu gemacht.“ Erklärt die W1-Pabst weiter.

Der Motor der Kawasaki W1 kann für viele Arbeiten im Rahmen verbleiben

Der Motor der Kawasaki W1 kann für viele Arbeiten im Rahmen verbleiben (Quelle: Nippon-Classic.de)

Viele (originale) Ersatzteile sind für die Kawasaki 650 W1 heute nicht mehr oder nur noch als Repro-Teile zu bekommen. Dies gilt u.a. für die Auspuffanlage oder Rückspiegel.

Eine Besonderheit der Kawasaki W1 650 ist der Antriebsruckdämpfer für die Primärkette. Wenn diese nicht gespannt ist, schleift diese unten im Motorgehäuse. Die Primärkette wird bei der 650er Kawa über die Getriebeeinheit gespannt. Über Langlöcher kommt man zu einer Spannschraube auf der rechten Seite. Die Kettenspannung selbst wird über die Neigung des Getriebes eingestellt. Wichtig ist, die Primärkette immer in Verbindung mit dem Endantrieb einzustellen.

Die hinteren Schutzbleche arbeitet Ralf Gille gar nicht mehr auf, sondern lässt sie komplett neu bauen. Da die Originalbleche teilweise dreilagig sind, kann bei der Galvanik die Säure nicht richtig herausgespült werden, so dass sich mit der Zeit der Chrom hebt. Die Japaner Tukalti baut die in Handarbeit nach. „Die Kosten zwar auch ein Schweinegeld, aber dann habe ich nicht das Risiko, dass sich beim Kunden nach einem halben Jahr der Chrom löst. Die Schutzbleche sind absolut authentisch, sogar die Halteklammern für die Kabel usw.“

Die Kawasaki W1 650 wurde erstmals 1966 in Nordamerika vertrieben

Die Kawasaki W1 650 wurde erstmals 1966 in Nordamerika vertrieben (Quelle: Nippon-Classic.de)

Technische Daten Kawasaki 650 W1 und W2

Einheit650 W1 / W1SS650 W2 / W2SS / W2TT
1. Fakten
ProduktionszeitJahr1965 bis 19671968 bis 1975
Nummerierung
FarbenRot, BlauRot, Blau
NeupreisDM4.830 DM
2. Motordaten
Motortyp2-Zylinder, 4-Takt2-Zylinder, 4-Takt
Ventilsteuerung2 Ventile/Zyl.; Stoßstangen, Stößel2 Ventile/Zyl.; Stoßstangen, Stößel
Nockenwelle1 untenliegend1 untenliegend
Hubraumccm624 ccm624 ccm
Bohrungmm74,0 mm74,0 mm
Hubmm72,6 mm72,6 mm
Verdichtungsverhältnis8,7:18,7:1
Vergaser1 Mikuni Vergaser (VM 31) mit je 31 mm2 Mikuni Vergaser (VM28) mit je 28 mm
3. Leistungsdaten
LeistungPS50 PS53 PS
bei Drehzahlmin-16.500 U/min7.000 U/min
DrehmomentNm55,9 Nm55,9 Nm
bei Drehzahlmin-15.500 U/min5.500 U/min
LeistungsgewichtKg/PS3,6 Kg/PS3,4 Kg/PS
Höchstgeschwindigkeitkm/h180 km/h185 km/h
4. Abmessungen
Längemm2.085 mm2.085 mm
Radstandmm1.415 mm1.415 mm
LeergewichtKg180 Kg180 Kg
5. Bremse
Bremse vornDuplex 200 mmDuplex 200 mm
Bremse hintenSimplex 180 mmSimplex 180 mm
6. Antrieb
Getriebe4-Gang Fußschaltung4-Gang Fußschaltung
AntriebKetteKette
StarterKickstarterKickstarter